Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Horst W. bezüglich Finanzen
Sehr geehrte Frau Bätzing-Lichtenthäler ,
Gestatten Sie mir eine Frage zu den Ausführungen des Abgeordneten Gysi vor dem Deutschen Bundestag, wiedergegeben in nachfolgendem Link.
www.youtube.com/watch?v=iuRvp0ctvek&%3Blist=UU (...)
Ich habe ihn so verstanden, daß die Zustimmung zum Fiskalvertrag den Artikel 20 des Grundgesetzes praktisch aushebelt, einen der Artikel des GG die nie, auch nicht mit 2/3 Mehrheit verändert werden dürfen.
Frage:
warum sind es meistens die Linken und nicht Sie und die übrigen ‚Volksvertreter’ der Mehrheitsparteien, die von der Regierung genau das wissen möchten, was auch der interessierte Bürger wissen will.
Sollte diese Zurückhaltung allerdings nur bedeuten, dass Sie als meine Abgeordnete es besser wissen als der linke Herr Gysi, dann können Sie doch sicher mir gegenüber alle Einwände detailliert und fundiert entkräften, kompetent das Gegenteil beweisen und Tragweite und künftige Konsequenzen daraus verbindlich darlegen.
Ich meine, deswegen hab ich Sie doch gewählt – oder?
Ihrer geschätzten Antwort interessiert entgegensehend,
mit freundlichem Gruß
Horst Wilms
Sehr geehrter Herr Wilms,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Art. 20 GG lautet:
(1) Die Bundesrepublik Deutschland ist ein demokratischer und sozialer Bundesstaat.
(2) Alle Staatsgewalt geht vom Volke aus. Sie wird vom Volke in Wahlen und Abstimmungen und durch besondere Organe der Gesetzgebung, der vollziehenden Gewalt und der Rechtsprechung ausgeübt.
(3) Die Gesetzgebung ist an die verfassungsmäßige Ordnung, die vollziehende Gewalt und die Rechtsprechung sind an Gesetz und Recht gebunden.
(4) Gegen jeden, der es unternimmt, diese Ordnung zu beseitigen, haben alle Deutschen das Recht zum Widerstand, wenn andere Abhilfe nicht möglich ist.
Herr Gysi hat folgendes ausgeführt:
Die Kernfrage im Verhältnis zum Grundgesetz ist folgende: Art. 79 Abs. 3 Grundgesetz regelt, dass bestimmte Teile des Grundgesetzes nie verändert werden dürfen. Dazu gehören die Grundsätze des Art. 20 Grundgesetz. Aus ihnen ergibt sich, dass die Staatsgewalt von unserem Volk ausgeht und dass nur die im Grundgesetz geregelten Organe für Gesetzgebung zuständig sind. Es ist eine bestimmte demokratische Ordnung festgelegt. Das schließt nach allen Kommentaren die Budgethoheit des Bundestages ein. Im Lissabon-Urteil vom 30. Juni 2009 bestimmte das Bundesverfassungsgericht diese Verfassungsidentität wörtlich wie folgt: Zu wesentlichen Bereichen demokratischer Gestaltung gehören … Einnahmen und Ausgaben einschließlich der Kreditaufnahme … des Bundes. Herr Präsident, Frau Bundeskanzlerin, meine Damen und Herren von Union, SPD, FDP und Grünen, mit diesem Vertrag beginnen Sie die Gründung einer europäischen Föderation, der Vereinigten Staaten von Europa, und zwar über eine Fiskalunion. Das aber lässt das Grundgesetz so nicht zu, wie man im Lissabon-Urteil des Bundesverfassungsgerichts nachlesen kann.
Wenn man der Argumentation von Herrn Gysi folgen würde, würde dies bedeuten, dass jede Einschränkung des Budgetrechtes durch das Parlament eines Verletzung des Art. 20 GG wäre und mithin verfassungswidrig. Dazu wäre nach der Argumentationslinie von Herrn Gysi kein europäischer Vertrag notwendig. Sobald das Budgetrecht eingeschränkt wird, wäre dies verfassungswidrig.
Dies kann natürlich nicht richtig sein, denn bereits die Festlegung eines Haushaltsvolumens ist eine Einschränkung des Budgetrechtes. Gleiches gilt noch viel mehr für die Schuldenbremse, die grundgesetzlich verankert ist, denn auch diese gibt Vorgaben hinsichtlich des Haushaltes.
Grundsätzlich beinhaltet das Haushaltsrecht wohl auch das Recht, sich selber zu beschränken.
Allerdings betont Herr Gysi, der wie häufig sehr eloquent und intelligent geredet hat, dass durch den Vertragscharakter die Budgetbeschränkung nicht mehr rückgängig gemacht werden könne und sagt als Folge dieser Annahme in der Schlussfolgerung richtig, dass dies einen wesentlichen Unterschied zu der innerstaatlichen Schuldenbremse darstellen würde.
Herr Gysi sagt dann auch in der für ihn typischen Art richtigerweise, aber eben nicht vollständig, dass die Voraussetzungen für eine Kündigung des Vertrages niemals vorliegen dürften. Zum einen ist die wohl rechtlich unsauber, denn die Frage dürfte ja sein, ob die Voraussetzungen vorliegen könnten und ob somit die Möglichkeit bestände, dass das Haushaltsrecht wieder unbefristet besteht, denn schon das würde die Beschränkung wohl zulässig machen.
Aber vor allem unterschlägt Herr Gysi, dass es neben der Kündigung völkerrechtlich auch noch andere Dinge wie Suspension oder Beendigung gibt, die beispielsweise eintreten können, wenn der Zweck des Vertrages nicht erfüllt wird oder sich grundlegende Dinge geändert haben, die für den Vertragsschluss wichtig waren. Auch den Rücktritt als Möglichkeit lässt Herr Gysi (bewusst?) unerwähnt. Wenn aber diese Möglichkeiten bestehen, liegt eben keine absoluter Verzicht auf einen Teil des Budgetrechtes vor, so dass auch Art. 20 GG nicht verletzt ist.
Ich will nicht verhehlen, dass dies eine hoch komplexe verfassungs- und völkerrechtliche Materie ist und ich fachlich nicht qualifiziert bin, diese zu führen, weil ich weder Staats- noch Völkerrechtlerin bin. Allerdings wird davon auszugehen sein, dass durch das Verfassungsgericht eine Überprüfung erfolgen wird, so dass die Frage der Verfassungsmäßigkeit sicherlich von berufener und qualifizierter Hand geprüft werden wird.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bätzing-Lichtenthäler