Können Sie verantworten, das in der EU bereits abgestimmte Lieferkettengesetz im letzten Moment noch zu verhindern zum politischen Schaden von Deutschland?
Sehr geehrter Herr H.,
vielen Dank für Ihre Nachricht.
In den vergangenen Wochen wurde politisch intensiv über den Vorschlag der Europäischen Kommission zu einer Lieferketten-Richtlinie diskutiert und die geplante Abstimmung vertagt. Das zeigt, dass es im Rat keine hinreichende demokratische Mehrheit dafür gibt. Neben Deutschland war auch aus vielen weiteren Mitgliedsländern deutliche Kritik zu vernehmen.
In der vorliegenden Form ist die Richtlinie für uns aus verschiedenen Gründen nicht zustimmungsfähig. Unsere Vorbehalte sind im Übrigen nicht neu. Das vorgesehene Regelwerk ist ein teures Misstrauensvotum gegen die Wirtschaft - vor allem für kleine und mittelständische Unternehmen. Es würde in der aktuellen Form die Wettbewerbsfähigkeit der deutschen und der europäischen Wirtschaft bedrohen, ohne einen nennenswerten Mehrwert für Menschenrechte und die Umwelt zu leisten.
Es ist grundsätzlich eine sehr lobenswerte Idee, mit einer EU-Lieferkettenrichtlinie Menschenrechte zu stärken, Arbeitnehmerrechte zu garantieren und die Umwelt besser zu schützen. Die Umsetzung verfehlt jedoch leider ihr Ziel. Man kann von Unternehmen nicht erwarten, das zu schultern, was politisch unter Staaten nicht gewährleistet werden kann.
Wir haben uns aktiv in den Verhandlungsprozess eingebracht und eigene Verbesserungsvorschläge vorgelegt. Das Ansinnen der Richtlinie stellen wir nicht infrage. Derzeit droht sie ihr Ziel jedoch sogar zu konterkarieren. Unternehmen würden durch weitreichende Haftungsregeln für sie nicht kontrollierbaren Risiken ausgesetzt. Wenn sich Unternehmen deshalb aus Sorge vor Strafzahlungen aus den Ländern zurückziehen, die von Investitionen aus Deutschland am meisten profitieren würden, ist niemandem geholfen – im Gegenteil. Es ist davon auszugehen, dass die Marktlücke, die europäische und deutsche Unternehmen hinterlassen, vielfach von jenen Staaten gefüllt wird, die sich nicht an hohe Standards gebunden fühlen. Das würde in Bezug auf die Einhaltung von Menschenrechten, Arbeitsstandards und Umweltschutzzielen mehr Schaden anrichten als Nutzen bringen.
Mit der Umsetzung der Richtlinie kämen zudem zusätzliche Bürokratiekosten von ca. 100 Mio. Euro pro Jahr auf Unternehmen in Deutschland zu. Gerade die Mittelständler wären von dieser Bürokratie überproportional betroffen. Anders als Großunternehmen haben sie oft keine Kapazitäten, um die komplizierten Regelungen und Berichtspflichten umzusetzen.
Als FDP setzen wir uns in Deutschland, Europa und der Welt für Freiheit, den Schutz der Menschenrechte, Wohlstand und eine starke Wirtschaft ein. Wir brauchen Impulse für Wachstum, Wettbewerbsfähigkeit und wirtschaftliche Dynamik. Um diese Ziele zu erreichen, müssen Politik und Wirtschaft Hand in Hand arbeiten und Erwartungen dort adressieren, wo sie auch erfüllt werden können.
Bitte zögern Sie nicht, sich bei weiteren Fragen und Anliegen auch in Zukunft auf mich zuzukommen.
Mit freundlichen Grüßen
Nicole Bauer MdB