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Michael Gwosdz
Bündnis 90/Die Grünen
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Frage von Susann B. •

Wären Sie bereit, die Prüfung der Verfassungstreue der AfD beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen?

Sehr geehrter Herr Gwosdz,
wären Sie bereit, die Prüfung der Verfassungstreue der AfD beim Bundesverfassungsgericht zu beantragen?

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Antwort von
Bündnis 90/Die Grünen

Sehr geehrte Frau B.,

vielen Dank für Ihre Frage. Grundsätzlich wäre ich bereit, dies zu beantragen. Jedoch ist die Frage eines Parteienverbots nicht trivial. Wir beraten das derzeit umfassend bundesweit, nicht nur in Hamburg. Ich möchte Ihnen gerne daher einen gemeinsamen Standpunkt mit den Grünen in Sachsen als Antwort geben. Dieser formuliert sehr gut auch meine Sichtweise auf das Thema:  

"Auch wir BÜNDNISGRÜNE teilen die Sorge weiter Teile der Bevölkerung vor der Unterwanderung und Zerstörung unserer demokratischen Strukturen durch das Agieren der AfD. Für uns ist klar: Die AfD ist im Kern eine antidemokratische und verfassungsfeindliche Partei, die die Grundlagen unserer freiheitlichen Republik ins Wanken bringen will.

Wir haben daher Verständnis für die Debatte über die rechtstaatlichen Möglichkeiten gegen die AfD vorzugehen und halten eine Diskussion darüber für wichtig.

Ein Parteiverbotsverfahren unterliegt hohen verfassungsrechtlichen Anforderungen und begegnet erheblichen rechtlichen wie praktischen Hürden. Es ist zunächst kein kurzfristig wirkendes Instrumentarium mit Blick auf die in den nächsten Jahren anstehenden Wahlen. Ein solches Verfahren ist in der Vorbereitung und in der Durchführung sehr langwierig. Das letzte NPD Verbotsverfahren hat von Antragseinreichung bis zur höchstrichterlichen Entscheidung vier Jahre gedauert – zuvor brauchte es bereits mehre Jahre der politischen und juristischen Vorbereitung bis zur eigentlichen Stellung des Verbotsantrages beim Bundesverfassungsgericht.

Im Falle eines Verbotsverfahrens gegen die AfD ist davon auszugehen, dass sich das Verfahren über einen noch längeren Zeitraum erstrecken würde und der Ausgang ungewiss ist. Denn das Bundesverfassungsgericht selbst hat aufgrund der Bedeutung der Parteien in einer parlamentarischen Demokratie sehr hohe Hürden für ein Verbot aufgestellt: Dass die Partei nach ihren Zielen oder nach dem Verhalten ihrer Anhänger*innen darauf ausgeht, die freiheitliche demokratische Grundordnung zu beeinträchtigen oder zu beseitigen, dürfte angesichts divergierender Einschätzung selbst bei den verschiedenen Landesämtern für Verfassungsschutz bzw. dem Bundesamt für Verfassungsschutz nur sehr schwer verbotsfest belegbar sein. Es bräuchte zumindest erst einmal eine einheitliche Einordnung der AfD als erwiesen rechtsextreme Bestrebung durch den Verfassungsschutz, welche bisher allerdings nicht einmal im Ansatz vorliegt.

Dies unterscheidet das angeregte AfD-Verbotsverfahren deutlich von den bereits angestrengten bzw. durchgeführten Parteiverbotsverfahren vor dem Bundesverfassungsgericht. Bislang waren nur zwei von ihnen erfolgreich: Ein Verbotsverfahren gegen die Sozialistische Reichspartei als eine Nachfolgepartei der NSDAP und ein im Ergebnis umstrittenes gegen die Kommunistische Partei. Die zwei angestrengten NPD- Verbotsverfahren scheiterten, auch unter dem Eindruck europäischer Vorgaben, wenngleich die Beweislage hinsichtlich einer geschlossenen Bestrebung der ganzen Partei und ihrer Anhänger*innen gegen die freiheitliche demokratische Grundordnung seinerzeit sehr viel eindeutiger war, als es bei der AfD derzeit der Fall ist.

Selbst sollte das Verfahren unmittelbar eingeleitet werden, ist daher unserer Einschätzung nach keine zügige Entscheidung zu erwarten. Daher ist es aus BÜNDNISGRÜNER Sicht unerlässlich, zunächst andere Instrumente der wehrhaften Demokratie zu prüfen und zu bemühen. Das bedeutet nicht, dass wir den Kampf gegen die AfD allein der Zivilgesellschaft überantworten wollen, wenngleich eine starke Zivilgesellschaft und ein klares gesellschaftliches Entgegentreten gegenüber der AfD die wirksamsten Instrumente einer wehrhaften Demokratie sind. Es müssen alle rechtstaatlichen Möglichkeiten unterhalb der Ebene des Parteienverbotes in Betracht gezogen werden. Bereits 2022 haben wir in einem Positionspapier daher gefordert, den Ausschluss von AfD-nahen parteipolitischen Stiftungen, wie beispielsweise der Desiderius-Erasmus-Stiftung, von der staatlichen Finanzierung zu prüfen bzw. eine Rechtsgrundlage dafür zu schaffen. So wollen wir dafür sorgen, dass Verfassungsfeinde nicht noch über staatliche Zuwendungen alimentiert werden. Dies betrifft auch die Finanzierung der Partei und ihrer Strukturen. Wir erhoffen uns hier auch neue Erkenntnisse aus dem bald zu erwartenden Urteil des Bundesverfassungsgerichts zum Ausschluss der NPD von der Parteienfinanzierung.

Die hohen Zustimmungswerte, die die AfD bei Wähler*innen erlangt, zeigen, dass das AfD-Verbot allein die demokratie- und menschenfeindlichen Strömungen in der Bevölkerung auch nicht verschwinden lassen wird – ein Verbot würde an der gesellschaftlichen Akzeptanz der Positionen der AfD nichts ändern. Unser vorderstes Ziel ist es deswegen, die Werkzeuge des Rechtsstaats zu nutzen, um dafür zu sorgen, dass sich die menschenfeindliche Ideologie, die durch die AfD in die Gesellschaft getragen wird, nicht noch weiter verfestigt und all jene zu bestärken, zu fördern und zu schützen, die sich für unsere freiheitliche Demokratie einsetzen. Denn dies ist und bleibt die wirksamste Waffe im Kampf gegen Verfassungsfeinde."

Mit freundlichen Grüßen

Michael Gwosdz

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