Sehr geehrter Herr Hartmann, wie können Sie und die SPD es verantworten, dem Cannabisgesetz, gegen das Polizei, Justiz und Ärzte und Apotheker erhebliche Bedenken geäußert, zuzustimmen?
Sollte es nicht noch substanzielle Nachbesserungen geben? Oder geben Sie sich mit dem Formelkompromiss der verkürzten Evaluationszeit zufrieden? Als Polizist muss man bei den künftigen Regelungen, die den Dealern das Leben erheblich vereinfachen, mit Spott rechnen. Ganz zu schweigen von den erheblichen Mehraufwänden die bevorstehen. Halten Sie es nicht für sinnvoll, hier noch einmal ordentlich nachzubessern?
Quelle u.a. Stellungnahmen
Bund deutscher Kriminalbeamter: https://www.bdk.de/der-bdk/was-wir-tun/aktuelles/stellungnahme-zum-kabinettsentwurf-des-cannabisgesetzes-der-bundesregierung
der Deutschen Polizeigewerkschaft https://www.dpolg.de/aktuelles/news/strafverfolgungsbehoerden-warnen-vor-cannabis-freigabe/
Gewerkschaft der Polizei https://www.gdp.de/gdp/gdpmp.nsf/id/de_gdp-mv--gesetzentwurf-zum-kontrollierten-umgang-mit-cannabis-stoppen
Richterbund https://www.drb.de/positionen/stellungnahmen/stellungnahme/news/18-2023
Sehr geehrter Herr M.,
die jetzige Planung zur Entkriminalisierung von Cannabis haben wenig mit den ursprünglich ohnehin schon umstrittenen Vereinbarungen des Koalitionsvertrages in Form einer Legalisierung und regulierten Eigenbedarfsabgabe zu tun.
Der mir nun nach Abschluss der Verhandlungen bekanntgewordene Gesetzentwurf ist auch durch die Aufnahme von Evaluierungsregelungen, die nichts an den grundlegenden Problemen ändern, weiterhin für mich nicht zustimmungsfähig.
Ich schließe mich den unterschiedlichen Akteuren, wie der Bundesinnenministerkonferenz, den Gewerkschaften, Fachverbänden und organisierten Berufsständen an, denn statt einer kontrollierten Abgabe von Cannabis in lizenzierten und staatlich regulierten Geschäften soll es nun zu einer Freigabe eines de facto unkontrollierten Eigenanbaus verbunden mit einer Reihe von Folgeproblemen kommen.
Die Polizei und Landesbehörden stehen vor kaum umsetzbaren, inkonsistenten Regelungen. Die erlaubten Eigenmengen werden nicht durch den Anbau in Vereinen zu decken sein, sollten die seitens der Cannabis-Lobby behaupteten Konsumentenzahlen zutreffen. Es wird somit keine Eindämmung des Schwarzmarktes und insbesondere der organisierten Kriminalität erreicht. Wahrscheinlich ist eher eine Stärkung erwartbar, da der Gesetzentwurf das legale Mitführen von bis zu 25 Gramm Cannabis vorsieht, sodass nur doch der kurze Moment der illegalen Weitergabe eine Straftat darstellt. Damit wird ein zentrales Vorhaben, die Zurückdrängung der organisierten Kriminalität, in diesem Gesetzentwurf nicht widergespiegelt.
Weiterhin birgt der Gesetzentwurf zahlreiche Probleme im Bereich des Jugendschutzes, da Kinder und Jugendliche bei öffentlich erlaubtem Konsum unweigerlich in Kontakt mit Cannabis kommen, auch wenn es Konsumverbotszonen gäbe.
Die Unschärfen würden voraussichtlich zeitintensive Abstimmungsverfahren mit den Ländern erfordern und auch die Umsetzung der Neuregelungen im Bereich Jugendschutz sowie Verkehr bedeuten eine umfassende Mehrbelastung für unsere Sicherheitsbehörden und die Justiz. Auch wenn es eine Entlastung durch den Stopp der Verfolgung von cannabisbezogenen Straftaten gäbe, steigt der Aufwand durch die Personal- und Sachkosten, welche aufgewendet werden müssen, um die Verfahrensregelungen in den Ländern zu etablieren und umzusetzen, stärker an.
Ein solcher Paradigmenwechsel in der Drogenpolitik sollte im größtmöglichen gesellschaftlichen Konsens, mit dem nötigen Vorlauf und unter Einbeziehung der Länder geschehen. Erste Erprobungen in Modellprojekten und Modellregionen wären denkbar gewesen.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Hartmann