Woher nehmen Sie die Zeit, um neben Ihrem Bundestagsmandat noch in 5 Unternehmen als Geschäftsführer zu fungieren?
Nach meinem Verständnis sollte die Tätigkeit als Bundestagsabgeordneter ein Vollzeitjob sein. Wie weitere hochkarätige Geschäftsführungstätigkeiten in diesem Umfang "nebenbei" noch möglich sein sollen, erschließt sich mir nicht. Auch bei einer etwaigen "Delegation" an Stellvertreter liegt ein Interessenskonflikt mehr als nahe.
Sehr geehrte Frau H.,
herzlichen Dank für Ihre Frage hier auf abgeordnetenwatch.de zum Thema Nebentätigkeiten. Gerne nutze ich gerne die Gelegenheit Ihnen zu antworten.
Ich setze mich seit Anfang an sehr entschieden dafür ein, Abhängigkeiten aufzudecken und absolute Transparenz zu schaffen. Das ist wichtig für eine unabhängige Entscheidungsfindung im Deutschen Bundestag und für die Glaubwürdigkeit der politischen Entscheidungsträger. Leider wird Ungleiches oftmals ohne Differenziertheit gleichbehandelt (Einkommen und Bruttoumsatz). Zudem wird leider noch nicht in vollem Maße offengelegt, welche sonstigen Abhängigkeiten bestehen, die eine freie Mandatsausübung ebenfalls beeinflussen könnten. Hier sehe ich z.B. berufliche Rückkehrrechte von Abgeordneten in ihren ursprünglichen Beruf und eine damit verbundene Beschäftigungsgarantie nach der Abgeordnetentätigkeit. Dies kann bei einem großen Konzern sein, oder in einer sonstigen Organisation mit politischer Relevanz. Gerade Selbständige haben hier aus meiner Sicht - bei einer ordnungsgemäßen Berufsausübung, die für mich selbstverständlich ist - keinerlei Abhängigkeiten, was die freie Mandatsausübung sogar unterstützt. Eine vertiefende Kontrolle durch die Bundestagsverwaltung oder einer Compliance-Kommission und der damit verbundenen erweiterten Offenlegung spricht aus meiner Sicht nichts entgegen.
Als Mitglied des Finanzausschusses ist und war es mir von Anfang an wichtig, den Bezug zur Praxis nicht zu verlieren, damit ich diese allgemeinen Erfahrungswerte aus der Praxis in die Arbeit im Deutschen Bundestag mit einbringen kann. Das habe ich auch von Anfang an so kommuniziert. Das war aber auch immer Grundlage der Politik der Union. Der ebenfalls oftmals geäußerten Kritik, es wären nicht genug Fachleute im Parlament, wollte ich immer entschieden entgegentreten. Diese Fachkenntnisse kann meiner Überzeugung nach nur aufrechterhalten werden, wenn ein Abgeordneter während seiner Mandatsausübung sensibilisiert für die Praxis bleibt. Dies kann nicht dadurch erreicht werden, dass eine fachspezifische Nebentätigkeit zum Start der Mandatsausübung aufgegeben wird, sondern indem man ständig am Ball bleibt - das gilt gerade in der Steuergesetzgebung. Es sollte jedoch selbstverständlich sein, dass man aus der Abgeordnetentätigkeit keinerlei Vorteile für die selbständige Tätigkeit annimmt. Es muss aus meiner Sicht daher bei der Betrachtung darauf geachtet werden, was der Abgeordnete vor seiner Tätigkeit im Deutschen Bundestag gearbeitet hat und man sollte stark sensibilisiert sein, welche Tätigkeiten er während der Abgeordnetentätigkeit neu aufgenommen hat.
Es gilt allgemein das Verständnis, dass Bundestagsabgeordnete Experten auf ihrem Gebiet sein sollen. Viele der Abgeordneten können diese Expertise erst wahrnehmen, wenn sie sich mit entsprechend hohem Zeitaufwand in eine Thematik während ihrer Wahlperiode eingelesen und eingearbeitet haben. Die Systematik von Finanzen, speziell der Steuern, ist nicht ohne Grund eines der schwierigsten Gebiete, über die der Bundestag Entscheidungen treffen muss. Hier ist Spezialwissen aus meiner Sicht nicht einfach zu erwerben, ohne den beruflichen Hintergrund.
Mir ist es durch meine berufliche Tätigkeit vor dem Abgeordnetenmandat aber auch während des Mandates als Steuerberater möglich, diese Einarbeitung und Recherche von Themen zur Beurteilung von Fragen schnell vorzunehmen. Dadurch bin ich sofort in der Lage, anstehende Gesetzesvorhaben und auch innovative Neuerungen ohne Einarbeitungszeit zu beurteilen. Diese Zeitersparnis kann ich für eine wesentliche intensivere inhaltliche Auseinandersetzung mit meinen Kolleginnen und Kollegen im Bundestag nutzen. Es ergibt sich ein wesentlich zeiteffizienteres Arbeiten mit Fokus auf das Wesentliche. Dies ermöglicht es mir im Umkehrschluss ebenso wieder, meiner Nebentätigkeit Zeit einzuräumen, um aus der Praxis zu lernen. Seien Sie an dieser Stelle versichert, dass es seit über 30 Jahren meine besondere Leidenschaft ist, politisch intensiv zu arbeiten. Das unterstreicht meine langjährige Tätigkeit in führender Position in der Kommunalpolitik. Aber auch im Bundestag arbeite ich mit voller Leidenschaft und 100%tigem Einsatz. Mit über einhundertfünfzig gehaltenen Reden im Deutschen Bundestag bin ich derzeit auf einem vorderen Platz der meistgehaltenen Reden im Deutschen Bundestag. Zudem ich konnte zahlreiche Gesetzesvorhaben als verantwortlicher Berichterstatter bearbeiten und begleiten.
Viele der Mandate meiner Kanzlei, die in die Summe der offen gelegten Bruttoumsätze einfließen, werden im Namen meiner Kanzlei von meinen Mitarbeiterinnen und Mitarbeitern (inklusive angestellter Berufsträger) eigenverantwortlich und selbständig erwirtschaftet. Weil sie gerade in meinem Namen erzielt werden, müssen Sie auch von mir angegeben werden. Diese wertvolle Arbeit meiner Mitarbeiterinnen und Mitarbeiter hält mir den Rücken frei für meine politische Leidenschaft. Da die Ausübung meines Mandats, ebenso wie die Tätigkeit als Steuerberater besondere Erfüllung bringt, messe ich nicht die Zeit, um meiner Arbeit gewissenhaft nachzukommen. Es ist für mich eine Selbstverständlichkeit meiner Aufgabe im Deutschen Bundestag mit vollem Einsatz gerecht zu werden.
Abschließend möchte ich erwähnen, dass es keinerlei Überschneidung meiner Arbeit im Deutschen Bundestag mit den Interessen der von mir vertretenen Mandanten gibt. Das Gegenteil ist der Fall. Meine Kanzlei vertritt in der dritten Generation mittelständische Firmen aus meiner Heimatregion Nürnberg. Die allgemeinen Erfahrungen aus der Praxis sind unverzichtbar und wertvoll für die Sacharbeit im zuständigen Ausschuss und im Parlament. Das ist einer sachgerechten Besteuerung in Deutschland dienlich.
Ich hoffe, dass meine Ausführungen zur Aufklärung beitragen können und stehe für alle Rückfragen gerne zur Verfügung.
Herzliche Grüße
Sebastian Brehm, MdB