Frage an Silke Launert von Wilfried M. bezüglich Gesundheit
Sehr geehrte Frau Dr. iur. Launert,
Sie schrieben hier am 18.Dezember (1): "Würde man Ihren Vorschlag umsetzen, würde dies also nicht nur einen Eingriff in das Persönlichkeitsrecht des "Probanden" zur Folge haben, sondern auch in das des Sachverständigen."
...
"Außerdem dürfte es schwer sein, in Anbetracht der bestehenden Mangellage an Sachverständigen unter diesen Bedingungen noch jemanden verpflichten zu können."
Ich bitte (vor dem Hintergrund persönlicher Kenntnis diverser Gutachter und der eigenen früheren Berufstätigkeit auch in Bayern, zumal Oberfranken) höflichst um die wahrheitsgemäße und vollständige Beantwortung meiner Fragen hierzu:
1.) Aufgrund welcher nachlesbarer Untersuchungsergebnisse gehen Sie denn ernsthaft von einer "Mangellage an Sachverständigen" aus?
Insbesondere:
2.) Ist Ihnen bekant, daß JEDER Facharzt für Psychiatrie Sachverständiger für psychiatrische Fragestellungen -und also vom Gericht zu verpflichten- ist oder hat sich an der Rechtslage und zumal am Selbstverständnis unter den Fach- Ärzten etwas verändert? Sieht die Ausbildungsordnung in Bayern nicht mehr vor, daß jeder Arzt vor seiner Facharztprüfung eine bestimmte Antahl von Gutachten unter Supervision erstattet haben muß?
3.) Wollen Sie behaupten, daß Fachärzte (oder Dipl.- Psychologen), welche die videografische Dokumentation der Untersuchungsgespräche erlauben (2), damit die Persönlicheitsrechte der Probanden mißachten? Welche Persönlichkeitsrechte sind konkret gemeint?
Mit freundlichen Grüßen
Dipl. med. W. Meißner
Sachverständiger
Facharzt für Anatomie, Psychiatrie und Psychotherapie a.D.
Verein Anti-Korruption . Reformation 2014 e.V.
(1. Vorsitzender)
1) http://www.abgeordnetenwatch.de/dr_silke_launert-778-78618--f446201.html#q446201
2) z.B. Prof. Dr. med. Nedopil, LMU München, lt. Einlassung vom 6. Mai 2013 gegegnüber einem Vereinsmitglied http://www.wilfriedmeissner.de/pdf/2013-05-06_AW_Videographie_Professor-Dr-med-Nedopil.pdf
Sehr geehrter Herr Meißner,
vielen Dank für Ihre Fragen vom 20. Dezember, die ich im Folgenden sehr gerne beantworten will.
Zu Ihrer ersten Frage: Dass es eine Mangellage an Sachverständigen gibt, ist kein Geheimnis und auch keine neue Information. Nachlesen können Sie das in der Bundesratsdrucksache 438/15 auf Seite 5: https://www.bundesrat.de/SharedDocs/drucksachen/2015/0401-0500/438-15(B).pdf?__blob=publicationFile&v=1
Aber ich kann das Ihnen auch aus meiner Erfahrung als Richterin bestätigen. Gerade an Amtsgerichten werden Sachverständige vor allem benötigt in Verkehrsunfallsachen, bei denen regelmäßig unfallanalytische und/oder Schadensgutachten einzuholen sind, in Mietsachen, bei denen es um Mängel an der Mietsache geht und in Bauprozessen, bei denen Beweis zu erheben ist über Baumängel oder auch über die Vergütung. Dementsprechend vielfältig sind die Frage- und Problemstellungen und dementsprechend qualifiziert muss der Sachverständige sein. Die Aufgabe des Gerichts ist es nun, in dieser Vielzahl an Fällen an jedem Ort und zu jedem Fachgebiet kompetente Sachverständige zu bestellen, die sich noch dazu bereit erklären, prioritär und in kürzester Zeit Gutachten zu erstellen. Gerade in ländlichen Regionen kann man da nicht gerade aus dem Vollem schöpfen, das kann ich Ihnen nach zehn Jahren Tätigkeit am Gericht bestätigen.
Zu Ihrer zweiten Frage: Vom Gericht zur Erstattung eines Gutachtens verpflichtet werden kann nach § 407 I ZPO und § 75 I StPO grundsätzlich auch jeder Facharzt. Insoweit stimme ich Ihnen zu. Und es ist auch richtig, dass die „Weiterbildungsordnung für die Ärzte Bayerns vom 24. April 2004 – in der Fassung der Beschlüsse vom 25. Oktober 2015“ auf dem „Gebiet der Psychiatrie und Psychotherapie“ und auf dem „Gebiet Kinder-und Jugendpsychiatrie und –psychotherapie“ die Erstellung von Gutachten im Rahmen der Weiterbildung vorsieht. Allerdings sieht die Weiterbildungsordnung keine bestimmte Anzahl an Gutachten unter Supervision vor. Es ist also nicht so, dass jeder Facharzt schon allein durch seine Ausbildung ausreichend Erfahrung mitbringt. Und mit Blick auf die gerade bei medizinischen Gutachten häufig existentiellen gerichtlichen Entscheidungen sollte das Gericht einen Sachverständigen auswählen, der hinsichtlich der spezifischen Frage- und Problemstellung auch entsprechend qualifiziert und weitergebildet ist. Hinzu kommt, dass der Bestellung durch das Gericht nach § 407 I ZPO bzw. § 75 I StPO auch Grenzen gesetzt sind. Eine Grenze findet die Sachverständigenpflicht an der Zumutbarkeit, beispielsweise bei starker beruflicher Inanspruchnahme.
Zu Ihrer dritten Frage: Nein, ich meine nicht, dass die Fachärzte, die eine Aufzeichnung erlauben, die Persönlichkeitsrechte der Probanden verletzen. Bei Bild- und Tonaufzeichnungen liegt grundsätzlich ein Eingriff in die Persönlichkeitsrechte vor und zwar durch den, der die Aufzeichnungen vornimmt und gegebenenfalls dokumentiert und/oder weitergibt. Hier geht es um den Schutz der Privat-, Geheim- und Intimsphäre, um das Recht am gesprochenen Wort, um das Recht am eigenen Bild und um das Recht auf informationelle Selbstbestimmung (Art. 2 Abs. 1 i.V.m. Art. 1 Abs. 1 GG). Ich hoffe, ich konnte Ihre Fragen alle umfänglich beantworten.
Mit freundlichen Grüßen
Dr. Silke Launert, MdB