Frage an Roland Fischer von Alexander H. bezüglich Verbraucherschutz
Sehr geehrter Herr Fischer,
gerade eben habe ich die Fragen des "Wahl-O-Mat" von abgeordnetenwatch.de beantwortet und dabei zu meiner Überraschung eine recht hohe Übereinstimmung mit Ihnen erzielt.
Insbesondere bei Fragen zu Internetsperren und innerer Sicherheit weicht Ihr Standpunkt von dem der SPD zum Teil erheblich ab. Hätten Sie als Abgeordneter im Bundestag auch gegen Gesetze wie das zur Vorratsdatenspeicherung, das BKA-Gesetz (Onlinedurchsuchung) und das für Internetsperren (das Sie -- zu Recht! -- als "Farce" bezeichnen) gestimmt, obwohl Sie damit von Ihrer Fraktion abgewichen wären? Falls Sie diese Frage mit ja beantworten, habe ich gleich noch eine: Warum sind Sie noch Mitglied in der SPD, wenn Sie bei so wichtigen Fragen mit den Entscheidungen Ihrer Partei nicht übereinstimmen? Sollten Sie die erste Frage mit nein beantworten, würde ich um eine Erklärung für diese Diskrepanz bitten und ebenso gern erfahren, was man dann als Wähler noch glauben kann.
Vielen Dank und viele Grüße,
Alexander Hans
Sehr geehrter Herr Hans,
ja, ich hätte in letzter Konsequenz gegen alle drei von Ihnen angesprochenen Gesetze gestimmt. Vorher, also im Beratungsverfahren, hätte ich natürlich versucht, möglichst viele meiner Fraktionskolleginnen und -kollegen von meiner Position zu überzeugen. Politik heisst schließlich ja auch, Mehrheiten zu gewinnen und zu organisieren.
Ich halte seit längerer Zeit den Balanceakt zwischen einerseits dem Bedürfnis nach mehr Sicherheit und der auch staatlichen Verantwortung, möglichst alles zu tun, diese zu gewährleisten und den bürgerlichen Freiheitsrechten andererseits für nicht mehr in Ordnung. Die Bürgerrechte werden mehr und mehr ausgehöhlt, schrittweise immer weiter eingeschränkt. Ich stelle mir die Frage, ob wir durch das vermeintliche "mehr Sicherheit" nicht schon an den Grundlagen unserer freiheitlichen Gesellschaftsordnung rütteln. Gerade in der Frage der Internetsperren, Stichwort Zensursula, habe ich bis zuletzt versucht, die Mitglieder der SPD-Bundestagsfraktion zu überzeugen, dem Gesetz nicht zuzustimmen, auch mit einem offenen Brief.
Jeder Abgeordnete muss letztlich selbst entscheiden, ob und in welcher Frage er von der Mehrheitsmeinung seiner Fraktion abweicht - Beispiele dafür gibt es genügend.
Auch wenn ich an dieser Stelle eine andere Meinung als meine Bundestagsfraktion habe - innerhalb der gesamten Partei läuft dazu der Diskussionsprozess auf Hochtouren - stellt sich für mich die Frage der SPD-Mitgliedschaft überhaupt nicht. Warum auch? Es ist gerade die SPD, die um die richtigen Antworten und Konzepte höchst lebendig, oft auch kontrovers, ringt, im besten Sinne des Wortes streitet. Nicht hinter verschlossenen Türen und im stillen Kämmerlein, sondern auch öffentlich wahrnehmbar. Das zeichnet für mich die SPD aus, macht sie einzigartig. Inhaltlich und programmatisch identifiziere ich mich mit rund 95 Prozent des SPD-Programms.
Übrigens: Wollte ich eine 100prozentige Übereinstimmung, müsste ich eine eigene Partei gründen und mindestens sechs weitere Personen finden, die jedes Detail genauso beurteilen, wie ich. Und ob ich dann tatsächlich Politik in meinem Sinne beeinflussen, gestalten kann, wage ich zu bezweifeln.
Bleibt die Frage nach der Alternative. In Fragen der bürgerlichen Freiheitsrechte und der inneren Sicherheit kann es die Partei der Schäubles, Uhls, Hermanns und Becksteins nicht sein - da sind wir uns wohl einig. Vor langer, langer Zeit hätte ich die FDP der Baums, Hirschs und Hamm-Brüchers als "echte" liberale Partei im positiven Sinn gesehen. Heute allerdings kann ich die Liberalen in der FDP an der berühmten Sägewerkshand nach dreissig Jahren Berufserfahrung ohne Schutzhandschuh abzählen - von den sozial- und wirtschaftspolitischen Differenzen einmal völlig abgesehen.
Ich habe mich dafür entschieden, in und mit der SPD für meine politischen Überzeugungen zu kämpfen. Und ich habe diesen Entschluss noch nie bedauert - im Gegenteil. Erst kürzlich habe ich die Erfahrung machen können, dass ein anfangs Einzelner sehr wohl etwas bewegen und verändern kann: Durch das von mir initiierte Mitgliederbegehren innerhalb der SPD ist es gelungen, eine Kapitalprivatisierung der Bahn für absehbare Zeit auszuschließen.
Und noch ein Argument: Ja, in einzelnen Sachfragen kann es jederzeit vorkommen, dass ich eine andere, differenzierte Position vertrete. Aber bei dem, was Mitglieder meiner Partei über alle Detailfragen und Kontroversen hinaus verbindet, weiß ich mich richtig aufgehoben: Die Grundwerte der Sozialdemokratie sind für mich einzigartig.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Fischer