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Sabine Bätzing-Lichtenthäler
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Frage von Axel J. •

Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Axel J. bezüglich Gesundheit

Sehr geehrte Drogenbeauftragte,

bezugnehmend auf Ihre Aussage der Kompetenzförderung für die eigene Gesundheit, Stärkung der Selbsthilfe sowie einer Verbesserung der Position der Patienten/Patientinnen und Erhöhung der Chancengleicheit würde ich gerne wissen, ob sich diese Ihre Prioritäten auch auf die vielen Betroffen anwenden lassen, die sich z. B. im ACM (Arbeitsgemeinschaft Cannabis als Medizin e. V.) und im SCM (Selbsthilfenetzwerk-Cannabis-Medizin) organisiert haben?

Tausende Schmerzpatienten könnten von den gesundheitsförderlichen Eigenschaften des Cannabis profitieren, sehen sich jedoch permanent einer Ausgrenzung und schändlichen Kriminalisierung ausgesetzt, die seitens der für diesen Zustand Verantwortlichen noch mit einer ausschließlich einseitigen Contra-Cannabis-Propaganda angefüttert wird.

In sämtlichen Ihrer Präventions- und Aufklärungskapagnen findet sich nicht eine einzige positive Bemerkung über diese seit Alters her bekannte und vielfach genutzte Heilpflanze. Diese TAKTIK ist der o. g. Prioritätenliste nicht nur unwürdig, sondern zeigt m. E. deutlich, dass der ständig vorgeschobene Jugendschutz, die fehlende Unbedenklichkeitsbescheinigung und der vom BfArM angeführte zu hohe adminstrative Aufwand für den Import von standardisiertem med. Cannabis einer gewissen politischen Floskelhaftigkeit und nahezu ritualisierter Ablehnung von Kompetenzförderung und Stärkung der Selbsthilfe chronisch - mitunter tödlich kranker Menschen unterliegt, was in der Folge zu jährlich 5000 Suiziden wg. inadäquater Schmerzbehandlung führt.

Opfer der Prävention?

Haben Sie als deutsche Drogenbeauftragte nicht den holländischen Vorbildcharakter der Diamorfinbehandlung gerühmt und von einer notwendigen Stabilisierung der Schwerstabhängigen gesprochen? Darf ich diesbezüglich nachhaken, warum ein solches "Gnadenbrot" nicht auch für
HIV-, Krebs-, M. Crohn-, Hepatitis-, MS etc. -Patienten gewährt wird?

Mit freundlichen Grüßen
Axel Junker

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Antwort von
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Sehr geehrter Herr Junker,

Sie haben am 10.11.2007 in diesem Forum eine Frage zu den Meldungen über verunreinigtes Cannabis an mich gerichtet, auf die ich Ihnen gern geantwortet habe.

In Ihrer aktuellen Abgeordnetenwatch-Frage beklagen Sie, dass Cannabis nicht als Medikament eingesetzt wird. Die gleiche Frage hatten Sie bereits im August dieses Jahres unter Nutzung einer standardisierten Massenmail an mich gerichtet. Aufgrund meiner damaligen an Sie gerichteten Antwort sind Sie also darüber informiert, dass

...... , wie bereits in der Antwort der Bundesregierung vom 13. November 2006 zur "Verwendung von Cannabis zu therapeutischen Zwecken" (DS 16/3393) ausgeführt, es sich bei Cannabis nach wie vor um ein nicht verschreibungsfähiges Betäubungsmittel handelt, dessen therapeutischer Nutzen - abgesehen von Dronabinol bei bestimmten Indikationsbereichen - bis heute nicht eindeutig wissenschaftlich nachgewiesen ist. Der Bundesregierung sind zwar Studien zu bestimmten definierten und standardisierten Cannabisextrakten bekannt, jedoch haben auch diese Studien bislang keinen endgültigen Wirksamkeitsnachweis erbracht. Deshalb kommt derzeit auch eine Umstufung von Cannabisprodukten - über Dronabinol hinaus - nicht in Betracht.

...... seit 1998 die Möglichkeit besteht, den synthetisch hergestellten Cannabis-Wirkstoff Dronabinol ärztlicherseits mit einem Betäubungsmittelrezept zu verschreiben. Die Krankenkassen übernehmen die dafür anfallenden Kosten im allgemeinen nicht, da die Substanz in Deutschland nicht als Arzneimittel zugelassen ist.

.... die Bundesrepublik Deutschland nach Artikel 4 Buchstabe c des Einheitsübereinkommens der Vereinten Nationen über Suchtstoffe von 1961 verpflichtet ist, die Verwendung von Suchtstoffen, einschließlich Cannabis, auf ausschließlich medizinische oder wissenschaftliche Zwecke zu beschränken. Gemäß § 29 Abs. 1 Betäubungsmittelgesetz unterfällt Cannabis deshalb der grundsätzlichen Strafbarkeit des unerlaubten Besitzes, des Anbaus und des unerlaubten Handels.

...... im Mai 2005 das Bundesverwaltungsgericht entschieden hat, dass die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) im öffentlichen Interesse liegen kann, sofern sie der Sicherstellung der notwendigen medizinischen Versorgung der Bevölkerung dient. Diese kann im Einzelfall auch den Einsatz von (nicht verschreibungsfähigen) Betäubungsmitteln zur individuellen therapeutischen Anwendung umfassen. Das für die Erteilung der erforderlichen Ausnahmegenehmigungen nach § 3 Abs. 2 des Betäubungsmittelgesetzes (BtMG) zuständige Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) bezieht seine Entscheidung über die Erteilung einer Ausnahmegenehmigung unter Berücksichtigung der spezifischen therapeutischen Anwendung immer auf den konkreten jeweiligen Einzelfall.

...... im August 2007 die Bundesopiumstelle beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte erstmals einer an multipler Sklerose erkrankten Patientin erlaubt hat, Cannabis zur Linderung ihrer Schmerzen einzusetzen. Diese Entscheidung war unter verantwortungsvoller Abwägung aller relevanten Sachverhalte des Einzelfalls im Interesse der individuell notwendigen medizinischen Versorgung der Patientin zu treffen. Dass eine solche Entscheidung getroffen wurde, ist Beleg dafür, dass vom Gesetzgeber durchaus eine "zivilisierte Lösung" gefunden wurde, die einer Kriminalisierung der Betroffenen vorbeugt. Inzwischen wurden vier der vorliegenden Anträge zur Nutzung von Cannabis(extrakt) als Medizin vom BfArM positiv beschieden.

Die öffentliche Wiederholung Ihrer Frage ermöglicht es, ein breiteres Publikum zum Thema "Cannabis als Medikament" zu informieren. Danke!

Mit freundlichen Grüßen

Sabine Bätzing

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