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Sebastian Hartmann
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Frage von Christoph G. •

Warum werden Abschiebungen von abgelehnten Asylbewerbern erst nach Begehen einer schweren Straftat möglich gemacht (Taten von Brokstedt, Mannheim und Solingen von abgelehnten Asylbewerbern verübt)?

Sehr geehrter Herr Hartmann,

warum werden Abschiebungen nicht frühzeitig durchgeführt nach Ablehnung des Asylverfahrens? Der Art. 16a GG besteht seit 1993. Anscheinend wurde damals nie an Abschiebungen gedacht, oder? Warum wurde keine Verknüpfung von Rückführungsabkommen mit Entwicklungshilfezahlungen durchgeführt? Wenn ein abgelehnter Asylbewerber dann nicht abgeschoben wurde und auch nicht in Abschiebearrest war und doch leider eine schwere Straftat begeht und Leid bei Mitbürgern verursacht hat, sollte er seine Strafe vollständig absitzen müssen.Heute wurden Gefährder (endlich, das zeigt was doch vor Landtagswahlen möglich ist, wenn nur der politische Druck hoch genug ist) und Straftäter aus der laufenden Haft abgeschoben.Gibt es eine Mindeststrafe, die die Straftäter absitzen müssen. (1/2 od 1/3 der Gesamtstrafe)?Es sind m.E. Umsetzungen erfolgt, die im April 2022 in der "Nationale Kraftanstrengung zur Abschiebung von abgelehnten Asylbewerbern" von AfD gefordert wurde.Warum so spät?

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Sehr geehrter Herr G.,

vielen Dank für Ihre Frage, auf die ich als innenpolitischer Sprecher der SPD-Fraktion gerne eingehe.

Grundsätzlich sind die Bundesländer für die Abschiebung zuständig. In dieser Wahlperiode wurde eine Abschiebungsoffensive vereinbart und viele Erleichterungen für die Bundesländer geschaffen. Durch mehrere Gesetze und praktische Maßnahmen hat der Bund den Ländern unter anderem erweiterte Instrumente für konsequentere Rückführungen an die Hand gegeben.

Die Ausländerbehörde vor Ort prüft direkt nach der Ablehnung des Asylverfahrens, ob Abschiebungen möglich sind, Abschiebungshindernisse vorliegen und ob gültige Pässe oder Reisepapiere vorhanden sind.

Ist das nicht der Fall, müssen Passersatzpapiere beschafft werden. Ohne Papiere ist in der Regel keine Rückführung möglich. Das Herkunftsland muss der Rückübernahme zustimmen. Der Bund leistet den Bundesländern hierbei Amtshilfe, wenn gewünscht. Oft dauert es einige Zeit, bis alle Voraussetzungen erfüllt sind und eine Abschiebung sowohl rechtlich als auch tatsächlich durchgeführt werden kann.

Eine Verknüpfung von Rückführungsabkommen mit Entwicklungshilfezahlungen ist schwierig. Die deutsche Entwicklungszusammenarbeit ist weit mehr als reine Finanzhilfe für ärmere Staaten. Es geht auch um Bekämpfung von Armut und Förderung nachhaltiger Entwicklung vor Ort. Insbesondere soll so verhindert werden, dass sich noch viel mehr Menschen auf den Weg in die EU und nach Deutschland machen. Statt Bestrafungen und Sanktionen, die oft gar nicht den gewünschten Erfolg erzielen, versuchen wir mit Anreizen und partnerschaftlichen Abkommen zu arbeiten. Es wurde stetig daran gearbeitet, Rückkehrkooperationen mit Herkunftsländern zu verbessern. Hierzu wurden sogenannte Migrationsabkommen geschlossen, die eine Rückführung in nicht-EU-Länder ermöglichen. 2022 wurde ein Abkommen mit Indien geschlossen, 2023 mit Georgien und im September dieses Jahres mit Kenia und Usbekistan. Mit Marokko besteht seit Januar 2024 eine umfassende Migrationspartnerschaft.

Zur Wahrheit gehört aber auch: Die Rückführung in einige Länder ist schwierig, weil wir dort zum Beispiel keine diplomatischen Vertretungen haben oder die Sicherheitslage beziehungsweise die menschenrechtliche Lage äußerst prekär ist.

Und: Grundsätzlich sind auch wir der Ansicht, dass Straftäter vor ihrer Abschiebung hier in Deutschland ihre Strafe absitzen müssen, auch wenn in diesen Fällen - nach Ermessen der Staatsanwaltschaft - von einer Vollstreckung der Strafe abgesehen werden kann. Die Abschiebung darf kein Freifahrtschein für Verbrecher sein, das geht gegen alles Rechtsempfinden und ist auch aus rechtsstaatlichen Gründen problematisch. 

Für die Ausländerbehörden gilt: Es sollen alle Anstrengungen unternommen werden, ausreisepflichtige Personen, die sich in Strafhaft befinden, bis zum Ende der Strafhaft abzuschieben, zumindest sollen die Voraussetzungen für die Abschiebung geschaffen werden.

Allerdings ist es üblich, dass Betroffene vorzeitig, nach Verbüßung von mindestens 2/3 der Strafe oder auch mehr, aus dem Strafvollzug entlassen werden können. In diesem Fall würde der Rest der Freiheitsstrafe zur Bewährung ausgesetzt werden, wenn die entsprechenden Voraussetzungen hierfür vorliegen.

Eine vorzeitige Haftentlassung muss unter Berücksichtigung des Sicherheitsinteresses der Allgemeinheit zu verantworten sein.

Unter ganz engen Voraussetzungen ist eine vorzeitige Haftentlassung auf Bewährung bereits nach Verbüßung von der Hälfte der Haft möglich. Diese Zeiten der Strafverbüßungspflicht sollten auch vor Abschiebung mindestens eingehalten werden. Hier muss jedoch jeder Einzelfall genau angeschaut und bewertet werden.

Mit freundlichen Grüßen

Sebastian Hartmann

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