Frage an Petra Pau von Reinhard W. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrte Frau Pau,
nun sickern ja mehr und mehr Informationen über die Bilderberg-Treffen zu uns Bürgern durch. Ich muss zugeben, dass es mich erstmal geschockt hat, zu erfahren, wie lange man diese Veranstaltungen geheimhalten konnte und was für (nicht immer unplausible) Spekulationen darüber im Internet zu finden waren, nicht zuletzt wegen dieser Geheimniskrämerei.
Erst danach erfahre ich, dass doch Frau Merkel und Herr Westerwelle und andere MdBs an diesen Treffen beteiligt waren, face-to-face mit den Herren Ackermann, Rockefeller, Döpfner, mit dem Geldadel und mit Nato-Generalsekretären und mit noch etwa 100 anderen aus denselben „Branchen“. Was für ein Vertrauensbruch v. a. angesichts einer nun intensiv betriebenen Sparpolitik der Regierung, in der die Wohlhabensten bislang so glimpflich davonkommen.
Es mag ja mitunter nützlich sein, einen „privaten“ Gedankenaustausch mit einflussreichen Persönlichkeiten aus der Wirtschafts-, Finanz- und Medienwelt zu haben, aber wenn ich diese Meetings vor dem Hintergrund der Duckmäuserei der regierenden Politiker gegenüber der Finanzwelt betrachte, reduziert sich mein Verständnis dafür drastisch.
1) Welchen Eindruck haben Sie von diesen Treffen?
2) Wie bekannt sind diese Meetings unter den Bundestagsabgeordneten überhaupt?
3) Werden sie im Plenum namentlich zur Sprache gebracht?
4) Wenn sich bei den Bilderberg-Treffen MdBs mit und ohne Regierungsverantwortung freiwillig dem Einfluss äußerst reicher und mächtiger Personen aussetzen, für wie plausibel halten Sie dann
a) eine beabsichtigte (Weiter)Verschuldung der Staatshaushalte und damit Machtübertragung der Politik an die Finanzwelt, eine Konsolidierung des Niedriglohnsektors und Sozialabbau in Deutschland?
b) eine mittels Regierungen verdeckte Inszenierung von Finanz- und Wirtschaftskrisen?
5) Gab es schon parlamentarische Anfragen einer Fraktion zur Aufklärung der Inhalte der Treffen und der Legitimität des Schweigens darüber?
Schöne Grüße
Reinhard Weng
Sehr geehrter Herr Weng,
die so genannten Bilderberg-Treffen gibt es seit 1954. Ihr Charakter war immer „privat“ und „geheim“. Die Teilnehmerinnen und Teilnehmer, vorwiegend aus der Wirtschaft, dem Finanzwesen, dem Militär und der Politik sind handverlesen. Eine Berichterstattung über den Verlauf und über eventuelle Absprachen gibt es nicht. Selbst die öffentlich-rechtlichen Medien machen einen großen Bogen um das Thema. Das alles nährt Ihre Befürchtungen zu Recht.
Zu den „auserwählten“ Teilnehmerinnen und Teilnehmern aus Deutschland gehörten immer auch Spitzenpolitiker, jüngst unter anderen Angela Merkel (CDU), Guido Westerwelle (FDP), Josef Fischer (Grüne). Auch Olaf Scholz (SPD) soll dabei gewesen sein. Sie schreiben, das verwundert Sie. Mich leider nicht mehr.
Seit Jahren werden politische Diskurse der Öffentlichkeit entzogen und Vorentscheidungen in informellen Zirkeln getroffen. Selbst Bundestagspräsident Dr. Norbert Lammert (CDU) hat diesen Trend mehrfach kritisiert. Er schwächt die Demokratie und er untergräbt das Vertrauen in die Politik. Wobei „Bilderberg“ nur ein Mosaikstein eines weitergehenden Prozesses einer allgemeinen Entdemokratisierung ist.
Im Bundestag haben „Bilderberg-Treffen“ gelegentlich eine Rolle gespielt. Was nichts an der oben beschriebenen Geheimhaltung ändert. Sie ist übrigens so untypisch nicht. Auch die „G8-Gipfel“ und die „G20-Gipfel“ der größten Wirtschafts-Staaten spielen Welt-Regierung, ohne dazu irgendwie legitimiert worden zu sein. Und vieles von dem, was dort (inoffiziell) vereinbart wird, verschwindet erst einmal in geheimen Staats-Archiven.
Sie merken, ich teile viele Ihrer Bedenken, übrigens auch, was aktuell gegen die Finanz-, Wirtschafts- und Systemkrise getan wird. Die „Kleinen“ werden zur Kasse gebeten, die „Großen“ kassieren Prämien. Und so wird der nächsten, noch größeren Krise zum Durchbruch verholfen.
Aus diesen und weiteren Gründen hat die Fraktion DIE LINKE aktuell eine Querschnittsarbeitsgruppe gebildet. Sie analysiert den Zustand der Demokratie und sie soll Vorschläge zur „Revitalisierung der Demokratie“ erarbeiten. Ich bin sicher, auch Geheim-Bünde wie die „Bilderberger“ werden dabei noch zur Sprache kommen.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Pau,
Allgäu, 26. 07. 2010