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Sabine Bätzing-Lichtenthäler
SPD
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Frage von Markus K. •

Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Markus K. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Frau Bätzing,

Die Internetpräsenz des Deutschen Hanfverbands hat einen Artikel über den Drogen- und Suchtbericht 2008 veröffentlicht und dabei wurde die Objektivität der Präsentation in Frage gestellt.
Eine konkrete Stellungsnahme zu diesem Artikel wäre sehr interessant:
http://hanfverband.de/aktuell/meldung_1210252842.html
Bitte gehen Sie dabei auch auf die im Artikel genannten Widersprüche und
den Vorwurf, dass der Drogen- und Suchtbericht der eigenen Profilierung dienen soll ein.

Danke im vorraus

Markus Keifel

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Antwort von
SPD

Sehr geehrter Herr Keifel,

das von Ihnen benannte Statement des Deutschen Hanfverband e.V. zum aktuellen Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung ist mir bekannt. Nachfolgend meine Stellungnahme zu konkreten Vorwürfen:

Vorwurf 1)
"Ideen und Projekte, die nicht aus ihrem Hause [vermutl. dem Bundesministerium für Gesundheit] stammen, werden hingegen klein geredet oder tauchen erst gar nicht auf."

zu 1)
Der so kritisierte Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung dient der Berichterstattung zur Drogenpolitik der Bundesregierung. Er berichtet daher primär über die von den Bundesressorts getragenen Maßnahmen im Bereich der nationalen und internationalen Drogen- und Suchtpolitik sowie sekundär über die Zusammenarbeit dieser mit Körperschaften des öffentlichen und privaten Rechts oder auch mit besonders engagierten Bürgern.

Vorwurf 2)
"Wer erwartet hätte, dass ein märchenhafter Anstieg der ´Cannabisabhängigen´ von 50% innerhalb nur eines Jahres in der Presseerklärung der Drogenbeauftragten zum [Drogen- und] Suchtbericht wiederfindet, wird enttäuscht. ... "

zu 2)
Die Presseerklärung zum Drogen- und Suchtbericht dient der Zusammenfassung wichtiger Aussagen. Eine Erläuterung von Zusammenhängen erfolgt im Drogen- und Suchtbericht selbst.

Vorwurf 3)
"Woraus der erhebliche Unterschied der Abhängigkeitszahlen resultiert, bleibt völlig im Dunkeln."

zu 3)
Der zu diesem Vorwurf konstatierte "erhebliche Unterschied der Abhängigkeitszahlen ... von 50% innerhalb nur eines Jahres" rührt dem Anschein nach aus einem Vergleich der Aussagen des aktuellen Drogen- und Suchtberichts mit den Aussagen des Drogen- und Suchtberichts aus dem Vorjahr: "Über ein Viertel der Jugendlichen in Deutschland hat Cannabis mindestens einmal probiert. Während es bei der Mehrzahl beim Probierkonsum bleibt, stellen die regelmäßigen und häufigen Cannabiskonsumenten die eigentlich Risikogruppe dar. Rund zwei Millionen vor allem junge Menschen konsumieren in Deutschland regelmäßig Cannabis, etwa 380.000 von ihnen weisen einen missbräuchlichen (zur Ergänzung: 140.000) oder abhängigen (zur Ergänzung: 240.000) Konsum auf." (DSB 2007, S. 36) und "Der Epidemiologische Suchtsurvey von 2006 geht davon aus, dass in Deutschland insgesamt etwa 600.000 Personen zwischen 18 und 64 Jahren Cannabis entweder missbrauchen (380.000) oder von Cannabis abhängig sind (220.000)" (DSB 2008, S. 74).

Das Problem dieses Vergleichs ist die Aussage "innerhalb nur eines Jahres". Wer den im DSB 2008 enthaltenen Hinweis berücksichtigt, dass "detaillierte Angaben zu den genannten Studien (...) der REITOX-Bericht 2007 (enthält)" (DSB 2008, S. 74), der weiß, dass die mit dem Drogen- und Suchtbericht im Mai 2008 veröffentlichten Daten auf der Datenerhebung zum Epidemiologischen Suchtsurvey (ESA) von 2006 basieren und sich auf die Altersgruppe 18-64 Jahre beziehen, während die im DSB 2007 verwandte Datengrundlage sich auf das Erhebungsjahr 2000 sowie auf die Altersgruppe 18-59 Jahre bezieht. Mit dem bundesweiten Epidemiologischen Suchtsurvey werden durch das IFT München in regelmäßigen Abständen (...-2000-2003-2006-...) Daten zum Drogenkonsum erhoben, deren Auswertung jeweils zum Ende des Folgejahres (...2001-2004-2007...) veröffentlicht wird. Es ist daher nicht verwunderlich, dass sich der aktuelle Drogen- und Suchtbericht vom Mai 2008 bei Vergleichen der Prävalenzwerte ausdrücklich nicht auf einen Zeitraum "innerhalb nur eines Jahres" bezieht, sondern vielmehr betont: "Vergleiche der Prävalenzwerte zwischen 1997 und 2006 zeigen, dass der Anteil der Personen mit DSM-IV Missbrauchsdiagnosen gestiegen ist, während der Anteil der Personen mit Abhängigkeitsdiagnosen konstant blieb." (DSB 2008, S. 74) Ein Vergleich der zitierten Zahlen des DSB 2007 mit dem DSB 2008 ist nur zulässig bei Berücksichtigung des Jahres der Datenerhebung für die angeführten Schätzungen.

Vorwurf 4)
"Der Bericht verschweigt, was bei anderen Rauschmitteln stets eine wichtige Information ist - die Gesamtzahl der Konsumenten."

zu 4)
Ein Bezug der Abhängigen auf die Gesamtzahl von Konsumenten erlaubt zwar eine Abschätzung des Risikos (Erkrankung), aus gesundheitspolitischer Sicht ist jedoch nicht das Risiko, sondern die Anzahl Erkrankter entscheidend. Selbst bei einem geringen Risiko ist die Zahl der Erkrankten hoch, wenn die Konsumentenzahl hoch ist. Cannabis ist eine illegale Droge, deren Konsumentenzahl nur unter Anwendung wissenschaftlicher Methoden geschätzt werden kann. Dies trifft generell auf Konsumentenzahlen illegaler Drogen zu: "Schätzungen gehen davon aus, dass zwischen 167.000 und 198.000 Menschen in Deutschland illegale Drogen, d.h. Opiate, Kokain, Amphetamine und Halluzinogene, problematisch konsumieren." (DSB 2008, S. 79) Der aktuelle Drogen- und Suchtbericht führt hinsichtlich der Konsumentenzahlen von Cannabis aus: "Beim illegalen Drogenkonsum spielt Cannabis auch in Europa die Hauptrolle. Umfragen nach hat jeder fünfte europäische Erwachsene Cannabis probiert. 13 Millionen Europäer haben Cannabis im letzten Monat konsumiert." (DSB 2008, S. 74) und ergänzend dazu "Der Epidemiologische Suchtsurvey von 2006 geht davon aus, dass in Deutschland insgesamt etwa 600.000 Personen zwischen 18 und 64 Jahren Cannabis entweder missbrauchen (380.000) oder von Cannabis abhängig sind (220.000)" (DSB 2008, Seite 74).

Vorwurf 5)
"dass der Drogenbericht gesundheitsschädliche Beimengungen und Streckmittel in Cannabisprodukten völlig ignoriert" bzw. "nicht ein Satz dazu, dass sie [die Drogenbeauftragte der Bundesregierung] ... keine Warnung vor Glas, Blei und Plastik in Marihuana veröffentlichte."

zu 5)
Ich habe, ebenso wie einzelne Länder, im Internet aktuell über das Auftreten von verunreinigten Cannabisprodukten informiert. Der jährliche Drogen- und Suchtbericht der Bundesregierung ist weder geeignet, potentielle Konsumenten möglichst aktuell über gesundheitsschädliche Beimengungen in illegal verkauften Drogen zu informieren, noch entspricht dies seiner Zielsetzung (siehe auch meine Stellungnahme zu 1).

Vorwurf 6)
"So fehlt in dem Bericht eine Stellungnahme der Drogenbeauftragten zu: ... " Es folgt die Aufzählung diverser von der Bundesregierung beantworteter parlamentarischer Anfragen zu illegalen Drogen wie Cannabis und Salvia Divinorum.

zu 6)
Zu meinen Aufgaben als Drogenbeauftragte der Bundesregierung zählt es, die Arbeit der Bundesressorts gegenüber der Öffentlichkeit zu vertreten. Es besteht keine Notwendigkeit einer ergänzenden Stellungnahme meinerseits zu den von der Bundesregierung bereits beantworteten parlamentarischen Anfragen, die als Drucksachen des Deutschen Bundestages jeweils aktuell veröffentlicht werden.

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Bätzing

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