Was bedeuten Ihnen humanistische Ideale und das Asylrecht? Schließen Sie sich dem "Im großen Stil abschieben"-Kurs Ihres Kanzlers an?
Sehr geehrter Herr Schmid,
ich frage mich, ob ich mit meiner Stimme einen Abgeordneten unterstütze, der im Zweifel auch gegen die eigene Fraktion für humanistische Werte eintreten würde und der das Menschenrecht auf Asyl verteidigt.
Herzliche Grüße.
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Sehr geehrter Herr B.,
grundsätzlich sollten wir der Zuwanderung aus Asyl- und Fluchtgründen auf allen Ebenen mit Humanität und Ordnung begegnen.
Das geschieht auch vielfach, denn unsere Gesellschaft - Behörden wie ehrenamtlich Engagierte - leisten seit Jahren sehr viel, um Geflüchtete aus humanitären Gründen aufzunehmen und zu integrieren. Es ist aber auch Aufgabe von politisch Handelnden, Akzeptanz in der Bevölkerung dafür zu erhalten, dass Menschen, die vor Krieg flüchten oder politisch verfolgt sind, bei uns integriert werden können. Dafür ist es notwendig, dass diejenigen, bei denen in rechtsstaatlichen Verfahren oder durch Gerichte festgestellt wurde, dass sie keinen Fluchtgrund im juristischen Sinne haben, dann auch das Land verlassen müssen.
Genau darum ging es Bundeskanzler Scholz, als er sich zu dem Thema im Magazin „Der Spiegel“ im Oktober 2023 in einem Interview geäußert hat, auf das Sie sich vermutlich beziehen.
Anders als einigen in der Union ging es dem Kanzler und der SPD nicht um härtere, restriktivere Gesetze, sondern um die schnellere Umsetzung geltenden Rechts und um den schnelleren Vollzug bereits ergangener Urteile. Das ist ein großer Unterschied. Die Diskussion, dass Geflüchtete, die sich hier integriert und als Mitarbeiter von Betrieben oder Pflegeeinrichtungen bewährt haben, dennoch abgeschoben werden, verfolge ich übrigens seit ich 1997 in den Landtag eingezogen bin.
Wiederholt habe ich mich daher persönlich für Betroffene in meinem Wahlkreis eingesetzt - leider oft vergeblich, weil die CDU hier seit jeher eine harte Linie verfolgt. Die SPD befürwortet schon seit langem eine gesetzliche Reform, die die Möglichkeit eines "Spurwechsels" enthält: Asylbewerber, die zwar kein Asyl erhalten, aber als Arbeitskräfte eine Aufenthaltserlaubnis erhalten hätten können und sich an die Regeln gehalten haben, sollen nicht abgeschoben werden, sondern in die Arbeitsmigrationsspur wechseln können.
Ich war daher froh, dass ich als Bundestagsabgeordneter in der jetzt ablaufenden Wahlperiode an einer solchen Reform der Migrationspolitik mitwirken konnte. Um eine nachhaltige politische Lösung zu schaffen, hat die SPD das Chancenaufenthaltsrecht vorangetrieben. Geflüchtete, die schon lange hier sind, Arbeit haben und integriert sind, sollen die Chance bekommen, ein reguläres Bleiberecht zu bekommen. Dies war, nach Jahren der Blockade durch die Union, ein echter Meilenstein. Dazu kommt, dass wir legale Wege der Zuwanderung geschaffen haben. Das ist ganz entscheidend, weil so eine Perspektive jenseits lebensgefährlicher Fluchtwege eröffnet wird.
Asyl- und Migrationspolitik wie die SPD sie versteht, hat daher auch nichts mit den menschenverachtenden Forderungen der AfD zu tun, vor deren rassistischen und antidemokratischen Zielen ich schon als SPD-Spitzenkandidat im Landtagswahlkampf 2015/16 gewarnt habe.
Daher haben wir uns in der vorletzten Woche im Bundestag auch klar gegen die Pläne von Friedrich Merz zur Migrationspolitik gestellt; zum einen, weil diese Pläne in Teilen gegen Europa-, internationales und Verfassungsrecht verstoßen, zum anderen, weil klar war, dass er damit die Tür zur Mitwirkung einer in Teilen rechtsextremen Partei an der Verabschiedung so wichtiger Gesetze aufstoßen würde; um Integration gut zu steuern, braucht es aber eben nicht menschenverachtende Parolen und Pauschalurteile, sondern Menschlichkeit und sachliches Augenmaß.
Um diese Position im Bundestag zu stärken, brauchen wir entsprechende parlamentarische Mehrheiten, über die die Wählerinnen und Wähler am 23. Februar entscheiden.
Mit freundlichen Grüßen
Nils Schmid