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Oliver Kaczmarek
SPD
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Frage von Winfried B. •

Frage an Oliver Kaczmarek von Winfried B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen

Sehr geehrter Herr Kaczmarek,

welche Maßnahmen ergreift die deutsche Politik bzw. die Bundesregierung um der Flüchtlingsflut Herr zu werden? Mir sind keine Konzepte bekannt. Vielleicht können Sie mir da weiterhelfen. Oder gibt es noch keine Pläne?

Ich bin erstaunt, dass z.B. die Flüchtlingszahlen ständig nach oben korrigiert werden müssen (jetzt von 800.00 auf mindestens 1.500.00 allein für 2015). Welche vorausschauende Politik kann uns Bürgern plausibel erklären, was für Maßnahmen getroffen werden? Täuscht mich mein Eindruck, dass die Politik zur Zeit total überfordert ist? Die mit der Flüchtlingsproblematik einhergehenden Probleme müssen hier vor Ort bewältigt werden. Welche Schritte sind angedacht und wie werden sie umgesetzt? Wie wollen Sie dem Glaubwürdigkeitsverlust der Politik begegnen? Sind Ihnen die Sorgen und Ängste Ihrer Wählerinnen und Wähler überhaupt bekannt? Wäre es nicht sinnvoll, wenn Sie sich den Fragen direkt in Ihrem Wahlkreis stellen würden?

Wieviele Flüchtlinge kann Deutschland überhaupt aufnehmen? 1 Million, 5 Millionen, 10 Millionen?

Ist Deutschland, respektive Europa, in der Lage, seine Grenzen vor dem Ansturm illegaler Einwanderer zu schützen? Was in letzter Konsequenz bedeutet, Machtmittel, also Gewalt, einzusetzen? Ist das denkbar?

Wie wollen Sie die Fluchtursachen im Nahen und mittleren Osten bekämpfen? Welche Auswahlkriterien für die Zuwanderung – analog zu den angelsächsischen Ländern – gibt es in Deutschland? Gibt es überhaupt welche? Oder sind sie nicht gewollt? Haben Sie Ideen, wie die Beseitigung der Fluchtursachen aussehen könnte? Gibt es schon konkrete Schritte? Wie sehen die im einzelnen aus? Wie wird das finanziert? Welche Kontrollen werden eingebaut? Warum wurden die Mittel für die UNHCR-Flüchtlingshilfe in der Vergangenheit massiv gekürzt? Wird das revidiert?

Wie Sie sehen, es gibt viele Fragen. Nur die Antworten fehlen.

mfg
Winfried Busch

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SPD

Sehr geehrter Herr Busch,

vielen Dank für Ihre Fragen zur Flüchtlingspolitik.

Derzeit befinden sich weltweit knapp 60 Millionen Menschen auf der Flucht vor Krieg, Terror und Verfolgung. Das ist die höchste Zahl, die jemals verzeichnet wurde. Den größten Teil – 38,2 Millionen – bilden die sogenannten Binnenvertriebenen. Sie fliehen innerhalb ihres eigenen Landes, ohne dabei internationale Landgrenzen zu überschreiten. Die zweite Gruppe sind die 19,5 Millionen Flüchtlinge sowie 1,8 Millionen Asylsuchende, die noch auf den Ausgang ihres Asylverfahrens warten. Neun von zehn Flüchtlingen (86 Prozent) leben in Entwicklungsländern, da die meisten Flüchtlinge lediglich in ein angrenzendes Nachbarland fliehen. Nur ein geringer Teil aller Flüchtlinge schafft es überhaupt nach Deutschland und Europa.

Die momentane Zahl der Schutzsuchenden stellt zwar den Bund, die Länder und Kommunen und die gesamte Gesellschaft vor große Herausforderungen. Jedoch haben Bund und Länder eine Reihe von Maßnahmen beschlossen, mit der der aktuellen Asyl- und Flüchtlingssituation begegnet werden soll.

Um Fluchtursachen in den Herkunftsländern zu bekämpfen, werden die entsprechenden Mittel aufgestockt. Um die Länder und Kommunen zu entlasten, zahlt der Bund den Ländern ab 2016 eine Pauschale von monatlich 670 Euro pro Asylbewerber für die Dauer des Verfahrens und im Fall der Ablehnung einen Monat darüber hinaus und beteiligt sich an der Versorgung von unbegleiteten Minderjährigen Flüchtlingen zusätzlich mit 350 Mio. Euro jährlich. Die Dauer von Asylverfahren soll auf durchschnittlich drei Monate verkürzt werden. Um der angespannten Lage auf dem Wohnungsmarkt entgegenzuwirken und bezahlbaren Wohnraum für alle Menschen in Deutschland zu schaffen, werden u.a. 500 Mio. Euro für den sozialen Wohnungsbau bereitgestellt. Für ein Sonderprogramm des Bundesfreiwilligendienstes in der Flüchtlingsarbeit werden 10.000 neue Stellen geschaffen.

Ich bin sehr häufig zu dem Thema im Wahlkreis unterwegs und führe mit ehrenamtlichen Helferinnen und Helfern als auch allen Interessierten Gespräche über die Flüchtlingssituation. Ich befinde mich außerdem im ständigen Austausch mit den relevanten Akteuren auf Kommunal- und Landesebene, sowohl aus der Politik als auch aus der Zivilgesellschaft, um die neuesten Entwicklung in der Flüchtlingspolitik konstruktiv zu begleiten.

Die Bundesregierung und insbesondere der Außenminister Frank-Walter Steinmeier arbeiten an der Bekämpfung der Fluchtursachen. Dies ist aber keine Aufgabe, die Deutschland alleine bewältigen kann. Dazu sind handlungsfähige Vereinte Nationen unabdingbar. Sie sind ein unersetzliches Instrument für die gemeinsame Arbeit der Nationen an einer gerechteren und sicheren Weltordnung. Dazu müssen wir aber auch die VN-Hilfsorganisationen wie UNHCR und das World Food Programme mit den nötigen Mitteln ausstatten. Die Geberländer sind in der Pflicht zunächst die versprochenen Gelder zur Verfügung zu stellen, was bisher noch nicht geschehen ist. Die Unterfinanzierung ist leider so dramatisch, dass die täglichen Essensrationen auf die Hälfte gekürzt worden sind, geflüchteten Kindern der Schulbesuch nicht ermöglicht werden kann und lebensrettende Gesundheitsmaßnahmen gekürzt wurden. Es ist nicht verwunderlich, wenn die Flüchtlinge, die eigentlich gerne in ihre Länder zurückkehren wollen würden, die Flüchtlingslager verlassen und sich auf den Weg nach Europa machen.

Zu Ihrer Frage, ob Deutschland sich dem Ansturm der Flüchtlinge auch mit Gewalt entgegen stellen würde, kann ich klar sagen, dass ich dies ablehne. Die Flüchtlinge sind nicht vor Krieg und Vertreibung geflohen, um dann erneut von bewaffneten Soldaten vertrieben zu werden. Ich glaube unabhängig davon auch nicht, dass die vollständige Kontrolle von mehreren tausend Kilometern Grenzverlauf schlicht nicht möglich ist.

Unsere Gesellschaft altert und schrumpft. In den nächsten Jahrzehnten werden deutlich weniger Menschen in unserem Land leben und zum Wohlstand beitragen können. Tatsache ist: Aufgrund der demographischen Entwicklung verlieren wir in den kommenden zehn Jahren bis zu 6,7 Millionen Erwerbsfähige. Dies ist aktuell die größte Herausforderung für unsere Volkswirtschaft, auf die wir Antworten geben müssen. Ziel muss es sein, den erwarteten Rückgang des von Fachkräften zu verhindern. Anderenfalls laufen wir Gefahr, unseren Wohlstand zu verlieren und unsere sozialen Sicherungssysteme nicht mehr finanzieren zu können. Rente und Gesundheitsversorgung sind nur sicher, wenn wir auch die demographische Lücke schließen.

Mit freundlichen Grüßen

Oliver Kaczmarek

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