Wie stehen Sie zu Abschiebungen trotz positiven Votums der Härtefallkommission und zum Vollzug von Abschiebungen aus geschützten Räumen, wie Krankenhäusern, psychiatrischen Kliniken oder Kinderheimen?
Sehr geehrter Herr Dr. Stahn,
vielen Dank für Ihre Nachricht. Um es vorwegzunehmen: Ich bin klar gegen Abschiebungen, nachdem eine Härtefallkommission sich für den Verbleib einer Person ausgesprochen hat. Eine Abschiebung aus „Schutzräumen“sollte es nicht geben.
Bevor ich konkreter auf Ihre Frage eingehe, lassen Sie mich zunächst auf die rechtlichen Bedingungen eingehen. Der Bund gibt über das Aufenthaltsgesetz rechtliche Rahmenbedingungen vor, unter anderem für die Einreise, den Aufenthalt und die Integration von Asylbewerberinnen und -bewerbern. Eine Abschiebung liegt im Zuständigkeitsbereich der Bundesländer. Hier gilt zunächst: Wenn eine Abschiebung angeordnet wird, muss eine Ausreise erfolgen. Dies ist deshalb so wichtig, um das Vertrauen in unser Asylsystem zu erhalten und die Akzeptanz der hier anerkannten Asylbewerberinnen und -bewerber zu gewährleisten.
Es gibt aber auch Fälle, in denen berechtigte Zweifel an so einer Entscheidung bestehen. Darüber entscheiden die sogenannten Härtefallkommissionen der Bundesländer. In Zweifelsfällen kann die Härtefallkommission auf Verlagen über einen Abschiebefall beraten. Immer wieder gibt es Fälle, in denen sich die Mitglieder für einen Verbleib des Asylbewerbers bzw. der Asylbewerberin aussprechen.
Paragraf 23a des Aufenthaltsgesetzes gibt hierzu vor: Die oberste Landesbehörde darf bei einem entsprechenden Votum jemandem, der ausreisepflichtig ist, einen Aufenthaltstitel erteilen. Dieser Möglichkeit folgen nicht alle Landesregierungen.
Ich finde – und hier knüpfe ich an den Anfang meiner Antwort an –, dass die Erteilung eines Aufenthaltstitels in diesen Fällen absolut geboten ist. Härtefallkommissionen kommen nicht leichtfertig und erst nach Abwägung der persönlichen Umstände zu entsprechenden Ergebnissen – zum Beispiel bei einer außerordentlich guten Integration. In diesen Fällen sollte die Entscheidung immer im Sinne der Menschlichkeit ausfallen.
Dies gilt im Übrigen auch für Abschiebungen aus geschützten Räumen. Menschen fliehen aus unterschiedlichen Gründen. Oft kommen sie aus bitterer Armut, haben sie Traumatisches erlebt und große Angst, dass ihre Ausreise in ihr Heimatland wieder angeordnet wird. Deshalb bedeutet ein Aufenthalt in Deutschland immer auch große Ungewissheit. Diese Angst sollte uns nicht egal sein. Die Mitmenschlichkeit gebietet es, Schutzräume wie Kinderheime, Schulen und Krankenhäuser zu wahren.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Hartmann