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Sabine Bätzing-Lichtenthäler
SPD
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Frage von Monika G. •

Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Monika G. bezüglich Verkehr

Sehr geehrte Frau Bätzing

Ich schreibe an Sie als (Noch) SPD Wählerin und häufige Bahnfahrerin .
Obwohl ich schon lange kein linkes Profil bei der SPD mehr erkennen kann, hat mich die Privatisierung der Bahn erneut entsetzt.

Wie kann das ohne angemessene Diskussion so realisiert werden?
Wie kann die DB das Netz geschenkt bekommen und der Bund das Netz zurückkaufen müssen? Wie ist es möglich, dass die Qualität des Netzzustandes nicht gesichert wird?
Wieso werden die Länder zu machtlosen Bittstellern gemacht?

Welchen Nutzen hat die Bevölkerung davon? Die ständig verschlechterten Leistungen (besonders im Regionalverkehr) werden jetzt noch schlechter werden, weil die DB Gelder frei umschichten kann. Pendler auf der Rheinschiene haben jetzt schon mindestens 50% der Zeit mit Verspätungen zu kämpfen. Letzten Herbst hatte ich einer Woche 4 mal 40 min. bis zu 1 Std. Verspätung.

Bitte lesen sie die Zeitung „Pro Bahn“ (3/07) und informieren Sie sich objektiv.
Ich hoffe nicht nur auf eine Antwort, sondern auf eine engagierte Diskussion im Bundestag, die mich davon überzeugt, dass in der SPD nicht nur eine „Seilschaft für Mehdorn“ (Pro Bahn) am Werk ist.

Mit freundlichem Gruß

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Antwort von
SPD

Sehr geehrte Frau Groß,

Sie verstehen nicht warum es sinnvoll sein soll, die DB AG zu privatisieren. Ich möchte versuchen, Ihnen unsere Argumente zu erklären.

1993 als die erste Stufe der Bahnreform eingeleitet wurde, war die Situation der Reichsbahn sehr schlecht. Die Situation war geprägt durch einen extremen Investitionsrückgang bei gleichzeitig hoher Verschuldung. Es war notwendig, die Reichsbahn der ehemaligen DDR mit ihrer veralteten Technik und die Bundesbahn zusammenzuführen. Nach sorgfältiger Prüfung der Lösungswege entschied man sich für eine formelle Privatisierung als neu gegründete Deutsche Bahn AG (DB AG). Nur so konnte die staatliche Verantwortung mit den Vorteilen privatrechtlicher Betriebsorganisation kombiniert werden.

Nach jetzt fast 15 Jahren können wir eine positive Bilanz ziehen. Aus einer unbeweglichen Staatsbahn ist ein modernes Unternehmen geworden. Die Verkehrsleistungen für die Beförderung von Reisenden und auch für die Beförderung von Gütern sind gestiegen. Für die Fahrgäste ist das Reisen komfortabler geworden. Die Fahrzeiten haben sich verkürzt und viele Bahnhöfe wurden modernisiert. Natürlich können wir noch nicht zufrieden sein. Die Pünktlichkeit der Züge muss z.B. noch verbessert werden. Wir möchten auch noch mehr Güter auf dem Schienenweg befördern. Auch die Instandhaltung des Schienennetzes muss schneller erfolgen.

Wir wollen die Bahn für eine Teilprivatisierung öffnen und somit starke private Partner für dieses Projekt gewinnen.

Deshalb hat der Bundestag am 24. November 2006 einen Entschließungsantrag beschlossen, der die Bundesregierung aufforderte, ein Privatisierungsgesetz mit fest umrissenen Vorgaben zu erarbeiten. Diese Vorgaben wurden nun im uns vorliegenden Gesetzentwurf zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes abgearbeitet.

Die Infrastruktur bleibt im Eigentum des Bundes

Die Mehrheit der Anteile der Deutschen Bahn AG verbleibt beim Bund. Die Schieneninfrastruktur wird nicht privatisiert. Die Bahn darf das Netz bewirtschaften. Der Bundestag beschließt über die Neu- und Ausbaumaßnahmen des Schienennetzes. Die Durchsetzung der Infrastrukturverantwortung wird vertraglich geregelt. In diesen Leistungs- und Finanzierungsvereinbarungen sind sowohl Qualitätsvorgaben als auch Sanktions- und Kontrollregularien vereinbart. Dort ist aber auch festgehalten, dass der Bund weiterhin 2,5 Mrd. Euro für Ersatzinvestitionen in das Schienennetz zur Verfügung stellt. Die Ziele der Bahnreform sind unverändert vor allem "mehr Verkehr auf die Schiene zu bringen" und "für eine nachhaltige Entlastung des Bundeshaushaltes" zu sorgen.

Die Bahnreform ist gut für die Kunden

Die DB AG wird stärker. Sie erhält zusätzliches Geld und wird schneller "gesund", kann also Schulden abbauen. Damit werden Mittel frei für neue Züge, Loks, die bessere Wartung des Netzes und natürlich die Erweiterung des Leistungsangebotes auf neuen nationalen und europäischen Strecken - von all dem werden auch die Wettbewerber der DB AG profitieren. Der Eisenbahnverkehr insgesamt wird gestärkt, Privat- und Geschäftsreisende erreichen ihre Ziele pünktlicher, komfortabler und schneller.

Auch wer Güter auf die Schiene bringt, ist Kunde. Die aktuellen Wachstumsraten beim Transport auf der Schiene zeigen, dass immer mehr Unternehmen auf die Bahn als zuverlässiges und preisgünstiges Transportmittel zurückgreifen. Erstmals hat 2006 die Schiene mehr vom Verkehrswachstum profitiert als die Straße. Das ist der richtige Trend.

Daran können wir anknüpfen. Denn Deutschland wird es sich nicht leisten können, dass Verkehrswachstum vor allem auf der Straße stattfindet. Die Globalisierung der Märkte, neue Produktions- und Vertriebsketten erfordern ein Logistikangebot von Platz zu Platz. im europäischen Wettbewerb kann nur eine starke DB AG bestehen.

Die Bahnreform ist gut für das Klima

Die Deutsche Bahn AG engagiert sich seit Beginn der 90er Jahre für den Klimaschutz und hat den spezifischen CO2-Ausstoß seitdem kontinuierlich gesenkt. In seiner Umweltfreundlichkeit ist der Verkehrsträger Schiene nahezu konkurrenzlos. Nur eine starke Bahn kann beim emissionsarmen, ökologisch guten Verkehrsträger Schiene für Zuwachs sorgen. Das erspart uns tausende zusätzlicher LKWs auf den Straßen.

Die Bahnreform ist gut für die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer

Die Bahn bleibt ein "integrierter Konzern", und damit besteht auch der konzerninterne Arbeitsmarkt weiter. Den 230.000 Beschäftigten geben wir die Sicherheit, dass der konzerninterne Arbeitsmarkt der DB AG und das Beschäftigungsbündnis fortgeführt werden können. Bahnvorstand und Gewerkschaften können jetzt entsprechende Vereinbarungen abschließen.

Die Bahnreform ist gut für den Wettbewerb auf der Schiene

Die Stärkung des Wettbewerbs auf der Schiene bleibt ein zentrales Ziel der Eisenbahnpolitik des Bundes. Nirgendwo in Europa gibt es soviel Wettbewerb wie bei uns in Deutschland. Nur der Wettbewerb verschiedener Anbieter auf der Schiene führt dazu, dass die Eisenbahnen ein an den Erfordernissen des europäischen Transportmarktes und den Bedürfnissen des Kunden ausgerichtetes Angebot liefern. Die Wettbewerber der DB AG können sich auf einen fairen Wettbewerb verlassen.

Die Bahnreform ist gut für den Haushalt

Der Bund übernimmt keine Schulden der DB AG. Vom Erhalt des integrierten Konzerns profitiert nicht nur das Unternehmen DB AG, sondern auch der Bundeshaushalt. Die starken Konzerntöchter der Bahn können das immer noch "schwache" Netz wirksam unterstützen, was den Bundeshaushalt entlastet.

Von einer besseren Qualität des Netzes und fairen Wettbewerbsbedingungen wird auch der Schienenpersonennahverkehr profitieren können, den die Länder durch Regionalisierungsmittel des Bundes unterstützt bestellen.

Ziel ist eine Bahnreform, die der DB AG Planungssicherheit und eine gute Zukunftsperspektive verschafft, die Arbeitsplätze der Eisenbahnerinnen und Eisenbahner sichert und gleichzeitig die Instrumente des Bundes zur Durchsetzung seiner grundgesetzlichen Infrastrukturverantwortung deutlich verbessert.

Mit dem uns nun vorliegenden Referentenentwurf der Bundesregierung zum Gesetz zur Neuorganisation der Eisenbahnen des Bundes und dem Kabinettsbeschluss am 24. Juli 2007 beginnen für uns erst die parlamentarischen Beratungen. In den parlamentarischen Gremien wird der Gesetzentwurf nochmals detailliert und intensiv beraten.

Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bätzing

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