Frage an Roland Heintze von Helena P. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Heinze,
erst im Januar 2013 erklärte das Hamburgische Verfassungsgericht die 3 %-Sperrklausel bei Bezirksversammlungswahlen für nichtig. Die Begründungen der Verfassungsgerichte bei Sperrklauseln sind immer dieselben: Verletzung der verfassungsgemäßen Grundrechte Wahlgleichheit und Chancengleichheit, demokratischer Grundpfeiler.
Das Hamburgische Verfassungsgericht führte aus, dass eine Sperrklausel nur dann gerechtfertigt sei, wenn sie verhindere, dass die Funktionsfähigkeit eines Parlaments beeinträchtigt werde.
Trotz wiederholter Verfassungsurteile haben SPD, CDU und die Grünen in der Hamburger Bürgerschaft eine Änderung der Hamburgischen Verfassung verabredet, die eine 3 % Sperrklausel bei Bezirkswahlen einführen soll.
Die Bürgerschaft ist aber noch immer der Öffentlichkeit gegenüber eine ordentliche Rechtfertigung schuldig, was die Funktionsfähigkeit der Bezirksversammlungen ohne Sperrklausel beeinträchtigen würde und was nicht durch Globalrichtlinien und Fachanweisungen korrigiert werden könnte. Aus anderen deutschen Großstädten, die 6-7 Parteien in den Gemeindeparlamenten haben, sind solche Funktionsstörungen unbekannt.
Können Sie mir bitte konkret beschreiben, was in den Hamburger Bezirksversammlungen, die weniger Macht als andere Gemeindeparlamente haben, mit einiger Wahrscheinlichkeit eine solche Funktionsstörung herbeiführen würde, die mit den vorhandenen Mitteln nicht geregelt werden könnte, und die die Beschneidung der genannten Grundrechte rechtfertigen würde ?
Mit freundlichen Grüßen
Sehr geehrte Frau Peltonen-Gassmann,
vielen Dank für Ihre Frage vom 14.02.2014, die ich gerne beantworte.
Mit der Verwaltungsreform im Jahr 2006 wurden die Bezirke neu aufgestellt. Die Bezirksversammlungen erhielten wesentlich stärkere bezirkliche Mitwirkungsmöglichkeiten, aber auch ein deutlich breiteres Aufgabenspektrum.
Entscheidend ist es, dass die Bezirksversammlungen sowohl wichtige Sach- und Personalentscheidungen, zu denen beispielsweise auch die Wahl des Bezirksamtsleiters gehört, zuverlässig treffen können. Dazu ist es von zentraler Bedeutung, dass sich in den Bezirksversammlungen sachgerecht Mehrheiten bilden können.
Um die Handlungsfähigkeit der Bezirksversammlungen sicherstellen zu können, ist die sogenannte 3%-Hürde ein wirkungsvolles und transparentes Instrument, welches im Gegensatz zu Globalrichtlinien oder Fachanweisungen sowohl für die bei den Bezirkswahlen antretenden Wahlbewerberinnen und Wahlbewerbern als auch für die Wählerinnen und Wähler ersichtlich und nachvollziehbar ist.
Die 3%-Hürde ist niedrig genug, um auch kleineren Parteien, Wählervereinigungen oder Einzelbewerbern den Zugang zu den bezirklichen Parlamenten zu ermöglichen, gleichzeitig lässt sich so die Gefahr einer Zersplitterung vermeiden.
Eine Zersplitterung der Bezirksversammlungen kann durchaus weitreichende Folgen haben. Auch sehr kleine Parteien, Wählervereinigungen oder Einzelpersonen ohne Fraktionsstatus haben die gleichen parlamentarischen Rechte wie die Fraktionen. Sie dürfen beispielsweise an jeder Entscheidung der bezirklichen Ausschüsse teilhaben, selbst wenn sie dieses Recht gar nicht wahrnehmen können. Damit könnten sowohl kleine als auch bedeutende Beschlüsse in den Ausschüssen blockiert sein, bis sie durch die Bezirksversammlung nachgeholt werden können.
Der Senat der Hansestadt kann solchen Fällen bezirkliche Entscheidungen an sich ziehen, um Funktionsstörungen der Bezirksversammlung zu regulieren. Grundsätzlich halte ich dieses Verfahren für sehr wertvoll, um die Funktionsfähigkeit auf bezirklicher Ebene sicherzustellen. Die Intervention des Senats soll und muss aber auf absolute Ausnahmen beschränkt bleiben und darf nicht zum Regelfall werden. Sonst droht aus meiner Sicht eine Entwertung der bezirklichen Demokratie und bezirklichen Planungshoheit.
Die CDU Hamburg schätzt die Bedeutung der Bezirke und ihrer Parlamente hoch ein und hat deshalb der Wiedereinführung der 3%-Hürde auf Verfassungsebene zugestimmt.
Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie sich bei weiteren Fragen gerne wieder an mich wenden.
Mit freundlichem Gruß,
Dr. Roland Heintze