Frage an Oliver Kaczmarek von Matthias M. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Kaczmarek,
zur Zeit ist das geplante Freihandelsabkommen TTIP in breiter Diskussion. Ich würde mich sehr freuen, wenn Sie mir einige Fragen, die ich zu diesem Thema habe, beantworten würden.
Wie stehen Sie zu diesem Plan? Fühlen Sie sich genügend informiert, um gegebenenfalls über diesen Vertrag abzustimmen, wo doch alle Verhandlungen und Vertragsinhalte geheim gehalten werden?
Wie stehen Sie zu der wohl geplanten Möglichkeit für Unternehmen gegen staatliche Gesetze klagen zu können und diese vor einem geheimen Schiedsgericht ohne Revisionsmöglichkeit zu verhandeln? Wie sehen Sie hierbei die Vereinbarkeit mit den Grundsätzen unseres Rechtssystems?
Wie sehen Sie Ihre Rolle als Legislative, wenn Gesetzesvorhaben zunächst mit dem Handelspartner abgestimmt werden sollen, bzw. als Handelshemmnis zu Klagen führen können?
Mit freundlichen Grüßen,
Dr. M. Michel
Sehr geehrter Herr Dr. Michel,
für Ihre E-Mail danke ich Ihnen. Die Sorge und Skepsis zum Handelsabkommen TTIP, das zweifelsohne weitreichende Auswirkungen haben wird, sind nachvollziehbar und berechtigt. Deshalb ist es richtig und wichtig, dass die Menschen in Deutschland wie in Europa mehr Transparenz und Mitsprache einfordern. Die SPD kann TTIP nur unter ganz bestimmten Voraussetzungen akzeptieren. Unsere Zustimmung für das Freihandelsabkommen kann es nur geben, wenn die europäischen Standards bei Arbeit, Soziales, Verbraucher- und Datenschutz, Ökologie und öffentlicher Daseinsvorsorge ohne Wenn und Aber erhalten bleiben. Die unabhängigen Schiedsgerichte kommen für mich nicht Betracht. Die SPD hat auf einem kleinen Parteitag im September letzten Jahres hierzu einen Beschluss gefasst, den Sie hier herunter laden können ( https://www.spd.de/scalableImageBlob/123760/data/20140920_parteikonvent_beschluss_ttip-data.pdf ). Im Juni werden die Delegierten erneut zu einem Bundesparteikonvent der SPD zusammenkommen und das Verhandlungsergebnis vor diesem Hintergrund bewerten.
Erwähnen will ich aber auch, dass Bundeswirtschaftsminister Sigmar Gabriel derjenige ist, der sich seit Beginn letzten Jahres für transparente Verhandlungen einsetzt. In den anstehenden Verhandlungen wird sich die SPD für die Durchsetzung der beschlossenen Ziele einsetzen und auch gegenüber unseren europäischen Partnern dafür werben. Dies tun auch unsere Abgeordneten im Europäischen Parlament im Rahmen der dortigen Verhandlungen.
Zu Ihren konkreten Fragen:
Transparente Informationen an den Bundestag
Alle Dokumente, die die EU-Kommission der Bundesregierung im Rahmen der TTIP-Verhandlungen übermittelt, wie etwa Positionspapiere und Berichte zu den Verhandlungsrunden, werden durch das Bundeswirtschaftsministerium an den Bundestag weitergeleitet. Zudem werden fortlaufend alle Berichte über die Sitzungen des Handelspolitischen Ausschusses in Brüssel, der sich mit den Verhandlungen über TTIP befasst, an den Deutschen Bundestag übermittelt. Die Bundesregierung beantwortet Fragen der Abgeordneten und entsendet Experten zu Beratungen in die Ausschüsse des Bundestages. Als Bundestagsabgeordneter fühle ich mich also weitgehend informiert und ich vertraue auf das Urteil meiner Kolleginnen und Kollegen, die fachlich in dem Thema verankert sind.
Investitionsschutz
Der Umfang der bisher getätigten Investitionen aus den USA in Deutschland und aus Deutschland in den USA spricht dafür, dass die Investoren den bestehenden Rechtsschutz in beiden Ländern als ausreichend erachten. Die EU-Kommission hat eine öffentliche Konsultation (Möglichkeit für Bürgerinnen und Bürger der EU ihre Meinung abzugeben) zum Thema Investitionsschutz und Investor-Staat-Schiedsverfahren in TTIP durchgeführt und die Verhandlungen in diesem Bereich dazu für drei Monate unterbrochen. Die Auswertung müsste jetzt bald vorliegen. Eine endgültige Entscheidung darüber, ob Investitionsschutzbestimmungen in das Abkommen aufgenommen werden, wird erst nach Evaluierung des Verhandlungsergebnisses durch die Mitgliedstaaten erfolgen. Deutschland setzt sich weiter dafür ein, dass dies nicht der Fall ist. Es muss auf jeden Fall ausgeschlossen werden, dass Regelungen zum Schutz von Gemeinwohlzielen, die rechtsstaatlich und demokratisch zustande kommen, ausgehebelt oder umgangen werden.
Es muss verhindert werden, dass z.B. ein Marktzugang, der solchen Regeln widerspricht, einklagbar wird.
Abstimmung im Bundestag
Die Bundesregierung geht davon aus, dass es sich bei TTIP um ein so genanntes Gemischtes Abkommen handeln wird, bei dem die Europäische Union und ihre Mitgliedstaaten Vertragsparteien sind. Es würde deshalb sowohl einer Ratifizierung auf europäischer Ebene als auch durch die Mitgliedstaaten bedürfen. Im Fall eines Gemischten Abkommens geht die Verabschiedung mit einem Verfahren der Ratifizierung des Abkommens durch die Mitgliedstaaten einher. Hier greifen die jeweiligen verfassungsrechtlichen Vorschriften. In Deutschland müssten dann Bundestag und Bundesrat zustimmen (Art. 59 des Grundgesetzes).
An dieser Stelle will ich aber auch einen der Gründe nennen, warum ich es trotz aller Kritik für sinnvoll halte, dass die Verhandlungen grundsätzlich geführt werden. Aufgrund der Globalisierung ist die Wirtschaft weltweit eng miteinander verknüpft. Mein Ziel als Sozialdemokrat ist es, das nicht nur die Unternehmen davon profitieren, sondern auch die Arbeitnehmerinnen und Arbeitnehmer. Ich will unter anderem, dass die Arbeitsstandards weltweit angehoben und verbessert werden. Die Frage ist aber, wer diese Standards vorgibt. Eine gemeinsame Freihandelszone der USA und Europa wäre in der Lage, Maßstäbe zu setzen und Bedingungen für andere Länder, die mit uns Handel treiben oder betreiben wollen, vorzugeben. Deswegen sage ich ja zu Verhandlungen, bin aber nicht bereit, das Ergebnis um jeden Preis zu akzeptieren.
Mit freundlichen Grüßen
Oliver Kaczmarek