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Sabine Bätzing-Lichtenthäler
SPD
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Frage von Mirko H. •

Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Mirko H. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen

Sehr geehrte Frau Bätzing,

in Ihrer heutigen
Antwort auf die Frage von Herrn Capallo bezüglich einer nicht lesbaren Fassung des Lissabon-Vertrages zum Zeitpunkt der Beschlussfassung durch den Bundestag schreiben Sie fortgesetzt von "Änderungen zu dem bestehenden Vertrag". Meinen Sie mit "bestehenden Vertrag" etwa den seinerzeit geplanten, jedoch gescheiterten EU-Verfassungsvertrag, welcher in der Bundesrepublik Deutschland (durch fehlende Gesetzesausfertigung seitens des Bundespräsidenten) niemals ratifiziert wurde? Wenn ja, in welcher Weise soll dieser rechtsunwirksame Verfassungsvertrag denn "bestehen"?

Meine zweite Frage bezieht sich auf Ihr erschreckend offenes Geständnis: "Es ist leider überhaupt nicht möglich, alles zu lesen, worüber wir abstimmen. Dann würden wir nämlich nicht mehr zu der Arbeit in unserem Aufgabenbereich kommen und könnten dort nicht sorgfältig arbeiten." Danke für Ihre erfrischende Ehrlichkeit!

Meinen Sie nicht, dass die Beschlussfassung von Gesetzesvorhaben den Kern Ihrer Aufgaben als Abgeordnete des Deutschen Bundestages bildet? Meinen Sie nicht, diesem Auftrag haben sich alle anderen Aufgabenbereiche insoweit unterzuordnen, dass Sie zumindest die Zeit haben, alle Gesetze zu lesen, bevor Sie Ihre verantwortliche Stimme dafür oder dagegen abgeben? Warum sollte man Sie direkt wiederwählen, wenn Sie doch im Wesentlichen nur vollziehen, was Ihre Fraktion Ihnen als Beschlussempfehlung informell zuleitet?

Ich schreibe diese Fragen mit einer zutiefst sachlichen Intention und freue mich schon auf Ihre Antworten!

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Heinke,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Mit dem bestehenden Vertrag ist nicht der gescheiterte EU-Verfassungsvertrag, sondern es sind der Vertrag über die Europäische Union (auch Maastricht-Vertrag, 07.02.1992) und der Vertrag zur Gründung der Europäischen Gemeinschaft (EG-Vertrag, 25.03.1975) gemeint, die seit langer Zeit in der Bundesrepublik gelten.

Zu Ihrer zweiten Frage: Es ist nicht nur deshalb unmöglich, alles zu lesen, weil ich meine Zeit anderweitig investiere, wobei ich denke, dass die Bürger meines Wahlkreises jederzeit Anspruch auf meine Hilfe und Unterstützung haben und auch meine Aufgabe in meinem Fachbereich eine wichtige ist. Beides würde ich nicht geringer als die Gesetzgebungstätigkeit einordnen wollen, auch wenn diese die originäre Tätigkeit der Abgeordneten ist. Aber selbst, wenn ich jede Minute meines Lebens an jedem Tag meines Lebens einsetzen würde, würde ich nicht alle Gesetzgebungsvorhaben lesen können, die über meinen Tisch gehen.

Dies ist allein von der Menge her unmöglich. In einer durchschnittlichen Woche gehen vielleicht 4.000 Seiten an Drucksachen über meinen Tisch und das als schwer zu lesende juristische Lektüre, es bleibt gar nichts anders übrig, als dass sich Spezialisierungen herausbilden. Selbst wenn man alles lesen könnte, würde einem die Zeit fehlen, sich zusätzlich ausreichend in die Thematik einzuarbeiten, was aber zum Verständnis ebenfalls notwendig wäre. Die Fraktion bestimmt daher Berichterstatter, die die Fraktion über die anstehenden Gesetzgebungsvorhaben, Gutes daran, aber auch mögliche Kritikpunkte informieren.

Darüber hinaus erhält man über die Briefe der Bürgerinnen und Bürger und der Interessenvertretungen durchaus einen Einblick in mögliche Probleme. Daher ist es wichtig, dass Bürger politisch aktiv sind und ich sie mir auch anhöre. So kann ich mich dann gezielt bei den Fachleuten der Fraktion, den Abgeordneten, aber auch den Referenten informieren und mir meine Meinung bilden.

Das kann im Einzelnen auch bedeuten, bestimmte Teile eines Gesetzentwurfes nachzuvollziehen, was aber immer noch zeitsparender ist, als alles zu lesen.

Ich kann gut nachvollziehen, dass dieses Verfahren die Bürger überrascht, möchte aber gerade deswegen auch dazu beitragen, dass über die Abläufe im Parlament Bekanntheit herrscht. Durchsichtigkeit des Verfahrens halte ich für eine Demokratie für genauso wichtig, wie Durchsichtigkeit der inhaltlichen Entscheidung.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Bätzing, MdB

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