Frage an Simon Moritz von Lothar K. bezüglich Wissenschaft, Forschung und Technologie
Herr Gabriel hat in einer Rede in Bamberg gesagt, dass man das Arbeitskräftepotential in Deutschland besser nutzen muss. Dieser Meinung bin ich auch.
1. Alle meine beruflichen Veränderungswünsche scheiterten daran, dass ich kein Abitur hatte. Trotz Mittlerer Reife an einer Wirtschaftsschule, Ausbildung zum Bankkaufmann, sechs Jahren Berufstätigkeit in diesem Beruf, Abendstudium Betriebswirtschaft an der VWA und Ausbildereignungsprüfung teilte mir z. B. die damalige Landeszentralbank Bayern mit, dass ich auf Grund meiner fehlenden Fachhochschulreife für die angestrebte Position nicht geeignet sei. Das ist ein generelles Problem im öffentlichen Dienst.
Auch bei der örtlichen Sparkasse sagte man mir, dass man mich für eine Position des gehobenen Dienstes zwar einstellen könne, bezahlen dürfe man mich aber ohne Fachhochschulreife maximal in der höchsten Stufe des Mittleren Dienstes. Mit Fachhochschulreife ist das VWA-Studium der Zugang zum höheren Dienst; ohne ist es wertlos.
Für eine Umschulung in den öffentlichen Dienst beträgt das Höchstalter 25 Jahre, außer man hat einen Schwerbehindertenausweis, dann ist es 40 Jahre. Den hatte ich. Man sagte mir aber, dass ich mit damals 37 Jahren viel zu alt sei um so eine Umschulung noch erfolgreich bewältigen zu können und die Bevorzugung Schwerbehinderter bestünde darin, dass man sie zum Vorstellungsgespräch einladen würde. 25 und älter heißt im ÖD nicht mehr lernfähig
Will und würde die SPD solche Ärgernisse ändern o. beseitigen wollen?
2. Außerdem habe ich gehört, dass ein von der Bundesagentur mit 1,9 Millionen Euro mitfinanziertes Programm, das Schulabgänger ohne oder mit sehr schlechtem Abschluss in Arbeit bringen sollte, aus Kostengründen ersatzlos gestrichen wurde. Im Gegensatz zu den Unsummen, die für Studenten und Gymnasiasten ausgegeben wird ist dieser Betrag ohnehin absolut lächerlich.
Wird es unter der SPD wieder so ein Programm geben, dass ich für sehr wichtig halte.
Mit freundlichen Grüßen
Lothar Kindermann
Sehr geehrter Herr Kindermann,
herzlichen Dank für Ihre Anfrage.
Da ich an der Veranstaltung mit Sigmar Gabriel leider aus beruflichen Gründen nicht teilnehmen konnte, kenne ich natürlich nicht den genauen Kontext dieser Aussage. Das von Ihnen angesprochene Problem bezieht sich ja allgemein auf die Einstufungskriterien im öffentlichen Dienst, weshalb ich versuche Ihnen in diesem allgemeinen Kontext zu antworten.
Das von Ihnen skizzierte Problem hat zwei Seiten: Erstens die Problematik der Anerkennung unterschiedlicher Bildungsabschlüsse im öffentlichen Dienst, zweitens die Umschulung insbesondere behinderter Mitmenschen in den verschiedenen Laufbahngruppen. Zum ersten Punkt kann ich Ihnen versichern, dass sich die SPD insbesondere deshalb für die bessere Anerkennung sogenannter "sekundärer" Bildungsabschlüsse einsetzt, um den sozialen und beruflichen Aufstieg durch Bildung als Kernanliegen der Sozialdemokratie zu ermöglichen. Beispielsweise leuchtet es mir auch persönlich nicht ein, weshalb der Staat einerseits private Studiengänge wie ihr Abendstudium der VWA zertifiziert und dadurch öffentlich anerkennt, dem aber nicht durch eine faktische Gleichstellung mit "normalen" Studiengängen Rechnung trägt. Gerade die Erhöhung der Durchlässigkeit unseres Bildungssystems sollte doch zur Folge haben, dass sich viele Menschen auch auf eigene Initiative hin entsprechend weiterbilden und dann auch Aufstiegschancen im öffentlichen Dienst erhalten. Derlei Gleichstellungen finden in anderen Bereichen ja durchaus statt: So ist es mittlerweile möglich, über ein Fachabitur einen regulären Bachelor-Studiengang zu beginnen, was letztendlich sogar das Erreichen der höchsten universitären Abschlüsse ermöglicht.
Ihr zweites Beispiel (die Ablehnung Ihres Umschulungs-Gesuchs mit 37 Jahren) kann ich rein juristisch nicht nachvollziehen. Wenn die Grenze bei 40 Jahren liegt, kann ich die Ablehnung Ihres Gesuchs nicht verstehen; wurde diese denn juristisch bewertet? In jedem Fall sollte die Möglichkeit für behinderte Menschen, sich auch im öffentlichen Dienst weiter zu qualifizieren, auch weiterhin im Vergleich zu Nicht-Behinderten erleichtert möglich sein.
Eine allgemeine Anmerkung noch zum Thema "Inklusion und öffentlicher Dienst": Ich halte es für sehr wichtig, dass wir - wie von der SPD im Regierungsprogramm gefordert - unter Einbeziehung der Bund-Länder-Finanzbeziehungen ein Bundesleistungsgesetz schaffen, welches der Umsetzung der UN-Behindertenrechtskonvention dient und die Eingliederungshilfe in ihrer bisherigen Form ablöst. Die Kommunen als wichtigste Arbeitgeber im öffentlichen Dienst würden damit massiv von den Kosten der Eingliederungshilfe entlastet werden, was meiner Meinung nach ein Punkt wäre, welcher sich auch sehr positiv auf die Situation der im öffentlichen Dienst tätigen behinderten Mitmenschen auswirken würde.
Das von Ihnen angesprochene Förderprogramm ist mir leider nicht bekannt. Generell kann ich Ihnen wiederum versichern, dass sich die SPD der Situation im Bereich der Berufsausbildung junger Menschen (60.000 junge Menschen pro Jahr ohne Schulabschluss, 2,4 Mio. Menschen unter 35 Jahren ohne berufliche Ausbildung) sehr bewusst ist. Rund 1,5 Mio. junge Erwachsene zwischen 25 und 35 Jahren ohne Schul- oder Berufsabschluss brauchen aus Sicht der SPD besondere Förderung. Für sie soll das Sofortprogramm "2. Chance auf Berufsausbildung" aufgelegt werden, welches mit passgenauen Instrumenten auf die speziellen Lebenslagen der jungen Menschen reagiert und sie zum Ausbildungsabschluss führt. Wir wollen, dass das Nachholen eines Schulabschlusses finanziell gefördert wird. Auch insgesamt wollen wir, dass die Qualifizierung und Weiterbildung aller Beschäftigten mit verbindlichen Ansprüchen gefördert wird.
Ich würde mich sehr freuen, wenn ich Ihre Fragen zu Ihrer Zufriedenheit beantworten konnte. Für Nachfragen (gerne auch per Mail) stehe ich Ihnen natürlich gerne zur Verfügung.
Mit freundlichen Grüßen nach Bischberg
Simon Moritz