Nicole Gohlke
Nicole Gohlke
DIE LINKE
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Frage von Mario S. •

Frage an Nicole Gohlke von Mario S. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen

Sehr geehrte Frau Gohlke,

ich lebe in München und habe einige Bekannte die Hartz4 Empfänger sind. 2 Bekannte suchen aktuell nach einer Wohnung. Das Problem: Es werden nur Wohnungen bis 744€ in München bezahlt. Solche Wohnungen gibt es aber in München nicht mehr. Wie kann solchen Menschen geholfen werden, wenn "Sozialwohnung" Wartelisten so lange sind, dass man 5 Jahre auf eine Wohnung warten muss?

Das Problem: Menschen die aus anderen Ländern kommen, haben Wohnheime . . . bekommen sogar Wohnungen . . . die Stadt München bezahlt Millionen für Gebäude samt Reinigungskräfte für Flüchtlinge. Aber ein deutscher, der in diesem Land schon gearbeitet hat, muss auf der Straße leben?!

Warum sind die regierenden Parteien dermaßen blind und von sich selbst überzeugt, diese tatsächlichen Probleme nur als nicht wirklich existent abzutun? Ist der hohe Preis von Wohnungen GEWOLLT, das sich ein Hartz4 Empfänger keine Wohnung mehr leisten KANN in München?

Warum existiert in München keine Mietpreisbremse, das Wohnungen bezahlbar bleiben? Ich selbst bin vor 3 Jahren in meine Wohnung eingezogen (900€ warm). Mittlerweile kostet die selbe Genossenschaftswohnung 1600€ kalt! Sind das nicht Probleme die einer dringenden Lösung bedürfen?

Wie wollen SIE als Partei eine Lösung für diese Probleme finden? Was wäre ihr Vorschlag? Würde dein bedingungsloses Grundeinkommen nicht viele Probleme für eine Menge der Menschen vereinfachen?

Nicole Gohlke
Antwort von
DIE LINKE

Sehr geehrter Herr S.,

die von Ihnen beschriebenen Zustände sind skandalös. Als LINKE Bayern und auch bundesweit setzen wir uns seit unserem Bestehen dafür ein, dass die ständigen Mietsteigungen gestoppt werden. Arme, Studierende, Menschen mit geringem Einkommen, Rentnerinnen und Rentner werden geleichermaßen aus den Innenstädten verdrängt.
Die Immobilienpreise und Mieten steigen, weil immer mehr Immobilienfonds und Miethaie nach neuen Profitmöglichkeiten suchen. Sie kaufen Mietshäuser und „modernisieren“ die Mieter hinaus: Die Bestandsmieten steigen bei Neuvermietung und bei der Umwandlung in Eigentumswohnungen winken große Gewinne. Die Bundesregierungen der letzten Jahre, aber auch die CSU Landesregierung, haben diese Entwicklung in ihrer Gesetzgebung unterstützt. Der Bestand an günstigen Sozialwohnungen ist in Bayern kontinuierlich gesunken. 1988 gab es noch 495 000 Wohnungen mit Miet- und Belegungsbindungen – heute sind es nur noch 140 000.
Einen Ausweg aus der Situation bietet für mich nicht das bedingungslose Grundeinkommen, sondern nur wenn wir der Bodenspekulation und der Spekulation mit Wohnen einen Riegel vorschieben, können wir die explodierenden Mieten stoppen. Wir brauchen eine neue Wohngemeinnützigkeit als Kernbestandteil einer sozialen und nachhaltigen Wohnungspolitik.

In unserem Programm für die bayerische Landtagswahl haben wir deshalb folgende Forderungen beschlossen:

· Viele Menschen wehren sich gegen Mieterhöhung, Verdrängung und Zwangsräumungen. DIE LINKE steht an ihrer Seite. Wir wollen, dass Mieterinnen und Mieter mehr Mitsprache erhalten oder ihre Häuser gemeinschaftlich übernehmen können (kollektives Vorkaufsrecht).

· Wir fordern, dass der öffentliche, soziale und gemeinnützige Wohnungsbau ausgebaut wird. Günstige Mieten für mittlere und untere Einkommen müssen realisiert werden, deshalb fordern wir den Bau von jährlich mindestens 40 000 Sozialwohnungen mit dauerhafter Zweckbindung in Bayern. Dazu bedarf es der Bereitstellung notwendiger finanzieller Mittel für die Kommunen durch das Land.

· Wir fordern einen gesetzlichen Rahmen für die Einführung einer verbindlichen und ausreichenden Quote an sozialgebundenen Wohnungen.

· Um günstigen Wohnraum zu erhalten, fordern wir ein Landesprogramm für Altbausanierung.

· Wir wollen, dass Eigentumsformen gefördert werden, die nicht primär auf Gewinnwirtschaft ausgerichtet sind, wie z.B. Genossenschaften, gemeinnützige Organisationen und Kommunen.

· Wir wollen eine Ergänzung aller Förderregeln um die Punkte Barrierefreiheit und Klimagerechtigkeit.

· Wir fordern die drastische Erhöhung der finanziellen Landesmittel zum Bau von Wohnheimplätzen für Studierende und Azubis samt einer dauerhaften Zweckbindung.

· Die Mieterinnen und Mieter brauchen eine Erhöhung des Wohngeldes. Die öffentliche Hand darf nicht die privaten Gewinne der Wohnungsbesitzer nähren – deshalb wollen wir den Mietendeckel. Das Wohngeld muss auf die Bruttowarmmiete bezogen werden. Wir wollen den Heizkostenzuschlag wieder einführen und eine Klima-Komponente bei Wohngeld und Kosten der Unterkunft.

· Geflüchtete dürfen nicht zum Sündenbock für die Mängel der Wohnungspolitik gemacht werden. In einer sozialen Offensive für alle können wir gutes Wohnen für alle schaffen. Wir wollen die Unterbringung von Geflüchteten in Massenunterkünften beenden und dezentral organisieren.

· Wir fordern die Wiedereinführung des Wohnungsaufsichtsgesetzes, das in Bayern 2004 abgeschafft wurde. Dies ermöglicht den Kommunen gegenüber Vermietern einzugreifen, um eine Beseitigung von groben Mängeln wie Verwahrlosung oder Überbelegung von Wohnraum zu erzwingen.

· Wir fordern von der bayerischen Staatsregierung, dass sie sich für eine echte Mietpreisbremse einsetzt. Die Mietpreisbremse muss flächendeckend, unbegrenzt und ausnahmslos gelten und Höchstgrenzen einhalten.

· Die Modernisierungsumlage wollen wir abschaffen. Für kleine Vermieter sollen günstige staatliche Darlehen zur Verfügung gestellt werden, damit sie notwendige Modernisierungen stemmen können.

· In vielen Dörfern und Kleinstädten werden neue Wohngebiete im Außenbereich ausgewiesen. Dies führt zum Flächenfraß. Die Ortskerne verfallen und leeren sich. Das Land Bayern muss finanzielle Mittel zur Sanierung und zum Erhalt der Orts- und Dorfkerne bereitstellen.

· Städte sind lebenswert, wenn die Menschen sie mitgestalten können. Es braucht mehr Mitsprache bei Stadtumbauprojekten, innerstädtischen Nachverdichtungen und bei großen Neubauvorhaben.

· In Ballungsräumen soll ein kompakter, aber individueller und bezahlbarer Wohnraum geschaffen werden, statt einen flächenfressenden und zersiedelnden Eigenheimbau zu fördern.

· Der Mietspiegel darf kein Mieterhöhungsspiegel sein. Alle Mieten müssen in die Berechnung einfließen und nicht nur die der letzten vier Jahre. Für Städte ab einer Bevölkerung von 25 000 werden Mietspiegel verpflichtend. Die Kommunen erhalten hierfür finanzielle Unterstützung durch das Land Bayern.

· Die Ausweisung von beschränkten Milieuschutzgebieten ist ein stumpfes Schwert und hilft nicht gegen Mietervertreibung (Gentrifizierung) und Umwandlung von Miet- in Eigentumswohnungen. Milieuschutzgebiete hätten nur dann eine dämpfende Wirkung, wenn sie für eine ganze Stadt gelten würden. Nur die Abschaffung der Modernisierungsmieterhöhung und ein generelles Umwandlungsverbot von Miet- in Eigentumswohnungen ist eine nachhaltige Lösung.

· Zweckentfremdung von Wohnraum wollen wir mit einem Zweckentfremdungsverbot und hohen Abgaben für Leerstand und kommerzieller Vermietung als Ferienwohnung stoppen. In Kommunen mit angespannter Wohnsituation dürfen Wohnungen nicht aus Spekulationsgründen dauerhaft leer stehen. Mietwohnungen dürfen nicht kommerziell als Ferienwohnungen angeboten werden.

· Vermieter, die gegen die Regelungen zu Mietendeckel, Mietpreisbremse oder Milieuschutz verstoßen, müssen bestraft werden. Wir brauchen ein Register, das Transparenz über die bisherige Miete herstellt und den Datenschutz der Mieterinnen und Mieter berücksichtigt. Mietwucher muss endlich wirkungsvoll geahndet werden.

· Die Umsetzung des Mieterschutzes, von Mietspiegel, Milieuschutz und Verbot von Entmietung und kommerziellen Ferienwohnungen muss wirksam kontrolliert werden. Dafür wollen wir auf Landesebene eine Sonderkommission „Gerecht Wohnen“ und eine öffentliche Beschwerdestelle schaffen.

· Öffentlicher Boden darf nicht privatisiert, sondern nur im Erbbaurecht vergeben werden; kommunale und genossenschaftliche Nutzung wird bevorzugt. Das betrifft vor allem landeseigene Liegenschaften.

· Die Regelung, dass nach Ablauf der Frist von zehn Jahren auf Gewinne aus Immobilienverkäufen keine Steuern bezahlt werden müssen, wollen wir abschaffen. Gewinne, die durch Spekulation und Immobilienverkäufe entstehen, müssen deutlich stärker besteuert werden.

· Wir wollen ein neues Bodenrecht. Ohne Bodenpreisdeckelung wird es keine wirksame Mietpreisdeckelung geben. Veräußerungsgewinne aus Bodenpreissteigerungen müssen abgeschöpft und für sozialen, kommunalen und genossenschaftlichen Wohnungsbau verwendet werden.

· Wir wollen Wohnungen zurück in die öffentliche Hand bringen. In erster Linie Kommunen, aber auch Genossenschaften und Mietergemeinschaften wollen wir den Rückkauf von Wohnungen ermöglichen und durch die öffentliche Hand fördern. Dafür soll ein Re-Kommunalisierungsfonds aufgelegt und ein kommunales Vorkaufsrecht gestärkt werden.

· In öffentlichen und privaten Unternehmen müssen demokratische Mieterräte gewählt werden. Mieterinnen und Mieter müssen an allen wichtigen Entscheidungen des Unternehmens beteiligt werden. Die Ergebnisse von Aufsichtsratssitzungen öffentlicher Unternehmen müssen öffentlich zugänglich sein. Mietervereine müssen ein Verbandsklagerecht erhalten. Wir wollen diese Forderungen in einem bundesweiten Mietermitbestimmungsrecht verankern, das für alle Wohnungsgesellschaften, öffentlich und privat, gleichermaßen gilt. Auch Genossenschaften wollen wir demokratisieren. Um die Gründung von kleinen Genossenschaften für kooperative und / oder altersgerechte Wohn- und Kulturprojekte zu erleichtern, wollen wir eine besondere Rechtsform im Genossenschaftsrecht einführen (Rechtsform der haftungsbeschränkten Kooperationsgesellschaft).

· Gewerbemieten: Es braucht einen landesweiten Mietspiegel für Gewerbeflächen und einen Kündigungsschutz für Gewerbetreibende und gemeinnützige Vereine. Die Vermieter haben beim Abschluss von Gewerbemietverträgen bisher weitgehend freie Hand. Sie können die Mietverträge befristen, ohne dass dafür besondere Gründe vorliegen. Gewerbemieten müssen auch begrenzt werden, um eine wohnortnahe Versorgung mit Einkaufsmöglichkeiten sowie Kitas und Vereine zu erhalten. Das Mietrecht für Gewerbemietverträge muss geändert werden. DIE LINKE will, dass Mietverhältnisse mit sozialen Zielstellungen (etwa Kinderladen, Wohnprojekt, Physiotherapiepraxis) künftig einem besonderen Mietrecht unterliegen, das vor willkürlicher Kündigung schützt, längere Kündigungsfristen und nur begrenzte Möglichkeiten der Mieterhöhung vorsieht. Dafür wollen wir eine Bundesratsinitiative.

· Obdachlosigkeit: Bisher wird Wohnungslosigkeit in Bayern nicht offiziell dokumentiert. Wir wollen – gemeinsam mit den Sozialverbänden – eine bayerische Wohnungsnotfallstatistik. So können Ausmaß, Ursache und Verlauf von Wohnungslosigkeit erfasst werden. Zudem wollen wir ein Gesamtkonzept gegen Wohnungs- und Obdachlosigkeit. Die Institutionen der Wohnungslosenhilfe müssen finanziell gestärkt werden. Wir wollen Zwangsräumungen verhindern. Eine Räumung in die Obdachlosigkeit wollen wir gesetzlich ausschließen. Das Recht auf Wohnen steht in der bayerischen Verfassung.

· Mit Share Deals umgehen große Investoren die Grunderwerbsteuer. Kommunen und Ländern werden damit Einnahmen in Millionenhöhe vorenthalten. Wir wollen sie – ohne Ausnahme – abschaffen und streben eine entsprechende Bundesratsinitiative an.

· Leerstand zu Mietwohnungen! In angespannten Wohnlagen dürfen leer stehende Wohnungen nicht von der Steuer abgeschrieben werden. Das setzt die falschen Anreize. Angesichts der aktuellen Notlage gilt: Wohnraum oder als Wohnraum nutzbarer Gewerberaum, der aus Spekulationsgründen oder ähnlichem leer steht oder zweckentfremdet wird, muss beschlagnahmt und einer obligatorischen Zwischennutzung zugeführt werden. Zivilgesellschaftliche Initiativen, die sich mit Mitteln des zivilen Ungehorsams für eine zweckgemäße Nutzung von Wohnraum einsetzen („Besetzungen“), müssen legalisiert werden.

Mit freundlichen Grüßen
Nicole Gohlke

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