Frage an Roland Fischer von Mechthild S. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sehr geehrter Herr Fischer!
Was Friedensbewegte und über Rüstung Informierte schon lange wissen, haben die Medien jetzt wenigstens vereinzelt berichtet: in Büchel lagern immer noch us-amerikanische Atomwaffen! Und im EU-Vertrag werden die Mitgliedsstaaten zu Aufrüstung verpflichtet. Und schließlich: Bundeswehreinsätze zeigen, dass sie wenig dem "Frieden in der Welt" dienen!
Leider nehmen außen- und rüstungspolitische Themen im BT-Wahlkampf nur eine randständige Rolle ein.
Nachdem sich Obama und die "alten Krieger" wie Kissinger, Helmut Schmidt sowie auch Egon Bahr, D. Genscher und R. v. Weizsäcker nunmehr für eine nuklearwaffenfreie Welt einsetzen, möchte ich gerne wissen, ob Sie alles tun werden, dieses Thema am Kochen zu halten, um endlich von Seiten der Regierung effektive Schritte zur nuklearen Abrüstung sowie zum Verzicht auf militärische Strategien, die den Einsatz vorhandener Atomwaffen vorsehen, zu erzwingen.
Was können Sie dazu beitragen, dass rüstungs- und militärpolitische Hintergründe medial offener und ehrlicher vermittelt werden?
Mit freundlichen Grüßen!
Mechthild Schreiber
Sehr geehrte Frau Schreiber,
wäre ich Chefredakteur einer großen Tageszeitung oder eines großen Fernsehsenders, könnte ich ganz praktisch und nachvollziehbar etwas tun, um "rüstungs- und militärpolitische Hintergründe medial offener und ehrlicher" zu vermitteln. Als Politiker habe ich es da erheblich schwerer. In den normalen 90-Sekunden-Statements im Fernsehen oder in den vier, fünf Zitaten im Bericht einer Zeitung ist es so gut wie unmöglich, so wichtige Felder wie Friedens- und Abrüstungspolitik auch nur anzureißen. Wir leben leider in einer Zeit, in der zwar stunden- und tagelang über den Tod und die Trauerfeierlichkeiten von Popstars auf den Titelseiten berichtet wird, über Tote durch Kriege und Hunger meist aber nur unter ferner liefen. Ich will da gar nicht die Medien angreifen. Schuld sind wir wohl selbst, durch unser Lese-, Kauf- und Einschaltverhalten. Berichtet wird, was den Leser oder die Zuschauerin interessiert.
In der Sache gebe ich Ihnen weitestgehend Recht. Es ist aberwitzig, dass auf deutschem Boden über 20 Jahre nach Herstellung der vollen Souveränität Deutschlands immer noch fremde Atomwaffen lagern, die unserer Entscheidungs- und Verfügungsgewalt nicht unterliegen. Ich gebe zu, dass ich es selbst verdrängt hatte und es mir erst durch Ihre Nachfrage wieder bewusst wurde. Durch die neue amerikanische Administration besteht nun endlich Hoffnung, dass effektive Schritte zur Abschaffung nuklearer Waffen eingeleitet werden - es wird höchste Zeit. Viel wichtiger erscheint mir allerdings, dass wir alles unternehmen, Atomwaffen nicht noch weiter zu verbreiten. Wenn wir - zu Recht - amerikanischen und russischen Beständen schon nicht über den Weg trauen, wieviel größer muss unsere Sorge bei Ländern wie Nordkorea, Pakistan oder dem Iran sein? Abrüstung, Nichtverbreitung von Atomwaffen und Rüstungskontrolle sind für mich eine zentrale Überlebensfrage. Am Ziel einer Welt ohne Atom- und Massenvernichtungswaffen müssen wir ganz konkret arbeiten, dazu gehört für mich zwingend und als erster Schritt der Abzug aller Nuklearwaffen aus Europa.
Was können wir tun? Für mich liegt der Schlüssel zu weniger Rüstung, zu weniger Krieg letztlich in einer gerechten Weltordnung als einem Kernelement vorausschauender Friedenspolitik. Entwicklungspolitik und Außenpolitik gehören zusammen, das globale Ungleichgewicht zwischen Rüstungs- und Entwicklungsausgaben schreit zum Himmel. Ich will mich dafür einsetzen, dass Deutschland hier vorangeht. Wir sollten nie aus den Augen verlieren, dass wir neben den Symptomen Krieg, Gewalt und Armut die tieferliegenden Ursachen beseitigen müssen. Aber auch mit ganz einfachen, kleinen Beiträgen könnten wir alle zusammen Zeichen setzen. Ich würde mir wünschen, dass zum Beispiel an den Ostermärschen wieder alle die teilnehmen, denen Frieden und Abrüstung wichtig ist - und die Feiertage eben nicht nur für einen Ausflug oder zum Ausschlafen nutzen.
Nicht ganz folgen kann ich Ihrer These, der EU-Vertrag würde die Mitgliedsstaaten zur Aufrüstung verpflichten. Es ist vielmehr gelungen, die Petersberg-Aufgaben zu erweitern, also die Festlegung der Aufgaben der europäischen Außen-, Sicherheits- und Verteidigungspolitik (GASP und GSVP): Enthalten sind jetzt gemeinsame Abrüstungsmaßnahmen und Maßnahmen zur Konfliktverhütung. Selbst bei der Europäischen Verteidigungsagentur (EVA) steht eine quantitative Abrüstung bei gleichzeitiger qualitativer Verbesserung im Vordergrund.
Sehr geehrte Frau Schreiber, wir werden im Endeffekt das tun müssen - und ich bin da ganz auf Ihrer Seite - was Sie mit Ihrer Frage getan haben - Friedens- und Abrüstungspolitik immer wieder zum Thema machen. Auch wenn es das Bohren dicker Bretter ist.
Mit freundlichen Grüßen
Roland Fischer