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Sabine Bätzing-Lichtenthäler
SPD
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Frage von Sandro S. •

Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Sandro S. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Bätzing,

Ich habe mit bedauern feststellen müssen, dass Fragen die ihre Verbote bezüglich Rauschmittel kritisieren, nicht beantwortet werden. Nun stellt sich mir die Frage, warum sie eine solche Drogenpolitik der Verbote befürworten, aber keine Studien oder Untersuchungen liefern, die zeigen dass diese Verbote einer sinnvollen Prävention und der kontrollierten Abgabe von Rauschmitteln, vorzuziehen sind? Am Beispiel Holland wird doch deutlich sichtbar das ein Verbot der Falsche weg ist, denn dort gibt es, wie Allgemein bekannt ist, prozentual gesehen, auch nicht mehr Cannabis Konsumenten als in Deutschland.
Ich würde mich sehr über eine Antwort freuen!

Mit freundlichen Grüßen
Sandro Schneider

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Schneider,

zu der Legalisierung von Cannabis habe ich mich in diesem Forum schon mehrfach geäußert. Gern wiederhole ich meine Position:

Die Legalisierung von Cannabis ist meinerseits und seitens der Bundesregierung nicht geplant. Die Bundesregierung hält an der grundsätzlichen Strafbarkeit des Besitzes, des Anbaus und des Inverkehrbringens von Cannabis fest (§ 29 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz), weil sie Cannabis nicht als harmlose Droge ansieht. Keine der neueren Studien hat Cannabis eine „Unbedenklichkeitsbescheinigung" ausgestellt. Vielmehr wird zunehmend auf eine Reihe akuter und langfristiger Beeinträchtigungen durch nichtmedizinischen Cannabiskonsum hingewiesen, die zwar normalerweise gering, bei chronischem Dauerkonsum aber mit größeren Risiken, bis zur psychischen Abhängigkeit, verbunden sind. Die Untersuchungen weisen auf die „vielen Unbekannten" hin und empfehlen weitere wissenschaftliche Untersuchungen im Hinblick auf den Wirkmechanismus der Inhaltsstoffe von Cannabis.

Bei den ambulanten Drogenberatungsstellen nimmt der Anteil von Klienten zu, die wegen eines Cannabisproblems in die Behandlung kommen. Nach einem Bericht der Deutschen Referenzstelle für die Europäische Beobachtungsstelle für Drogen und Drogensucht waren 2007 bei 32,5% primär Cannabisprobleme der wegen Drogenproblemen ambulant Behandelten Anlass der Betreuung. Bei Personen, die erstmalig in suchtspezifischer Behandlung sind, steht Cannabis mit 51,2 % der Klienten als illegale Substanz deutlich an erster Stelle.

Die Bundesregierung sieht derzeit keine Veranlassung, ein Freigabesignal für eine berauschende Substanz zu geben. Sie wird darin von der internationalen Gemeinschaft, der Weltgesundheitsorganisation und dem hierfür zuständigen Internationalen Suchtstoffamt (INCB) bestärkt, die an dem obligatorischen Cannabisverbot der Suchtstoffübereinkommen der Vereinten Nationen, das die Bundesrepublik Deutschland (ebenso wie 166 weitere Staaten) ratifiziert hat, festhalten wollen. Nach Artikel 4 Buchstabe c des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 sind die Mitgliedstaaten verpflichtet, die Verwendung von Suchtstoffen, einschließlich Cannabis, auf ausschließlich medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu beschränken. Daneben verlangt Artikel 3 Abs. 2 des VN-Suchtstoffübereinkommens von 1988 von allen Vertragsparteien, „vorbehaltlich ihrer Verfassungsgrundsätze und der Grundzüge ihrer Rechtsordnung ... den Besitz, den Kauf oder den Anbau von Suchtstoffen oder psychotropen Stoffen für den persönlichen Verbrauch ... als Straftat zu umschreiben". Deshalb ist auch in Deutschland der Verkehr mit Cannabis zu anderen als medizinischen oder wissenschaftlichen Zwecken nach dem Betäubungsmittelgesetz (BtMG) verboten und strafbar.

Deutschland ist zur Umsetzung und Einhaltung der Internationalen Suchtstoffübereinkommen verpflichtet. Das Gleiche gilt übrigens in den Niederlanden, wo der Cannabiserwerb für den Eigenkonsum ebenfalls gesetzlich nicht erlaubt ist, sondern lediglich in sehr engen Grenzen geduldet wird. Bei den sog. Coffeeshops handelt es sich nicht um staatlich lizensierte Stellen, sondern um private Gaststättenbetriebe ohne Alkoholausschank, in denen der Verkauf der Cannabisprodukte Haschisch und Marihuana, der grundsätzlich auch in den Niederlanden strafbar ist, nicht verfolgt wird, sofern es um geringe Mengen (5 Gramm pro Person) geht und weitere Auflagen erfüllt werden.

Die Strafbarkeit des Besitzes von Cannabis bedeutet keineswegs, dass in Deutschland alle Cannabiskonsumenten bestraft werden. Unter bestimmten Voraussetzungen (u.a. Eigenverbrauch in geringer Menge) kann von der Strafverfolgung bzw. von der Bestrafung abgesehen werden (§§ 29 Abs. 5, 31a BtMG).

Bei der gesetzlichen Regelung des Umgangs mit Cannabis geht es letztlich darum, einen verfassungskonformen Ausgleich zwischen dem notwendigen Gesundheitsschutz für den Einzelnen und die Allgemeinheit einerseits und den Einschränkungen der persönlichen Handlungsfreiheit infolge des strafbewehrten Cannabisverbots andererseits zu finden. Dies hat das Bundesverfassungsgericht in seiner bekannten „Haschisch-Entscheidung" vom 9. März 1994 ausdrücklich anerkannt und u.a. aus diesem Grund die Rechtmäßigkeit der Cannabisverbote festgestellt. Mit seinen Beschlüssen vom 29.06.2004 (Az: BVerfG, 2 BvL 8/02) und 30.06.2005 (Az: BVerfG, 2 BvR 1772/02) hat das Bundesverfassungsgericht seine früheren Beschlüsse zur Strafbarkeit bestätigt und damit die Position der Bundesregierung ausdrücklich bekräftigt. Nach dem einstimmigen Gerichtsbeschluss liegen derzeit keine neuen Erkenntnisse vor, die die frühere Einschätzung zur Gefährlichkeit von Cannabis-Produkten erschüttern würde.

Als Reaktion auf die Entscheidung des Bundesverfassungsgerichtes im Jahr 1994 regte die Bundesregierung seinerzeit bei den Landesjustizministerien die Festlegung von einheitlichen Kriterien für die Einstellungspraxis nach § 31a BtMG - insbesondere die Bestimmung der „geringen Menge" für den Eigenkonsum von Cannabis im Sinne dieser Vorschrift - an. Es kam dann allerdings nicht zu einer ländereinheitlichen Festlegung, vielmehr haben die Justizverwaltungen der Länder nach und nach in Einzelerlassen bzw. Richtlinien unterschiedliche Kriterien und Mengen für die Anwendung des § 31a BtMG festgelegt. Zunächst ergab eine rechtstatsächliche Untersuchung im Jahr 1997, dass beim Umgang mit beispielsweise Haschisch und Marihuana, hinsichtlich der Mengen, bei denen die Vorschrift des § 31a BtMG regelmäßig zur Anwendung kommt, bundesweit ein hohes Maß an Übereinstimmung in der strafrechtlichen Praxis vorliege. So konnte im Wesentlichen von einer einheitlichen Rechtsprechung, wie sie das Bundesverfassungsgericht gefordert hatte, ausgegangen werden.

2002 wurde vom damaligen Bundesministerium für Gesundheit und Soziale Sicherung beim „Max-Planck-Institut für ausländisches und internationales Strafrecht“ (MPI) in Freiburg erneut eine rechtsvergleichende Studie zum Thema „Drogenkonsum und Strafverfolgungspraxis“ in Auftrag gegeben, die 2006 veröffentlicht wurde. Durch die Studie wurde die gegenwärtige Rechtspraxis der Staatsanwaltschaften bei der Anwendung des § 31a BtMG – die Möglichkeit des Absehens von der Strafverfolgung – im Kontext anderer Einstellungsvorschriften evaluiert. Im Ergebnis stellt das MPI fest, dass § 31a BtMG in den Bundesländern eine unterschiedliche Anwendung erfahre. Die Studie des MPI löste in den Bundesländern einen Angleichungsprozess aus. Danach gehen die Justizministerinnen und -minister der Länder nun von einer im Wesentlichen einheitlichen Rechtsanwendung aus.

Häufig wird gefordert, Cannabis zur Heilbehandlung zuzulassen. Die Bundesregierung befürwortet alle Anstrengungen, die dazu führen, dass wirksame Arzneimittel auf der Basis von Cannabis in den Verkehr gebracht werden können. Wie bei allen Arzneimitteln kann dies jedoch im Interesse der Patienten nur auf der Grundlage des Arzneimittelgesetzes und des BtMG erfolgen. Danach müssen insbesondere reproduzierbare Qualität, Wirksamkeit und Unbedenklichkeit des Arzneimittels wissenschaftlich nachgewiesen werden. Nur wenn diese Voraussetzungen erfüllt sind, können die entsprechenden Wirkstoffe verschreibungsfähig gemacht und in die Anlage III des BtMG (verkehrsfähige und verschreibungsfähige Betäubungsmittel) aufgenommen werden. Dies ist bislang aufgrund klinischer Prüfungen nur für die Cannabis-Wirkstoffe Nabilon und Dronabinol erfolgt. Dagegen sind diese Voraussetzungen bei natürlichen Gemischen (z. B. Cannabisextrakt) derzeit noch nicht erfüllt: Bei Haschisch, Marihuana und anderen illegalen Hanfzubereitungen sind derzeit weder der Wirkstoffgehalt noch Art und Umfang schädlicher Beimengungen bekannt. Die Aufnahme dieser Zubereitungen in die Anlage III des BtMG ist deshalb angesichts fehlender wissenschaftlicher Erkenntnisse derzeit nicht zu verantworten.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bätzing

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