Frage an Sabine Bätzing-Lichtenthäler von Martin S. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Bätzing,
vielen Dank für die Beantwortung meiner letzten Anfrage.
Ich möchte dieses Mal auf den am 13. Juni 2009 auf Wikileaks veröffentlichten WHO Bericht zu Kokain, mit dem Namen "WHO/UNICRI Cocaine Project", zu sprechen kommen.
Dieser Bericht wurde 13 Jahre lang von der UN auf Druck der USA zurückgehalten. Es wurde angedroht die WHO-Gelder zu kürzen.
Ich möchte gerne wissen, ob Sie als Drogenbeauftragte der Bundesregierung über diesen Bericht vor der Veröffentlichung bescheid wussten, und wenn ja, warum auch Sie bzw. Ihr Ressort diesen Bericht nicht veröffentlichten?
Diese, die auf diesem Planeten umfangreichste Studie zu Kokain, schreibt, dass gelegentlicher Kokainkonsum nicht typischerweise zu größeren oder kleineren physischen oder sozialen Problemen führe und nur eine Minderheit der Personen, die es gewohnheitsmässig für eine kürzere oder längere Periode nutzten, bestände, die dann auch nur an geringen oder garkeinen negativen Folgen litten.
Werden die Aussagen des Berichtes in die Drogenpolitik von Deutschland einfliessen?
Wie können Sie die neu vorliegenden - umfangreichen - Ergebnisse mit der Informationspolitik der Bundesregierung bzw. des Bundesgesundheitsministeriums vereinbaren?
Inwieweit müssen sich Präventionsbemühungen des Bundes an diesen jüngst bekannt gewordenen Erkenntnisse anpassen?
Natürlich werde ich darüber in meinem Blog berichten,
vielen Dank im Vorraus und mit gras-grünen Grüßen,
M. Steldinger
Sehr geehrter Herr Steldinger,
man muss bei den Auswirkungen des Kokainkonsums zwischen Gelegenheitskonsum und Dauergebrauch und köperlichen und psychischen Wirkungen unterscheiden. Bei Gelegenheitskonsum stellen sich keine körperlichen Veränderungen ein. Die psychischen Wirkungen auch beim Gelegenheitskonsum, nämlich die sich nach dem Konsum häufig einstellende Depression sollte man nicht vergessen. Der sich auch beim Gelegenheitskonsum einstellende Wunsch, die Kokaineuphorie erneut erleben zu wollen, ist ein deutliches Indiz für ein erhebliches psychisches Suchtpotenzial des Kokains. Bei Dauerkonsum kommt es zu körperlichem Verfall: Entzündungen, Geschwüren, Perforation der Nasenscheidewand, Leberschäden, Schwitzen, Schüttelfrost. Die Euphorie wird schnell durch Sinnestäuschung, Angstgefühle, Rastlosigkeit, Verfolgungsideen und Aggressionen abgelöst. Das psychische Abhängigkeitspotenzial und die starke Tendenz zur Dosissteigerung machen Kokain zu einer für den Konsumenten und die Gesellschaft gefährlichen Droge. Ich halte es für bedenklich und unverantwortlich, diese objektiven Gesundheitsrisiken durch die Heraushebung des geringen körperlichen Abhängigkeitsrisikos bei Gelegenheitskonsum zu verharmlosen.
Mit freundlichen Grüßen
Sabine Bätzing