Frage an Sebastian Hartmann von Ralf P. bezüglich Bundestag
Sehr geehrter Herr Hartmann,
als Dozent an der FH für Rechtspflege in NRW verweise ich im Fach Staatsrecht darauf, dass die BRD zurzeit das weltweit zweitgrößte Parlament hat. Selbstverständlich behandeln wir das Zustandekommen der vielen Überhang- und Ausgleichsmandate im Rahmen des Wahlrechts. Die Fragen meiner Studierenden, wann die notwendige Änderung dieser die Arbeit des Parlaments inzwischen einschränkenden Bedingungen und die notwendige Reduzierung der hohen Kosten für die Steuerzahler angegangen wird, kann ich nur noch mit einem Schulterzucken beantworten. Nach Vorschlägen aus verschiedenen Parteien scheint eine Einigung aus parteitaktischen Gründen, aus persönlichen Gründen einzelner Abgeordneter, etc. nicht in Sicht. Und in Zeiten von Corona kommt das Argument, dass andere Dinge wichtiger sind, anscheinend gerade recht. Ich befürchte jedoch, dass ein Hinauszögern der Problemlösung das Verständnis für die Parteien und damit die Demokratie schwächt.
Wie stehen Sie zu diesen Fragen?
Mit freundlichen Grüßen
R. P.
Sehr geehrter Herr Pannen,
um zu verhindern, dass der Deutsche Bundestag an die Grenzen seiner Arbeits- und Handlungsfähigkeit stößt, halte ich eine Reform des Wahlrechts für unabdingbar. Diese Reform muss darauf zielen, die bewährten Prinzipien des personalisierten Verhältniswahlrechts zu erhalten und zugleich die Zahl der Mitglieder des Bundestages wirksam zu begrenzen. Und sie sollte dafür sorgen, dass eine paritätische Besetzung des Bundestages mit Frauen und Männern erreicht werden kann.
Die SPD-Bundestagsfraktion hat lange versucht, einen gemeinsamen Vorschlag mit der Unionsfraktion auszuarbeiten. Das ist bisher an CDU/CSU gescheitert. Weil auch die Oppositionsvorschläge die oben genannten Ziele gewährleistet und die interfraktionelle Arbeitsgruppe zur Wahlrechtsreform und Verkleinerung des Bundestages unter Leitung von Bundestagspräsident Schäuble leider bisher ohne Erfolg geblieben ist, haben wir als SPD-Bundestagsfraktion nun einen neuen Kompromissvorschlag entwickelt: Mit einem zweistufigen Brückenmodell wollen wir auf praktikable Weise einer weiteren Vergrößerung des Bundestages entgegenwirken und den Weg für eine nachhaltige Wahlrechtsreform bereiten. Wir halten es in einem ersten Schritt für erforderlich, mit Wirkung zur Wahl 2021 eine Übergangsregelung mit einer absoluten Mandatsobergrenze zu beschließen, um einen weiteren Mandatsaufwuchs zu verhindern und dies mit der Einführung einer Paritätsregelung zu verbinden. In einem zweiten Schritt schlagen wir vor, eine Reformkommission aus Abgeordneten, Wissenschaftlerinnen und Wissenschaftlern einzusetzen, die sich mit gegenwärtig diskutierten Reformalternativen für das personalisierte Verhältniswahlrecht auseinandersetzt und Empfehlungen zur Modernisierung der Parlaments- und Wahlkreisarbeit erarbeitet.
Mit freundlichen Grüßen
Sebastian Hartmann