Sind Sie der Meinung, dass das bisher gezeigte die gesamte Leistung der russischen Streitkräfte darstellt?
Sehr geehrter Herr Krämer,
angesichts der bisherigen militärisch strategischen und taktischen Fähigkeiten der russischen Streitkräfte, es sei denn, Putin hatte nie die Absicht die ges. Ukraine zu besetzten, ist mir die These: „Unterstützung der Ukraine bedeutet: Frieden und Freiheit in Europa verteidigen“ vollkommen unklar.
Es ist m.E. absolut nicht zu erwarten, daß die russische politische Führung die Absicht hat, eine militärische Auseinandersetzung mit Staaten der NATO zu provozieren.
Frage: Sind Sie der Meinung, daß das, was bisher geschah, die ges. russissche militärische Leistung war?
M.f.G. Rolf K.
Sehr geehrter Herr K.,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Die Aggression Russlands gegenüber der Ukraine zeigt deutlich, welches Aggressionspotenzial der russische Imperialismus in sich trägt. Dass eine sogenannte Spezialoperation, die nach Meinung von Expertinnen und Experten ursprünglich als Enthauptungsschlag mit anschließender Einsetzung eines Marionettenregimes gedacht war, so nach hinten losgehen konnte, ist einerseits der Ausbildung ukrainischer Streitkräfte durch NATO-Partner sowie durch die Unterstützungsleistungen westlicher Partner möglich gewesen, in der Hauptsache allerdings durch die beeindruckende Resilienz und Aufopferungsbereitschaft der ukrainischen Bevölkerung.
Die Performanz der russischen Armee hat in ihrer Unprofessionalität und ihrem Dilettantismus gewiss viele überrascht, in ihrer Skrupellosigkeit gegenüber der Zivilbevölkerung und auch den eigenen Soldaten vielleicht weniger.
Ob und wie schnell sich die russischen Landstreitkräfte von dem verheerenden Misserfolg in der Ukraine erholen können, vermag ich selbst nicht zu prophezeien. Was wir aber sehen, sind fortgesetztes Engagement in Syrien und Staaten der Sahel-Zone, Betrieb von Armeebasen in der arabischen Welt sowie Destabilisierungsversuche in der Republik Moldau. Zugleich sind die Nuklearstreitkräfte der russischen Föderation vom Krieg nicht betroffen, Drohungen seitens des russischen Machtapparates gegenüber ehemaligen Sowjetrepubliken wie auch NATO-Partnern halten an.
Zusammengefasst: Ja, die russischen Landstreitkräfte haben eine erschreckend unprofessionelle Führung gezeigt, die bislang zu über 300.000 toten und verwundeten russischen Soldaten geführt hat. Gemessen am Bevölkerungs- und Industriepotenzial Russlands denke ich, dass es nach Beendigung des Krieges relativ schnell wird aufrüsten können, wenn auch nicht auf dem technischen Niveau der NATO. Mit Blick auf das nukleare Arsenal Russlands sowie den unverhohlenen nuklearen Drohungen des Putin-Regimes halte ich russische Aggression gegenüber seinen Nachbarn weiterhin für reell.
Mit freundlichen Grüßen,
Philip Krämer