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Sabine Bätzing-Lichtenthäler
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Frage von Wolfgang S. •

Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Wolfgang S. bezüglich Recht

Sehr geehrter Frau Bätzing,

im BtmG kommt in §29 der Begriff der "geringen Menge" eines Betäubungsmittels vor. In §29a ist die Rede von "nicht geringer Menge". Nach meinem Sprachverständnis wäre eine Menge, die nicht eine geringe Menge ist, eine nicht geringe Menge. Jedoch werden die Begriffe in der Praxis anders gedeutet. So ist z.B. nach meinen Recherchen eine geringe Menge Cannabis je nach Bundesland eine Menge bis 6 oder 15 Gramm. Eine nicht geringe Menge liegt bei einem THC-Gehalt von mehr als 7,5 Gramm vor.
Meine Frage: Wäre hier nicht dringend geboten, die Gesetzesformulierung an den allgemeinen Sprachgebrauch, betreffend die Bedeutung des Wortes "nicht", anzupassen? Warum wird nicht z.B. die Formulierung "große Menge" statt "nicht geringer Menge" verwendet, wenn doch nicht die Verneinung der geringen Menge gemeint ist?
Außerdem würde mich noch interessieren, wann denn die geringe Menge endlich bundesweit einheitlich festgelegt wird?

Mit freundlichen Grüßen

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Schwarz,

unter "geringer Menge" ist eine kleine Verbrauchsmenge zu verstehen, welche für den Gelegenheitsverbrauch benötigt wird und regelmäßig in der Tasche mitgeführt wird, ohne zu Hause einen Drogenvorrat anlegen zu müssen. Die Grenze der geringen Menge wurde in einer Reihe von Gerichtsurteilen so bestimmt: Der Augenblicks- oder Tagesbedarf eines nicht abhängigen Konsumenten bis zu drei Konsumeinheiten, wobei eine Konsumeinheit diejenige Menge an Betäubungsmitteln darstellt, die für die Erzielung eines Rauschzustandes erforderlich, aber auch ausreichend ist. Bei der Strafzumessung spielt nicht nur das Gewicht, sondern auch der Wirkstoffgehalt eine wesentliche Rolle. Wurde der Wirkstofgehalt nicht ermittelt, so haben die meisten Oberlandesgerichte eine Gewichtsmenge von bis zu 6g bei Cannabis, 100mg bei Kokain, 0,03g bei Heroinhydrochlorid, 0,15g bei Amphetamin-Base und 3 Tabletten bei Ecstasy als Obergrenze für die geringe Menge festgestellt.

Bei der "nicht geringen Menge" stellt der Bundesgerichtshof in erster Linie auf den Wirkstoffgehalt ab. Die nicht geringe Menge stellt danach das Vielfache einer zum Erreichen eines Rauschzustandes erforderliche Wirkstoffmenge dar, wobei eine übliche Konsumeinheit mit einer an der Gefährlichkeit des Produkts orientierten Maßzahl multipliziert wird. Dabei gelten folgende Grenzwerte, ab denen eine nicht geringe Menge vorliegt: 7,5g bei Cannabis, 4,5g Base - 5g Hydrochlorid (HCl) bei Kokain und Crack, 1,3g Base - 1,5g HCl bei Heroin, 10g Base bei Amphetamin und 30g Base bei Ecstasy. Damit ist der Begriff "nicht geringe Menge" durch die Rechtsprechungspraxis durchaus klar von der "geringen" Menge abgegrenzt - eine Veränderung des Gesetzestextes brächte somit keinen Vorteil und ist daher nicht erforderlich. Auch der Begriff "geringe Menge" ist durch die oben genannte Rechtsprechungspraxis eigentlich ziemlich klar umrissen. Die Einstellungspraxis bei den Staatsanwaltschaften ist aber, wie Sie richtig bemerken, in den einzelnen Bundesländern unterschiedlich; das Bundesverfassungsgericht hat daher in seiner "Cannabisentscheidung" auch besonders für die "geringe Menge" eine Vereinheitlichung gefordert, um zu einer gleichmäßigeren Rechtsanwendung zu kommen. Eine Verletzung der Pflicht zur einheitlichen Rechtsanwendung hat das Bundesverfassungsgericht aber regelmäßig verneint und darauf hingewiesen, dass Unterschiede in den Lebensverhältnissen der einzelnen Länder nicht außer Betracht gelassen werden dürfen (BVerfGE 76, I, 77f.).

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bätzing

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