Wie stehen Sie zu einer Prüfung des AfD Parteiverbots?
Sehr geehrte Frau Bubendorfer-Licht,
ich habe am Samstag in Mühldorf an der Mahnwache gegen die AfD Veranstaltung im Mühldorfer Stadtsaal teilgenommen und mir im Anschluss die Reden der AfD angehört. Es ist erschreckend, wie offen der Remigrationsplan dort propagiert wird. Die Veranstaltung konnte lt. Bürgermeister nicht verhindert werden, da es sich um eine legitime Partei handelt.
Vor diesem Hintergrund frage ich mich, warum Ihre Partei sich gegen die Prüfung eines Verbotsverfahrens stellt? Solche Veranstaltungen können nur verhindert werden, wenn die AfD verboten wird.
Ein "inhaltlich stellen", wegdiskutieren etc. war bisher nicht erfolgreich und wird es nicht sein. Die Inszenierung als "Opfer" kann nicht noch mehr erfolgen, als es eh schon ausgenutzt wird. Wir sollten nicht über die Legitimation der AfD diskutieren, sondern die Prüfung unserem wichtigsten und demokratischsten Organ überlassen und somit die Demokratie stärken.
Mit freundlichen Grüßen
Irmgard K.
Sehr geehrte Frau K.,
haben Sie vielen Dank für Ihre Nachricht.
Ich teile Ihre Sorge um die AfD und ihr immer extremeres Auftreten auch insbesondere bei uns in Mühldorf. Mich treibt das Thema sehr um und ich hätte mir lange nicht vorstellen können, dass eine Partei, die nach Einschätzung des Bundesamts für Verfassungsschutz als rechtsextremistischer Verdachtsfall eingestuft wird, Landtagswahlen in Deutschland gewinnt.
Nun müssen wir Demokraten uns die Frage stellen, wie wir mit diesem Umstand und dem zunehmenden Einfluss der AfD umzugehen haben. Mit Blick auf das Parteiverbotsverfahren muss ich allerdings sagen, dass viele meiner Kollegen aus der FDP-Bundestagsfraktion und auch ich selbst dieser Maßnahme sehr skeptisch gegenüberstehen. In unserer Verfassungsordnung sind sehr hohe Hürden an ein Parteiverbot gestellt. Die Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind anspruchsvoll und stellen "die schärfste und überdies zweischneidige Waffe des demokratischen Rechtsstaats gegen seine organisierten Feinde dar. Es soll den Risiken begegnen, die von der Existenz einer Partei mit verfassungsrechtlicher Grundtendenz und ihren typischen verbandsmäßigen Wirkungsmöglichkeiten ausgehen“ (Bundesverfassungsgericht, Urteil des Zweiten Senats vom 17. Januar 2017 - 2 BvB 1/13 -, Rn. 1-1010).
Somit muss der zu verbietenden Partei also eine verfassungswidrige Zielsetzung nachgewiesen werden, die der Partei zuzurechnen sein muss. Hierbei kommen als Ziele die Beeinträchtigung oder Beseitigung der freiheitlichen demokratischen Grundordnung sowie die Gefährdung des Bestandes der Bundesrepublik Deutschland in Betracht. Hier dürfen wir es uns am Beispiel der AfD nicht zu leicht machen. Es gibt Menschen in der AfD, die sicherlich nicht am demokratischen Miteinander und dem kollegialen Parteienwettbewerb interessiert sind. Ob man aber nachweisen kann, dass die Partei in ihrer Gesamtheit die freiheitlich-demokratische Grundordnung selbst beseitigen oder beeinträchtigen möchte, steht auf einem anderen Blatt. Zudem würde ein solches Verfahren Jahre dauern und der Ausgang ist zum aktuellen Zeitpunkt ungewiss. Außerdem können nur die Beweise zum Zeitpunkt des Antrags gewürdigt werden. In der Zeit, in der das Verbotsverfahren läuft, bestünde dann faktisch keine Möglichkeit, auf noch verschärftere Positionen der Partei mit Blick auf ein mögliches Parteiverbot zu reagieren.
Was wir auch bedenken müssen, ist der Punkt, welchen Schaden ein gescheiteres Verbotsverfahren auf der anderen Seite anrichten würde. Es würde der AfD argumentativ eine Legitimität ihrer Positionen einräumen und sie könnten sich als verfassungstreue Partei verkaufen. Auf der Gegenseite könnte sie ihre Opfererzählung der Hexenjagd durch die "Altparteien" weiter ausbauen. Außerdem würde die Schwelle für einen erneuten Anlauf zu einem Zeitpunkt, an dem die Partei möglicherweise noch extremer nach außen tritt, noch stärker erhöht.
Unter Abwägung dieser Aspekte komme ich zu dem Ergebnis, dass ein Parteiverbotsverfahren zu diesem Zeitpunkt nicht ratsam ist. Vielmehr sollten wir unseren Fokus darauf richten, die Institutionen der liberalen Demokratie wie beispielsweise das Bundesverfassungsgericht zu stärken. Hier haben wir in Kooperation zwischen der Ampelkoalition und der CDU/CSU-Fraktion in der letzten Sitzungswoche einen wichtigen Vorstoß zur Absicherung unseres höchsten Gerichtes angestoßen.
Außerdem müssen wir uns weiter dem größten Auftrag, der sich über alle Parteigrenzen der politischen Mitte erstreckt, annehmen und wieder mehr Vertrauen in der Breite der Bevölkerung auch in Ostdeutschland gewinnen. Und dies geht am besten durch eine gute Politik, die positiv für die Zukunft unseres Landes arbeitet.
Ich hoffe, ich konnte Ihnen einen Einblick in unseren und meinen Abwägungsprozess geben und danke Ihnen nochmals ganz herzlich für Ihre Nachricht.
Mit freundlichen Grüßen
Sandra Bubendorfer-Licht