Frage an Silke Launert von Sami A. bezüglich Familie
Sehr geehrte Frau Launert,
da Sie Abgeordnete eines bayerischen Wahlkreises sind und ich leidliche Erfahrungen an bayerischen Gerichten (FG Amberg und OLG Nürnberg) hinsichtlich der familienrechtlichen Situation sammeln konnte, interessiert mich Ihre Haltung zu Gutachten in familienrechtlichen Angelegenheiten besonders.
Gutachter werden in familienrechtlichen Fällen von Richtern direkt beauftragt. Daß es das Wort “Gefälligkeitsgutachten” gibt, ist dabei sicherlich kein Zufall. Man könnte zu der Auffassung kommen, daß es sich in vielen Fällen gar um ein symbiotisches Verhältnis zwischen Richtern und Gutachtern handelt. Daß Richter immer wieder die selben Gutachter beauftragen, sollte hierfür als ein Indiz gelten.
Neben der Beauftragung von Gutachtern ist die Qualität der meisten Gutachten ebenfalls höchst fragwürdig. So hat eine Studie von Prof. Dr. Werner Leitner ergeben, daß die überwiegende Mehrheit der Gutachten nicht die Mindestvoraussetzungen erfüllen. In meinem Fall wollten die Richter am OLG Nürnberg kein Gegengutachten zulassen, weil man die Gutachterin kenne und sie laut dem vorsitzenden Richter gute Arbeit leiste. Im Nachgang an das Verfahren habe ich das Gutachten an den o.g. Prof. Dr. Leitner geschickt, der das Gutachten als höchst mangelhaft eingestuft hat.
Bereits im Koalitionsvertrag der 18. Legislaturperiode war das Thema Gutachten in familiengerichtlichen Verfahren ein Thema, so hieß es:
“[...] die Qualität von Gutachten insbesondere im familiengerichtlichen Bereich verbessern” (S.154).
Warum gibt es keine zentrale Stelle die sich um die Vergabe von Aufträgen für Gutachten kümmert und die Gutachten regelmäßig Qualitätskontrollen unterzieht? Würden Sie sich dafür einsetzen, daß so eine Stelle geschaffen wird. Damit würde man ausschließen, daß Richter ihnen gefällige Gutachter beauftragen und gleichzeitig würde man die Qualität sichern.
Mit freundlichen Grüßen,
S. A.
Sehr geehrter Herr Awad,
vielen Dank für Ihre Frage. Es tut mir sehr leid zu hören, dass Sie schlechte Erfahrungen gesammelt haben. Ich möchte Ihnen gerne zu denen von Ihnen aufgeworfenen Fragen meine Sicht der Dinge mitteilen:
Folgendes haben Sie angesprochen:
1. dass Richter „immer wieder dieselben Gutachter beauftragen“
2. dass in Ihrem Fall die Richter „kein Gegengutachten zulassen“ wollten
3. wie ich zur Schaffung einer zentralen Stelle für die Vergabe von Aufträgen für Gutachten stehe
Zunächst zu 1.: Sie kritisieren, dass Richter immer wieder auf die gleichen Gutachter zurückgreifen würden. Das interpretieren Sie als Zeichen, es handle sich um Gefälligkeitsgutachten und ein symbiotisches Verhältnis. Diesbezüglich kann ich Ihnen nicht zustimmen. Bitte beachten Sie, dass Gutachter nicht danach ausgewählt werden, welches Ergebnis sie liefern. Sie sind insbesondere auch nicht dafür zuständig, dem Richter die Entscheidung abzunehmen, sondern sollen ein unparteiisches und objektives Ergebnis liefern, aufgrund dessen dann der Richter werten kann. Wenn Richter einen Gutachter wiederholt beauftragen, dann liegt das vornehmlich daran, dass sie dessen Arbeitsweise zu schätzen wissen und die Qualität seiner Arbeit würdigen.
Zu 2.: Ich kann Ihr Bedürfnis nachvollziehen, dass eine Partei oftmals ein Interesse an einem Gegengutachten hat. Es gibt auch sicherlich Fälle, in denen Gutachter keine qualitativ angemessene Arbeit geleistet haben. In diesen Fällen ist es jedoch die Aufgabe der Gerichte, dies zu bewerten und zu überprüfen. Das pauschale Zulassen von Gegengutachten durch die Richter würde die Arbeit der primären Gutachter ins Leere laufen lassen. Solange der Richter keinen Grund hat, die Qualität des Gutachtens anzuzweifeln, gibt es zunächst erstmal keinen Grund für ein Gegengutachten.
Zu 3.: Zuletzt haben Sie noch die Schaffung einer zentralen Stelle für die Vergabe von Aufträgen für Gutachten angesprochen und nach meiner Meinung dazu gefragt. Ich bin gegen eine zentrale Stelle für die Vergabe der Aufträge für Gutachten. Wie oben schon erwähnt, ist das wichtigste Kriterium eines Gutachtens dessen Qualität. Ein Richter bzw. eine Richterin kann ihre Erfahrungen hinsichtlich der Qualität der verfassten Gutachten eines Gutachters in ihre nächste Auswahlentscheidung mit einbeziehen. Bei einer zentralen Vergabestelle besteht die Gefahr, dass nach dem „Windhundprinzip“ Aufträge vergeben werden und so die Qualität der Gutachten nicht gewahrt wird. Außerdem gilt, dass Richter unabhängig sind. Sie stehen auf keiner Seite. Sie wollen einfach ein qualitativ gutes Gutachten erhalten, um ihre Arbeit möglichst gut fortführen zu können. Woran man jedoch denken könnte, wäre die Einrichtung einer Stelle, an die man sich wenden kann, um die Qualität eines Gutachtens zu beanstanden und eine Zweitmeinung einzuholen. Im Normalfall wird jedoch schon der Richter oder die Richterin ein Gutachten beanstanden, wenn es seinen Qualitätsansprüchen nicht genügt.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Silke Launert MdB