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Sabine Bätzing-Lichtenthäler
SPD
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Frage von Gerald W. •

Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Gerald W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Warum haben Kinder und Jugendliche bei uns noch kein eigenes Wahlrecht? Strafmündig sind sie ab 14ten Lebensjahr!

Warum lässt man nicht die Eltern für ihre Kinder abstimmen?

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Wetzel,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Tatsächlich gibt es eine Gesetzesinitiative der ehemaligen Familienministerin Renate Schmidt und anderer, ein Wahlrecht von Geburt an einzuführen. Ich sperre mich dem grundsätzlich nicht, sondern finde es einen bedenkenswerten Ansatz. Ich habe allerdings einige Fragen dazu, die mir bislang nicht beantwortet worden sind.
Die fängt mit der Frage des Beginns des Wahlrechtes an. Soll es mit der Geburt beginnen oder später? Müssen wir diese Frage nicht in unser bestehendes System einpassen. Ein Kind kann, wie Sie selber schreiben erst mit 14 bestraft werden. Kann es dann mit 7 Jahren schon wählen, mit 5, mit 3? Andererseits ein Jugendlicher ist mit 16 längst religionsmündig. Können dann die Eltern noch für das Kind entscheiden? Darf ein Kind schon wählen, aber noch nicht selbständig einkaufen gehen?

Dies sind aber sicherlich Fragen, die man klären kann und auch im bestehenden Recht mag es Wertungswidersprüche zwischen den verschiedenen Formen von Mündigkeit geben. Diese ersten Einwendungen sind für mich also nicht grundsätzlicher Natur.

Ein grundsätzliches Argument ist aber schon die Frage, was ein Mensch haben muss, um selber ein Stimmrecht auszuüben. Das Argument der Befürworter des Wahlrechtes von Geburt an ist an dieser Stelle, dass auch Erwachsene nicht immer zu einer (intelligenten) Entscheidung fähig wären und dennoch abstimmen könnten.

Ich sehe aber schon einen grundsätzlichen Unterschied zwischen jemandem, der die Fähigkeit, eine Entscheidung zu treffen, hat, sie aber nicht nutzt und jemandem, der eine Entscheidung nur aufgrund einer Vorgabe treffen kann.

Wenn ein Kind selber wählt, ab wann kann ich sicher sein, dass es das nicht nur tut, um jemandem zu gefallen. Wenn die Oma gesagt hat: Wähle SPD, tut das Kind das vielleicht nur, weil es der Oma gefallen will. Zwar mag auch ein Erwachsener die LINKEN wählen, obwohl deren Versprechungen nicht realisierbar sind. Das aber ist seine eigene Entscheidung zwischen den Angeboten der Parteien, die diese Person aus eigener Bewertung ihrer Gründe gezogen hat. Das ist ein Unterschied, denn die Gründe mögen falsch sein, der Prozess der Abwägung zwischen verschiedenen Parteien ist derjenige, der eine Wahlentscheidung ausmacht.

Weitgehend ungeklärt ist auch, wie Eltern ein Stimmrecht für ein Kind ausüben sollen, wenn sie es denn haben. Gibt es Streit zwischen Eltern, was geschieht dann? Muss das Familiengericht entscheiden? Das ist ja eigentlich der Regelfall, wenn Eltern sich nicht über Entscheidungen betreffend das Kind einigen können? Das wäre wohl nicht im Sinne des Erfinders. Bekommt nur ein Elternteil das Recht? Das wäre wohl eine Diskriminierung, wenn nur immer Mütter oder nur immer Väter dieses Recht bekämen. Werden die Stimmen gesplittet? Bekommen die Eltern immer abwechselnd das Stimmrecht? Was passiert, wenn ein Elternteil eines deutschen Kindes oder gar beide Ausländer sind? Bekommt dann immer der deutsche Teil das Stimmrecht? Dürfen anders Ausländer, die sonst kein Stimmrecht haben, mitstimmen? Auch der Vorschlag eines gesplitteten Stimmrechtes (Hälfte Mutter, Hälfte Vater) ist nicht ohne Probleme. Wie sieht es mit Alleinerziehenden aus, sind diese nicht gegenüber Familien bevorzugt, weil sie eine Stimme haben, die Eltern nur jeweils eine halbe? Ist das Wahlgeheimnis in kleinen Stimmbezirken noch gewährleistet, wenn es dort nur zwei halbe Stimmen gibt?

Sie sehen, es gibt einfach zu viele offene Fragen, ohne deren Beantwortung ich nicht bereit bin, an einem Wahlrecht für Kinder mitzuwirken. Wir können aber gerne zunächst über eine Senkung des Wahlalters sprechen.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Bätzing, MdB

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