Frage an Michael Gwosdz von Patricia M. bezüglich Umwelt
Guten Tag Herr Gwosdz,
es geht um das Thema „Öffnung der Alten Süderelbe“. Einzig und ausgerechnet die Fraktion der Grünen, die sich dem Umweltschutz verschrieben hat, lehnt eine Öffnung bisher nicht ab. Da sich mir dies nicht erschließt habe ich folgende Fragen:
• Wieso wird erwartet, dass in dem Gebiet der Alten Süderelbe nach Anschluss an die Tideelbe, trotz Kanalisierung durch Spundwände, die zum Schutz der Eigentumsflächen gesetzt werden, und den erforderlichen wiederkehrenden Unterhaltsbaggerungen ein höherwertiges Biotop entstehen kann?
• Das Gutachten des Forums Tideelbe spricht von neuen Litoralflächen im Umfang von bis zu 291 ha. Wie viele ha davon sind in Privatbesitz und können deswegen nicht mit einbezogen / überflutet werden?
• Mit welcher Rate einer Verschlickung und daraus folgend mit welcher Häufigkeit von Unterhaltsbaggerungen in der Alten Süderelbe ist zu rechnen?
• Wie sähe die CO2-Bilanz des Abtransports des Baggergutes mittels Lastkraftwagen bei einer initialen und vielen nachfolgenden Ausbaggerungen der Alten Süderelbe aus?
• Welche Kosten fallen für diese Maßnahmen an?
• Wo, wie und in welcher Größenordnung findet ein Ausgleich für die Vernichtung von ca. 115 Hektar gesetzlich geschützter Biotope statt?
• Wie wollen Sie sicherstellen, dass stark bedrohte Arten wie z.B. der Eisvogel neuen Lebensraum zur Verfügung gestellt bekommen?
• Wie und wo sollen diese Arten ihren neuen Lebensraum finden?
• Mittlerweile hat sich gezeigt, dass es dort, wo Nebenarme für die Tide geöffnet sind (siehe Este), deutliche Probleme mit einem steigenden Salzgehalt gibt. Wie vereinbaren Sie dies mit dem naturfachlichen Hauptargument für eine Öffnung – der Schaffung von Süßwasserwatten?
Ich danke Ihnen für eine eigene und nicht standardisierte Antwort
Patricia Maciolek
Sehr geehrte Frau M.,
vielen Dank für Ihre Anfrage. Wie Sie meinem Profil entnehmen können, bin ich zuständig für die Themengebiete Flucht und Religionspolitik, also nicht im engeren Sinne mit dem Thema „Öffnung der Alten Süderelbe“ befasst. Gleichzeitig stellen Sie sehr detaillierte Fragen, z.B. nach dem Anteil von in Privatbesitz befindlichen Litoralflächen. Diese Auskünfte stehen mir nicht zur Verfügung. Da ich also nicht unmittelbar befasst bin, wollte ich vor einer Antwort zunächst die Befassung des zuständigen Fachausschusses und die anschließende Beschlussfassung in der Bürgerschaft über dessen Empfehlungen abwarten. Inzwischen ist diese erfolgt und die Dokumente sind auch in der Parlamentsdatenbank veröffentlicht. Daher kann ich Ihnen nun zumindest Auskünfte zum aktuellen Stand der parlamentarischen Beratung geben.
Vorab das wichtigste: Die Öffnung der Alten Süderelbe ist weder beschlossen noch verworfen. Vielmehr hat der Ausschuss für Umwelt, Klima und Energie in seiner Sitzung am 11. Dezember 2020 mit den Stimmen der Abgeordneten von SPD, GRÜNEN und LINKEN u.a. folgendes beschlossen:
"Der Senat wird ersucht, (...) 3. eine weiter gehende Prüfung der Wiederanbindung der Alten Süderelbe unter der Maßgabe einer entsprechenden Prüfung des Wiederanschlusses der Haseldorfer Marsch an das Tidegeschehen zu veranlassen. In diesem Sinne ist eine Abstimmung mit den zuständigen Stellen in Schleswig-Holstein zu vertiefenden Untersuchungen für die Maßnahme Haseldorfer Marsch herbeizuführen, und 4. im Fall einer erfolgreichen Abstimmung mit Schleswig-Holstein über das weitere Vorgehen einen Fahrplan in Hamburg zu entwickeln, in dessen Rahmen geklärt wird, wann eine vertiefende Untersuchung der möglichen Maßnahme im Bereich der Alten Süderelbe auf Hamburger Gebiet umgesetzt wird. In diesem Rahmen soll auch geklärt werden, wie diese und deren künftige Unterhaltung finanziert und ausgeführt werden soll;"
Sie können das Wortprotokoll der Ausschusssitzung hier nachlesen: https://buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/73817/wort_protokoll_der_oeffentlichen_sitzung_des_ausschusses_fuer_umwelt_klima_und_energie.pdf
Den Bericht des Ausschusses und den gesamten oben zitierten Beschluss könnten Sie hier nachlesen: https://buergerschaft-hh.de/parldok/dokument/73963/bericht_des_ausschusses_fuer_umwelt_klima_und_energie_zum_thema_machbarkeitsstudie_tide_elbe_selbstbefassungsangelegenheit_sowie_ueber_die_drucksach.pdf
Sie können den verlinkten Dokumenten unter anderem entnehmen, dass wir in der Koalition von SPD und GRÜNEN die Bedenken zur Öffnung der Alten Süderelbe sehr ernst nehmen. Wie oben erwähnt, soll es zwar eine weitergehende Prüfung geben. Diese ist aber auch mit u.a. folgender Maßgabe verbunden:
"B ei solch einer Prüfung gilt es im Falle der Wiederanbindung der Alten Süderelbe die möglichen Folgen der Maßnahme für den heutigen Natur- und Lebensraum zu bedenken. So ist das heutige Gewässer mittlerweile ein wertvoller Naturraum und Heimat seltener Tierarten. Eine Öffnung würde den Charakter dieses Raumes und damit die Lebensbedingungen auch für die hier vorkommenden Tierarten stark verändern. So würde es zu einem Wandel des Bestandes von Fisch- und Pflanzenarten kommen und ein Verlust an Lebensraum vor allem für Amphibien ist zu erwarten.
Die Landwirte wären außerdem durch eine nachhaltige Veränderung des etablierten Systems der Be- und Entwässerung sowie durch den möglichen Eintrag von Schwebstoffen in die Gewässer betroffen. Sie befürchten substantielle Verluste von Erträgen. Bedenken bestehen angesichts der möglichen nachhaltigen Veränderung des etablierten Systems der Be- und Entwässerung. Insbesondere könnten die Obstbäume Schaden nehmen, da sie auf Schwebstoffe und mögliche Schadstoffe im Beregnungswasser sehr empfindlich reagierten.
Hinzu kommt die allgemein hohe Ablehnung der Bürgerinnen und Bürger vor Ort aufgrund der zu erwartenden Eingriffe in Uferbereiche und Veränderungen des Grundwassers sowie der auf Finkenwerder und in Süderelbe historisch mit besonderer Sensibilität in Betracht zu nehmenden Belange des Hochwasserschutzes. Diese möglichen Auswirkungen müssen sorgfältig mit den Potentialen dieser Maßnahme für das Gesamtgeschehen der Tidedynamik abgewogen werden. In diesem Zusammenhang gilt es auch eine im Forum Tideelbe diskutierte Variante mit geringerem Tidenhub für die Alte Süderelbe zu betrachten."
Die Bürgerschaft selbst hat den Bericht des Ausschusses und die zitierte weitere Prüfung auf der Sitzung am 13. Januar 2021 mit Stimmen von SPD; GRÜNE und LINKE gegen die Stimmen der CDU und der AFD beschlossen. Auf der gleichen Sitzung haben wir übrigens auch - hier mit Zustimmung der CDU, gegen die AFD - beschlossen, den Plan der Öffnung der Doveelbe nicht weiter zu verfolgen.
Letzteres ist meines Erachtens auch im Kontext Alte Süderelbe wichtig für Sie zu wissen: Wir halten uns hier auch an das mit den Nachbarbundesländern vereinbarte Verfahren zur Prüfung unterschiedlichster Maßnahmen für das Sedimentmanagement in der Elbe. Wenn es zu einem Vorschlag bereits ausreichend Informations- und Kenntnisstand gibt, dass sein Umsetzung wenig bringt oder aus anderen Gründen nicht hilfreich ist, dann beschließen wir natürlich auch den Stopp dieses Vorschlags.
Ich erhoffe mir von der weiteren Prüfung auch weitergehende Antworten auf Ihre Fragen. Wenn sich die damit verbundenen Bedenken nicht ausräumen lassen, werden wir auch die Öffnung der Alten Süderelbe nicht um jeden Preis beschließen.
Wie Sie insgesamt sehen, lehnen aber zum jetzigen Zeitpunkt auch SPD und LINKE die Öffnung der Alten Süderelbe nicht ab, wie Sie in Ihrer Fragestellung an mich andeuten, sondern haben die weitere Prüfung dieses Vorschlages mit beschlossen.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Gwosdz