Wie stehen Sie zum Selbstbestimmungsrecht von Frauen und der Abschaffung von §218 in diese Legislaturperiode?
![Sandra Weeser Portrait von Sandra Weeser](/sites/default/files/styles/politician_teaser_xsmall/public/politicians-profile-pictures/m-_hof2077.psd_hoffotografen_copyrighthinweis.jpg?itok=KXm8e-QN)
Sehr geehrte Frau B.,
vielen Dank für Ihre Nachricht und Ihr Interesse an diesem wichtigen Thema.
Die Selbstbestimmung, und besonders die Selbstbestimmtheit von Frauen, sind uns Freien Demokraten und mir persönlich ein zentrales Anliegen. Selbstbestimmung und Eigenverantwortung gehören zu den Grundpfeilern unseres liberalen Wertebildes. Jede Frau muss die Möglichkeit haben, über ihren eigenen Körper zu entscheiden und in dieser Entscheidung nicht durch gesetzliche Hürden eingeschränkt zu werden.
Der § 218 StGB regelt aktuell den Schwangerschaftsabbruch in Deutschland und stellt diese grundsätzlich unter Strafe, es sei denn, es liegen bestimmte Voraussetzungen wie eine ärztliche Beratung oder eine medizinische Indikation vor. Diese Regelung ist das Ergebnis einer intensiven und langjährigen gesellschaftlichen Diskussion und stellt eine sorgfältige Abwägung zwischen dem verfassungsrechtlichen Schutz des ungeborenen Lebens und den Grundrechten der Schwangeren dar.
Als Ampel-Koalition haben wir bereits viele Initiativen zur Modernisierung unseres Landes auf den Weg gebracht, die auch die gesellschaftlichen und rechtlichen Rahmenbedingungen an die heutige Zeit anpassen. Ein bedeutender Schritt in diese Richtung war die ersatzlose Streichung des § 219a StGB, des sogenannten Werbeverbots für Schwangerschaftsabbrüche. Dieser Paragraph stigmatisierte Frauen, die selbstbestimmt eine Schwangerschaft beenden wollten, und verhinderte, dass Ärztinnen und Ärzte in Notlagen umfassend informieren konnten. Die Streichung war daher ein richtiger und notwendiger Schritt. Außerdem ist es uns gelungen, sogenannten Gehsteigbelästigungen schwangerer Frauen vor Schwangerschaftsberatungsstellen und Einrichtungen, die Schwangerschaftsabbrüche vornehmen, einen Riegel vorzuschieben. Weitere gesundheitspolitische Maßnahmen, beispielsweise eine bessere Verankerung der Thematik in der medizinischen Ausbildung, Nutzung des Potentials medikamentöser Abbrüche oder eine bessere Einbindung von Krankenhäusern in öffentlicher Trägerschaft sollten dringend folgen.
Im Koalitionsvertrag haben wir die Einrichtung einer Kommission zur reproduktiven Selbstbestimmung und Fortpflanzungsmedizin vereinbart, die prüfen soll, inwieweit weitere gesetzgeberische Maßnahmen notwendig sind. Es ist unser Ziel, die Rechte und die Selbstbestimmung von Frauen weiter zu stärken, dabei jedoch auch den Schutz des ungeborenen Lebens zu berücksichtigen. Gerade vor dem Hintergrund von zwei bestehenden Urteilen des Bundesverfassungsgerichts gibt es nur einen kleinen Gestaltungsspielraum und es könnte wieder eine kontroverse und spaltende gesellschaftliche Debatte ausgelöst werden, ohne die Situation ungewollt Schwangerer tatsächlich zu verbessern.
Die derzeitigen Bestrebungen den §218 StGB kurz vor Ende der Wahlperiode zu streichen, kommen aus meiner Sicht zu einem denkbar ungünstigen Zeitpunkt. Solch komplexe ethische und rechtliche Fragen sollten mit der gebotenen Sorgfalt und in einem geordneten Verfahren behandelt werden. Statt eine sachliche Debatte zu führen, wird das Thema derzeit leider zu einem Wahlkampfthema gemacht. Medizinethische Fragestellungen werden im Deutschen Bundestag seit jeher üblicherweise fraktionsübergreifend in Gruppenantragsverfahren behandelt. Jeder und jede Abgeordnete soll bei solch gewichtigen Fragen ausschließlich seinem oder ihrem eigenen Gewissen verpflichtet sein. Daher sollten wir alle Perspektiven noch einmal sorgfältig abwägen. Ich plädiere darauf, dieses wichtige Thema in der nächsten Legislaturperiode noch einmal aufzugreifen und dann mit der nötigen Sorgfalt zu diskutieren und zu entscheiden.
Wir Freien Demokraten stehen fest hinter der Idee, ungewollt Schwangeren bestmöglich zu helfen und setzen uns für eine stärkere Förderung der Selbstbestimmung von Frauen ein. Ein zentraler Hebel dabei ist der Ausbau und die Verbesserung der aktuell unzureichenden Versorgungslage. Wir Freien Demokraten wollen uns in der nächsten Legislaturperiode dafür einsetzen, allen Frauen eine kostenfreie Möglichkeit für einen Schwangerschaftsabbruch zu ermöglichen.
Nochmals vielen Dank für Ihre Frage zu diesem wichtigen Thema. Ich hoffe, dass ich Ihnen meine Sichtweise verständlich darstellen konnte.
Persönlich alles Gute für Sie.
Mit freundlichen Grüßen
Sandra Weeser