Frage von Sigrid Z. •

Werden Sie bezüglich der Grundgesetzänderung zur Schuldenbremse gemäß dem Willen des Volkes (also Ihrer Wähler) stimmen wie es im Wahlprogramm steht oder den Willen des Volkes übergehen?

Bei der Bundestagswahl am 23.02.2025 haben die Wähler mit über 50 % demokratisch Parteien gewählt, welche im Wahlprogramm stehen haben, dass sie keine Änderung des Grundgesetzes bezüglich der Schuldenbremse vornehmen wollen. Nun soll dies, gegen den Willen der Wähler, noch mit dem alten, abgewählten Bundestag durchgesetzt werden, weil dies im neu gewählten Bundestag wohl kaum möglich wäre. Meinen sie, so gewinnt die neu gewählte Regierung das Vertrauen des Volkes?

Portrait von Michael Frieser
Antwort von
CSU

Sehr geehrte Frau Z.,

besten Dank für Ihre Frage. Ich und meine Fraktion sind den Schritt zur Änderung des Grundgesetzes nicht leichtfertig gegangen. Ich nehme Ihre und die Kritik weiterer Bürgerinnen und Bürger an dieser Stelle sehr ernst. Als Union haben wir eingehend geprüft, ob und welche Alternativen wir für die Zukunft des Landes sehen. Ich bitte Sie, sich die Zeit zu nehmen, unsere Beweggründe für diese Änderungen nachzuvollziehen.

Zunächst einige wenige Worte zum wesentlichen Inhalt der Grundgesetzänderung: 

  1. Verteidigungsausgaben oberhalb von 1 Prozent des BIPs nehmen wir von der Schuldenregel des GG aus. Das ist KEINE Abschaffung der Schuldenbremse, sondern eine Bereichsausnahme für die Modernisierung der Bundeswehr.
  2. Die Regeln zur Schuldenbremse für die Länder werden so angepasst, dass den Ländern zukünftig – entsprechend der bestehenden Schuldenregelung für den Bund – eine jährliche Neuverschuldung in Höhe von 0,35 Prozent des BIPs gestattet ist.
  3. Wir schaffen ein Sondervermögen von 500 Mrd. Euro über einen Zeitraum von 12 Jahren für Investitionen in die Infrastruktur, von dem 100 Mrd. Euro den Ländern und Kommunen zugutekommen. Das Sondervermögen wird zudem für zusätzliche Investitionen für den Klimaschutz geöffnet. Aus dem Sondervermögen werden nur zusätzliche Investitionen finanziert. 

Ihre deutliche Kritik an dieser Lösung kann ich verstehen – insbesondere was die Öffnung des Sondervermögens für den Klimaschutz sowie die Formulierung „Klimaneutralität bis 2045“ angeht. Aus verfassungsrechtlicher Perspektive will ich hierbei aber mit Nachdruck betonen: Dies ist keine Festschreibung eines Staatszieles „Klimaneutralität 2045“ im Grundgesetz. Es handelt sich lediglich um eine Formulierung zur teilweisen Zweckbindung der Mittel aus dem Sondervermögen. Die Staatsziele der Bundesrepublik Deutschland stehen hingegen in den Artikeln 20 und 20a des Grundgesetzes, die in keiner Weise verändert werden. 

Wieso also sind wir diesen Schritt gegangen? Zwei Faktoren haben das Ausmaß der Krise, in der wir uns derzeit befinden, unterstrichen. Der amtierende Bundesfinanzminister Kukies hat zu Beginn der Sondierungen einen umfassenden Einblick in die Staatsfinanzen gegeben. Das Ausmaß der Schieflage im Bundeshaushalt ist aktuell so substantiell, dass Einsparungen und Strukturreformen allein nicht ausreichen, um angemessen auf die sicherheitspolitische Neuordnung der Welt zu reagieren. Letztere hat sich in den zurückliegenden Wochen weiter zugespitzt. Die Sprunghaftigkeit des amerikanischen Präsidenten war und ist uns allen längst bekannt. Die Art und Weise, in der er westliche Partner auf offener Bühne vorführt und das Bekenntnis zur NATO ganz offen in Frage stellt, hat eine neue Qualität. Dafür müssen wir uns wappnen und unsere Verteidigung stärker als bislang in unsere eigenen Hände nehmen. Nicht irgendwann, nicht langfristig, nicht mittelfristig, sondern jetzt. Dabei geht es um das Sicherheitsinteresse unseres Landes und Europas – dass wir uns im Verteidigungsfall wehren können und von einem Angreifer auch als wehrhaft angesehen werden. 

Was in diesem Zusammenhang das Sondervermögen zur Infrastruktur angeht: Wir wollen Deutschland wieder in Ordnung bringen. Wir wollen die Wettbewerbsfähigkeit Deutschlands mit gezielten Investitionen stärken, private Investitionen aktivieren, um das Wirtschaftswachstum anzukurbeln. In Deutschland besteht ein erheblicher Investitionsbedarf in eine moderne und leistungsfähige öffentliche Infrastruktur. Diese ist entscheidend für die wirtschaftlichen Kapazitäten und bildet die Grundlage für breiten Wohlstand. In den Blick zu nehmen sind hier unter anderem Investitionen in den Zivil- und Bevölkerungsschutz, die Verkehrsinfrastruktur, Krankenhäuser, die Energieinfrastruktur, den Klimaschutz sowie in die Bildungs-, Betreuungs- und Wissenschaftsinfrastruktur. Auch die tatsächliche Verteidigungsfähigkeit setzt eine ausgebaute, funktionierende und moderne Infrastruktur voraus. 

Natürlich hätten wir uns zunächst mehr Zeit gewünscht, um zuallererst Einsparungspotentiale zu identifizieren und Ausgaben zu senken. Prioritätensetzungen und tiefgreifende Strukturreformen bleiben unsere inhaltliche Priorität! In den Koalitionsverhandlungen werden wir daher unbedingt auf eine Modernisierung unseres Staates drängen: Es geht beispielsweise um eine Reform der Planungs- und Genehmigungsverfahren, spürbare Anreize für unternehmerische Investitionen in Deutschland, einen wirklichen Rückbau unserer Bürokratie und die um die Umgestaltung des verkorksten Bürgergeldes hin zu einer neuen Grundsicherung. Es geht um die Steuerfreiheit von Überstundenzuschlägen, den Einstieg in eine kapitalgedeckte, individuelle Altersvorsorge als Ergänzung zu den bestehenden Systemen der Alterssicherung und die gesetzliche Regelung einer Wochenarbeitszeit anstelle der bislang verpflichtenden (unflexiblen) Tagesarbeitszeit. Aus dem Sondervermögen dürfen ausschließlich zusätzliche Investitionen geleistet werden; der Konsolidierungsdruck durch die Schuldenbremse besteht also weiterhin. 

Wir wollen und müssen in der aktuelle Lage schnell und entschlossen handeln. Wir werden zum Wohle unseres Landes haushalten und keine unrealistischen politischen Wunschträume finanzieren. Wir stehen weiter für den im Wahlkampf versprochenen Politikwechsel ein und wollen Deutschland wieder nach vorne bringen. Der gefundene Kompromiss ist keinem der beteiligten Parteien leichtgefallen, aber er zeigt, dass die parlamentarische Mitte Willens und in der Lage ist, gemeinsam Entscheidungen für das Land zu treffen.

Mit freundlichen Grüßen 

Michael Frieser

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