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Reinhard Bütikofer
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Frage von Matthias J. •

Frage an Reinhard Bütikofer von Matthias J. bezüglich Verkehr

Sehr geehrter Herr Bütikofer,

Die Atuomobil-Industrie soll ihre Flotten-Emissionen senken, und das ist gut so. Doch bei deren Berechnung gibt es eine Schieflage: Einerseits zählt das Elektro-Auto als Zero-Emission-Fahrzeug, selbst wenn es zu 100% mit Braunkohlen-Strom betrieben wird. Das Wasserstoff-Auto ebenfalls, selbst wenn 90% des Wasserstoffs unter Verlusten mittels Dampfreformierung von fossilen Kohlenwasserstoffen erzeugt werden. Andererseits wird ein CNG-Fahrzeug selbst dann als fossil betriebenes Fahrzeug gezählt, wenn es 100% mit Methan aus der Gülle-Verwertung betrieben wird.

Diese Schieflage hat nun ernste Konsequenzen: Der VW-Konzern hat letzten Monat bekannt gegeben, keine weiteren CNG-Fahrzeuge mehr zu entwickeln. Denn diese helfen dem Konzern nicht, die solchermaßen ungerecht ermittelten Flotten-Emissionen zu senken.

Dabei hat das Fraunhofer-Institut interessante Fakten festgestellt:
* Ein mit fossilem Erdgas betriebenes CNG-Fahrzeug ist hinsichtlich der CO2-Bilanz nur unwesentlich schlechter als ein mit dem deutschen Strom-Mix betriebenes E-Fahrzeug
* Ein mit Biogas betriebenes CNG-Fahrzeug ist sogar besser als ein mit regeneraqtivem Strom betriebenes E-Fahrzeug
* Ein mit aus Gülle gewonnenem Methan betriebenes CNG-Fahrzeug hat sogar eine negative Treibhausgas-Bilanz, wenn man annimmt, dass ansonsten Methan und Lachgas auf den Feldern freigesetzt würden. Siehe Abbildungen 2-7 und 2.11 in https://www.isi.fraunhofer.de/content/dam/isi/dokumente/cce/2019/klimabilanz-kosten-potenziale-antriebe-pkw-lkw.pdf .

Und da sind die hohen Todeszahlen in illegalen Kobalt-Minen im Kongo und die Absenkung und Vergiftung des Grundwassers durch die Lithium-Gewinnung im Drei-Länder-Eck Bolivien, Chile und Argentinien noch nicht berücksichtigt. Lithium wird nicht zurück-gewonnen. Nachhaltigkeit sieht anders aus!

Sind sie bereit, sich für eine Umwelt-Kennzahl einzusetzen, welche die Gesamt-Bilanz berücksichtigt, und die einseitig das E-Auto bevorzugende CO2-Flottenemissions-Regelung ersetzt?

Mit dem Ausstieg des VW-Konzerns aus dem Thema CNG droht der Verwendung von Biogas im Verkehrssektor das Aus. Dabei könnte CNG eine äußerst preiswerte und umweltfreundliche Alternative zum problematischen Lithium sein, die uns hilft, eine Krise per Strukturwandel zu vermeiden. Würden Sie sich dafür stark machen, die Verfügbarkeit von CNG-Tankstellen und CNG-Fahrzeugen weiterhin zu sichern?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrter Herr Junk,

vielen Dank für Ihre Anfrage.

Die Grüne Bundestagsfraktion hat ganz technologieoffen beschlossen, dass ab 2030 nur noch „abgasfreie Autos“ neu zugelassen werden dürfen, da jedes Auto, das nicht fossil betrieben wird, sondern emissionsfrei fährt, beim Klimaschutz hilft. Dennoch wird bei den alternativen Antrieben im PKW-Bereich rein batterieelektrischen Antrieben der Vorzug gegeben. Grund dafür ist, dass hier die Modellvielfalt stark wächst und der Strom direkt und ohne Umwandlungsverluste genutzt werden kann. Andere Antriebsformen, die auf Wasserstoff und synthetischen Kraftstoffen auf Strombasis (sog. „E-Fuels“) basieren, stehen damit bewusst nicht im Fokus. Diese E-Fuels sind derzeit teuer, mittelfristig kaum verfügbar und stets sehr energieintensiv bzw. ineffizient. Für das Fahren mit E-Fuels braucht man rund fünfmal so viel Strom wie bei der direkten Stromnutzung in E-Autos. Dies ist neben der CO2-Bilanz ebenfalls zu berücksichtigen. Zudem meiden die Fahrzeughersteller die parallele Entwicklung mehrerer Antriebstechnologien aus Kostengründen.

Anders verhält es sich abseits des PKW-Bereichs. Hier ist der technologische Pfad noch offen. Im Schiffs- und Flugverkehr sowie teilweise im schweren Straßengüterverkehr gibt es noch keine massentauglichen elektrischen Antriebe, sodass Wasserstoff und E-Fuels genutzt werden sollten, um die Emissionen dennoch zu senken.

Zusätzlich müssen natürlich auch die Fahrradinfrastruktur und der Zugverkehr ausgebaut werden.

Ich hoffe, Ihnen mit dieser Antwort weitergeholfen zu haben. Für detailliertere Informationen wenden Sie sich bitte an meine Kolleginnen Jutta Paulus (Mitglied im Ausschuss für Umweltfragen, öffentliche Gesundheit und Lebensmittelsicherheit) oder Anna Deparnay-Grunenberg (Mitglied im Ausschuss für Verkehr und Tourismus).

Mit freundlichen Grüßen
Reinhard Bütikofer