Frage an Oliver Kaczmarek von Winfrie B. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sg. Herr Kaczmarek,
eine Abstimmung über neue Griechenland-Hilfen im Deutschen Bundestag wird es voraussichtlich in Kürze geben. Meine Frage an Sie, Herr Kaczmarek: Ist es wieder der Parteidisziplin geschuldet, dass vermutlich die meisten Abgeordneten der SPD – und vermutlich auch Sie - zustimmen werden? Ich möchte Sie bitten, nicht zuzustimmen. Denn die ganze Griechenland-Entwicklung hat gezeigt, dass eine Besserung nicht in Sicht ist. Der Schaden, den Frau Merkel und viele Politiker Deutschland zugefügt haben, geht in die Zig Milliarden, der europäische Gedanke ist irreparabel beschädigt . Bisher wurden Unsummen aus deutschen Steuermitteln – also von uns Bürgern – für Griechenland ausgegeben. Ein Fass ohne Boden. Derweil bleiben – aus angeblichem Geldmangel und auch wegen der „schwarzen Null“ – wichtige Anliegen in Deutschland liegen, z.B. Verbesserung bzw. Sanierung der maroden Infrastruktur, Schulbauten-Sanierungen; Fehler in der Vergangenheit in der Gesundheitspolitik werden nicht korrigiert, eine Reform der Sozialversicherung wäre in der Weise nötig, dass hier alle einzahlen und die unsolidarische Beitragsbemessungsgrenze abgeschafft wird. TTIP-Geheimverhandlungen: wo bleiben die Bedenken von Bürgern und Verbänden? Dabei sind die bisher bekannten Details alles andere als beruhigend. Im Gegenteil: EU-Standards stehen auf dem Spiel, eine einseitige Geheimgerichtsbarkeit soll installiert werden, um amerikanischen Unternehmen ihre Investitionen bzw. ihre Gewinne zu garantieren. Ich habe den Eindruck, dass wir Bürger zu wenig darüber informiert werden, wie die Position des Bundestages ist und wie die Abgeordneten den weiteren Verlauf der Verhandlungen mit beeinflussen können. Ich bin äußerst besorgt!
Sehr geehrter Herr Busch,
vielen Dank für Ihre Fragen, die ich sehr gerne beantworte.
Vor einer Woche stimmte der Bundestag über eine viermonatige Verlängerung der Griechenland Hilfen ab. Ich habe zugestimmt, weil ich der festen Überzeugung bin, dass es als weiterer wichtiger Schritt für die Überwindung der Krise notwendig ist. Der Zusammenbruch Griechenlands in der Eurozone konnte somit vorerst vermieden werden. Er hätte für Deutschland und die gesamte EU finanziell wie politisch immense Kosten nach sich gezogen.
Mit der viermonatigen Verlängerung gewinnen wir nun Zeit für die Beratungen über ein mögliches Nachfolgeprogramm. Ich möchte an dieser Stelle anmerken, dass, auch wenn es zu einer Verlängerung kommt, erst dann wieder Gelder an Griechenland fließen, wenn die Überprüfung des verlängerten Programms durch die Institutionen erfolgreich verläuft.
Insgesamt kann ich durchaus Fortschritte erkennen. Nach anfänglichen Schwierigkeiten hat auch die neue griechische Regierung sich zu den von ihren Vorgängern gemachten Zusagen bekannt. Die bisherigen Reformbemühungen der Griechen und die Zusagen der neuen Regierung, diesen Weg weiterzugehen und sich aktiv dem Kampf gegen Korruption und Steuerhinterziehung zu stellen, verdienen unsere Unterstützung.
Was die von Ihnen angesprochenen notwendigen Investitionen in Bildung und Infrastruktur in Deutschland angeht, kann ich Ihnen sagen, dass es diese für die Großen Koalition hohe Priorität haben. Auch ohne neue Schulden investieren wir in dieser Legislatur neun Milliarden Euro zusätzlich in die Bildung und Forschung. Ein Investitionsprogramm im Umfang von 10 Milliarden vorwiegend in Infrastruktur und Kommunen wurde in dieser Woche vereinbart.
Ihren Ärger hinsichtlich der bisherigen intransparenten TTIP-Verhandlungen kann ich nachvollziehen. Die SPD wirb nachdrücklich dafür die Verhandlungen transparenter zu gestalten und ist darauf bedacht, die Bürger in die Entscheidungsfindung miteinzubeziehen. Zu diesem Zweck hat die Partei kürzlich in Berlin auch eine Konferenz veranstaltet, in der Fragen gestellt und Bedenken geäußert werden konnten. Auf der Internetseite: http://www.spd-freihandelskonferenz.de/ können Sie die Fragen und Stellungnahmen auch persönlich einsehen. Wir wollen transparente Verhandlungen mit offenem Ergebnis führen, sollte es Schiedsgerichte geben dann nur in unabhängiger öffentlicher Form, aber ohne das Recht der Staaten auf Gestaltung zu untergraben, oder bestehende Standards aufzulösen.
Trotz aller Kritik halte ich es für sinnvoll, dass die Verhandlungen grundsätzlich geführt werden. Aufgrund der Globalisierung ist die Wirtschaft weltweit eng miteinander verknüpft. Mein Ziel als Sozialdemokrat ist es, dass nicht nur die Unternehmen davon profitieren, sondern auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich will unter anderem, dass die Arbeitsstandards weltweit angehoben und verbessert werden. Die Frage ist aber, wer diese Standards vorgibt. Eine gemeinsame Freihandelszone der USA und Europa wäre in der Lage, Maßstäbe zu setzen und Bedingungen für andere Ländern, die mit uns Handel treiben oder betreiben wollen, vorzugeben. Deswegen sage ich ja zu Verhandlungen, bin aber nicht bereit, das Ergebnis um jeden Preis zu akzeptieren.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Kaczmarek