Frage an Omid Nouripour von Christoph B. bezüglich Außenpolitik und internationale Beziehungen
Sie haben die Wiedereingliederung der Krim in die russische Förderation als "nicht völkerrechtskonform" (Deutschlandfunk) bezeichnet.
Welche Maßnahme oder welchen Artikel des Völkerrechts sie damit genau meinen, bleibt jedoch unklar. Vielmehr ist schon in Artikel 1 der UN-Charta das Recht auf Selbstbestimmung der Völker (und nicht der Staaten) verankert. Ist die Situation auf der Krim nicht vielmehr so zu interpretieren, dass Russland durch den Einsatz von Truppen eine Wahl über die Unabhängigkeit der Krim erst ermöglicht und damit das Völkerrecht gewahrt hat? Auf welchen Artikel des Völkerrechts beziehen sie sich in ihren Aussagen und hat das Selbstbestimmungsrecht hier nicht ein größeres Gewicht?
Und was ist mit der Regierung in Kiew, welche die Unabhängigkeit der Bevölkerung in der Ostukraine nicht anerkennt und mit militärischer Gewalt zu Unterdrücken versucht? Wiederspricht dieses Vorgehen nicht dem Artikel 1 der UN-Charta?
Lieber Herr Borgwardt,
Meiner Ansicht nach stellte der Einmarsch russischer Truppen in einen souveränen Nachbarstaat eine schwere Verletzung des Gewaltverbots gemäß Art. 2(4) der UNO-Satzung und eine Verletzung des Prinzips der territorialen Souveränität dar. Ein Referendum zur Selbsbestimmung, das unter dem Eindruck von Gewalt und ohne die glaubwürdige Arbeit neutraler Beobachter stattfindet, ist nicht die Ermöglichung einer Wahl, sie nimmt das Ergebnis einer vermeintlichen Wahl vorweg. In dem unter massiver Militärpräsenz abgehaltenen Referendum sollen bei 83% Wahlbeteiligung fast 97% für einen Beitritt zur Russischen Föderation gestimmt haben. Zuvor waren ukrainische Medien auf der Krim abgeschaltet worden. KritikerInnen der russischen Politik wurden bedroht, angegriffen und entführt.
Die neue Regierung in Kiew muss eine politische Lösung für das Land finden und diejenigen einbeziehen, die an der Suche nach einer solchen friedlichen und konstruktiven Lösung interessiert sind. Wir Grüne stellen das Recht der Ukraine, ihre Städte und die darin lebende Bevölkerung gegen die gewaltverbreitenden Moskau-treuen Gruppen zu beschützen, nicht in Frage. Gleichzeitig appellieren wir an die Regierung in Kiew, deeskalierend zu wirken und ihre Bereitschaft zu einem erneuten Waffenstillstand zu signalisieren.
Russland verfügt ohne Zweifel über Möglichkeiten, das Treiben der bewaffneten Gruppen in den östlichen Landesteilen der Ukraine zu beenden. Die russische Führung muss ihre Destabilisierungspolitik in der Ukraine beenden, das Einsickern von Bewaffneten und Kriegsmaterial über die Grenze in die Ukraine unterbinden und sich deutlich von den bewaffneten Gruppen distanzieren. Wir Grüne unterstützen die Versuche der Bundesregierung, die Beteiligten zu einer Fortsetzung des gemeinsamen Dialogs zu bewegen. Daneben sollten weitere Dialogforen in der Ukraine (Runde Tische, regionale und kommunale Foren) auf den Weg gebracht werden.
Mit freundlichen Grüßen,
Omid Nouripour