Frage an Monika Grütters von Martin H. bezüglich Bildung und Erziehung
Sehr geehrte Frau Prof. Grütters,
wie stehen sie persönlich zur Neutralität stattlicher Schulen, die Ausübung und/oder öffentlichen Darstellung einer beliebigen Religion betreffend?
Ist die Anbringung von Kruzifixen in Klassenzimmern oder das Tragen eines Kopftuches, als Ausdruck einer entsprechenden Religiosität, mit der staatlichen Neutralität vereinbar?
Ist die klare Trennung von Kirche und Staat, in unserem Land gefährdet?
Im Voraus Vielen Dank, für die Beantwortung dieser Fragen.
Hochachtungsvoll
Martin Halweg
Sehr geehrter Herr Halweg,
vielen Dank für Ihre Frage. Mir ist die Neutralität staatlicher Schulen ein wichtiges Anliegen. Dabei heißt das für mich auch und gerade als praktizierende Katholikin aber nicht, dass die Schule generell ein gänzlich religionsfreier Ort sein sollte. Zur Frage des Kruzifixes und des Kopftuchs an deutschen Schulen gibt es höchstrichterliche Urteile, die das Verhältnis zum staatlichen Neutralitätsgebot rechtsverbindlich geklärt haben.
Grundsätzlich spielen Religion und religiöser Glaube aber eine wichtige Rolle in unserer Gesellschaft. Das gilt nicht nur für die vielen Menschen, die selbst ein Glaubensbekenntnis abgelegt haben und ihre Religion aktiv praktizieren. Auch für viele andere Menschen sind die Kirchen, Moscheen und anderen Gotteshäuser ein wichtiger gesellschaftlicher Treffpunkt.
Hinzu kommt das oftmals große Engagement der Religionsgemeinschaften zum Beispiel im Bereich Pflege, aber auch in der Jugend – und Sozialarbeit. Ohne ein religiöses Basiswissen ist das Funktionieren unserer Gesellschaft grundsätzlich auch nicht verstehbar. Heutige Regelungen zu Sonn – und Feiertagen entspringen etwa der christlich-abendländischen Tradition, die die nationale Identität unseres Landes insgesamt maßgeblich mitgeprägt hat.
Auch deshalb habe ich mich im Rahmen des Volksentscheides für die Initiative „Pro Reli“ eingesetzt, die Berliner Schülerinnen und Schülern die Möglichkeit einräumen wollte, sich frei zwischen den Optionen Religionsunterricht und Ethikunterricht entscheiden zu können. Denn Religionsunterricht kann einen unverzichtbaren Beitrag zur religiösen, sozialen, ethischen, kulturellen und emotionalen Bildung von Schülerinnen und Schülern leisten und damit zum Gelingen von personaler Identitätsbildung beitragen. Er trägt in entscheidender Weise zur Pflege und Weiterentwicklung des kulturellen Gedächtnisses der Gesellschaft bei. Anders als der Ethikunterricht sucht der Religionsunterricht Antworten auf „letzte Fragen“, auf Fragen nach Geburt, Tod und Menschwerdung. Transzendenz, ein „Leben nach dem Tod“, das sind Gesprächsangebote, die der Religionsunterricht macht, die in der Ethikstunde aber so gar nicht gestellt werden können.
In unserer Verfassung (GG, Art.7, Abs. 3) ist klar festgelegt, dass „Religionsunterricht in Übereinstimmung mit den Grundsätzen der Religionsgemeinschaften erteilt“ wird. Der Gesetzgeber sieht die Religion also auch als Schulfach, das authentisch nur von Menschen unterrichtet werden kann, die die gelebte Praxis ihrer Religion verkörpern, die also nicht nur die theoretische oder dogmatische Oberfläche kennen.
Dabei gilt es dann zu gewährleisten, dass auch Schülerinnen und Schüler muslimischen oder jüdischen Glaubens Zugang zu entsprechenden Angeboten haben, durch ein solches Angebot könnte der Religionsunterricht im Sinne der positiven Religionsfreiheit wahrgenommen werden, ohne dass der Staat seine weltanschauliche Neutralität verletzen würde, zu der er sich selbst verpflichtet hat.
Mit freundlichen Grüßen
Monika Grütters