Frage an Petra Nicolaisen von Lange K. bezüglich Lobbyismus & Transparenz
Sehr geehrte Frau Nicolaisen,
wie ist Ihre Position zu den Parteispenden der Fa Tönnis und der Privatspenden von Herrn Tönnis? Werden Sie sich zukünftig gegen den Lobbyismus persönlich einsetzen?
Mit freundlichen Grüßen
Kay Lange
Sehr geehrter Herr Lange,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
Bei den von Ihnen angesprochenen Parteispenden handelt es sich um veröffentlichte Parteispenden der Tönnies Holding GmbH & Co. KG (zuvor B. & C. Tönnies GmbH) mit Sitz in Rheda-Wiedenbrück (Nordrhein-Westfalen).
Alle Parteien sind nach dem Parteiengesetz berechtigt, Spenden anzunehmen. Spenden sind - ebenso wie ehrenamtliches politisches Engagement - eine legitime Form der politischen und demokratischen Mitwirkung.
Ich kann sehr gut nachvollziehen, dass Spenden juristischer Personen, also beispielsweise von Unternehmen an Parteien, kritisch betrachtet werden. Allerdings machen Spenden juristischer Personen nur einen geringen Bruchteil der Gesamteinnahmen von Parteien aus. Zudem müssen - gemäß Artikel 21 Grundgesetz - Parteien über die Herkunft und Verwendung ihrer Mittel sowie über ihr Vermögen öffentlich Rechenschaft ablegen.
Die Rechenschaftsberichte der politischen Parteien können von der Webseite des Bundestages für die Jahre 1983 bis 2018 unter dem nachfolgenden Link abgerufen werden: https://www.bundestag.de/parlament/praesidium/parteienfinanzierung/rechenschaftsberichte/.
Gemäß Parteiengesetz müssen Spenden, Mitgliedsbeiträge und Mandatsträgerbeiträge an eine Partei oder einen oder mehrere ihrer Gebietsverbände, deren Gesamtwert in einem Kalenderjahr (Rechnungsjahr) 10.000 Euro übersteigt, unter Angabe des Namens und der Anschrift des Zuwenders sowie der Gesamthöhe der Zuwendung im Rechenschaftsbericht verzeichnet werden.
Grundsätzlich bin ich daher der Ansicht, dass Parteispenden juristischer Personen die Unabhängigkeit politischer Entscheidungen nicht beeinträchtigen. Zudem wird durch die vorbezeichnete Veröffentlichungspflicht der Transparenz und dem berechtigten öffentlichen Interesse bei der Parteienfinanzierung Rechnung getragen.
Ungeachtet dessen, scheint es Ihnen bei Ihrem Anliegen auch um die aktuelle Situation bei der Firma Tönnies Holding GmbH & Co. KG in Rheda-Wiedenbrück zu gehen, was ich sehr gut nachvollziehen kann. Auch mich machen die Fehlentwicklungen bei den Arbeits- beziehungsweise Produktionsbedingungen, bei Arbeitsschutz-, Hygiene- und Infektionsschutzstandards betroffen.
Ihre Nachricht enthält zudem die Frage, ob ich mich „gegen den Lobbyismus“ einsetzen werde.
Meinem Verständnis nach bedeutet Lobbyismus, dass Interessengruppen versuchen, direkt oder indirekt Interessen an die Exekutive und an die Legislative heranzutragen. Grundsätzlich ist die Interessenvermittlung eine wichtige Form der demokratischen Partizipation. Anders als Wählerinnen und Wähler, die über das aktive und passive Wahlrecht die politische Willensbildung mitgestalten, benötigen auch Verbände, Nichtregierungsorganisationen sowie Unternehmen Mitgestaltungsmöglichkeiten.
Ohne die Bündelung, Vertretung und Vermittlung von Interessen und den aktiven Einsatz der entsprechenden Interessengruppen blieben die Interessen dieser Gruppen ungehört. Das betrifft die klein- und mittelständischen Unternehmen ebenso wie die großen Konzerne oder die Vertreterinnen und Vertreter unterschiedlichster Interessengruppen, die Nichtregierungsorganisationen, Vereine, Stiftungen, Berufsverbände, Gewerkschaften oder Religionsgesellschaften repräsentieren.
Ein Einsatz „gegen den Lobbyismus“ und damit alle Formen der Interessenvertretung ist daher nicht möglich.
Möglich ist jedoch die Forderung nach mehr Transparenz. Daher begrüße ich ausdrücklich den Vorschlag meiner Fraktion, der CDU/CSU-Bundestagsfraktion, und der SPD-Bundestagsfraktion vom 3. Juli 2020, die sich für die Einführung eines verbindlichen Lobbyregisters aussprechen.
Eine Einigung mit dem Koalitionspartner erhoffen wir uns hierzu noch in dieser Legislaturperiode.
Mit freundlichen Grüßen
Petra Nicolaisen