Frage von Renate M. •

weitere Frage zu Ungerechtigkeiten in der freiwilligen GKV: gesetzliche Alters-Rente gilt als zusätzliches Einkommen und wird wird doppelt verbeitragt

Liebe Frau Gohlke, auch ich wundere mich über so Manches in der freiwilligen GVK. Meine Situation: Ich bin freiw. gesetzl versichert, weil ich (keine üppige) Witwenrente vom ärztlichen Versorgungswerk meines Mannes erhalte. Ich erfuhr nun, dass meine Altersrente nun auch noch on top voll als Einkommen gilt und nicht, wie erhofft, mit 7,3 % verbeitragt wird. Ich pflege seit Jahren meine betagten Eltern. Diese Pflegezeiten werden nicht in die 9/10 Regel mit einberechnet, nach der man in die KVdR wechseln könnte, wenn man in der zweiten Hälfte seines Erwerbslebens zu mind. 90 Prozent Mitglied einer GKV war. Ich habe keine Möglichkeit, zusätzlich einer Tätigkeit im Angestelltenverhältnis nachzugehen und übe deswegen auf geringfügiger Basis einen Online-Job als Honorardozentin aus. Zur Not kann ich das f.d. Pflege kurz unterbrechen.

Ich kann wg. d. Pflege nicht i.d. KVdR wechseln und meine Altersente gilt nun on top als Einkommen! Bitte setzen Sie sich auch diesbezügl. ein! MfG RM

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Antwort von
Die Linke

Sehr geehrte Frau M.

 Vielen Dank für Ihre Frage!

Ja, auch diejenigen, die sich professionell mit den Regelungen rund um die komplexe Abgrenzung von PKV und GKV beschäftigen, haben nicht immer gleich die richtige Antwort parat. Die 9/10-Regel besagt, dass nur diejenigen GKV-Versicherten in die Krankenversicherung der Rentner (KVdR) kommen, die mindestens 9/10 ihrer zweiten Lebensarbeitshälfte in der GKV versichert waren. Dabei spielt es keine Rolle, ob man in der Zeit freiwillig oder pflichtversichert war. Trifft dies auf einen GKV-Versicherten nicht zu, so kann er nicht in die KVdR und muss sich freiwillig versichern. Das bedeutet dann, dass nicht nur auf die Rente, sondern auch auf andere Einkommen Kranken- und Pflegeversicherungsbeiträge erhoben werden - auf diese Einkommensteile dann auch der volle Beitragssatz ohne Zuschuss der Rentenversicherung (Pflegeversicherungsbeiträge immer der volle Satz).

 Die Linke hat dies schon seit vielen Jahren stets kritisiert. Zum einen ist diese Regelung sehr starr, da sie eine "Alles oder nichts"-Regelung ist, bei der ein Tag schon den drastischen Unterschied machen kann. Zum anderen ist den meisten Versicherten die Regelung in der Zeit ihres Erwerbslebens überhaupt nicht bewusst und auch provisionsgetriebene Versicherungsvermittler*innen klären darüber oft nicht auf. Innerhalb des dualen Systems aus PKV und GKV hat diese Regelung ja durchaus eine Begründung, nämlich dass sie versucht, eine Belastung des solidarischen gesetzlichen Systems zu vermeiden, wenn sich PKV-Versicherte relativ kurz vor dem Ruhestand erst für die GKV entscheiden. Aber: Letztlich sind wir der Meinung, dass die Folgen der politischen Entscheidung für dieses unsinnige duale System aus PKV und GKV nicht auf den Rücken der Versicherten abgeladen werden dürfen.

 Die sauberste Lösung wäre die Abschaffung der PKV, denn ein Nebeneinander von zwei Systemen, bei denen eines Beiträge nach Risiko erhebt (das im Alter steigt) und das andere Beiträge nach Einkommen (das mit Rentenantritt regelmäßig sinkt, es sei denn man hat noch andere Einkommensarten), verursacht immer mehr oder weniger große Ungerechtigkeiten, egal, wie man es konkret regelt. Leider sind wir die einzige Fraktion im Bundestag, die sich konsequent für die Abschaffung der PKV einsetzt. Für eine Reform der 9/10-Regelung sind wir aber dennoch sehr offen.

 Einen kleinen Lichtblick gab es übrigens zu einem besonders ungerechten Detail dieser Regelung, das wir auch jahrelang kritisiert haben: Für jedes leibliche, Adoptiv- oder Pflegekind werden seit 2017 pauschal drei Jahre auf die Vorversicherungszeiten angerechnet. Denn nicht selten waren es Erziehungszeiten, die dann in der PKV des Ehegatten verbracht wurden, die für einen Ausschluss aus der KVdR gesorgt hatten.

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Die Linke