Frage von Moritz P. •

200 Juristen sehen die Voraussetzungen für ein Verbotsverfahren gegeben und fordern Sie als Abgeordneten auf, Ihrer Verantwortung nachzukommen. Ist Ihnen die AfD nicht extrem genug für das Verfahren?

Portrait von Michael Frieser
Antwort von
CSU

Sehr geehrter Herr P.,

vielen Dank für Ihre Frage. Ich kann Ihnen versichern, dass sich meine Fraktion und ich mich persönlich sehr umfassend mit den Bestrebungen für ein AfD-Verbotsverfahren auseinandergesetzt haben. Wir haben dabei die Rechtslage, den politischen Kontext und selbstverständlich auf die Argumente der Befürworter eines Verbotsverfahrens ausführlich diskutiert und abgewogen. Ich und meine Fraktion sind aber zu dem Schluss gekommen, dass der Versuch eines Verbots aktuell juristisch nicht erfolgversprechend und politisch kontraproduktiv ist. Warum? 

Die vom Bundesverfassungsgericht aufgestellten Voraussetzungen für ein Parteiverbot sind mit Blick auf die AfD – zumindest derzeit – aller Voraussicht nach nicht erfüllt. Zwar führt das Bundesamt für Verfassungsschutz die AfD als Verdachtsfall auf Rechtsextremismus. Die obergerichtliche Rechtsprechung hat diese Einschätzung bestätigt. Eine Einstufung als „Verdachtsfall“ ist aber nicht gleichzusetzen mit den – erheblich höheren – Anforderungen, die das Bundesverfassungsgericht an das Verbot einer politischen Partei stellt. Wir gehen vielmehr davon aus, dass bei der AfD die Voraussetzungen eines Parteiverbots nicht erfüllt sind und die Verfassungsschutzämter nicht über hinreichendes Beweismaterial für ein Verbotsverfahren verfügen.

Selbst für den unwahrscheinlichen Fall eines erfolgreichen Verbotsantrags würde sich das Verfahren über mehrere Jahre ziehen, in denen sich die AfD als vermeintlicher „Märtyrer“ inszenieren würde.

Dem Antrag fehlt zudem die erforderliche Tatsachengrundlage in Form einer umfassenden Materialsammlung. Eine solche könnte nur durch den Verfassungsschutz erstellt werden - erst auf einer solchen Grundlage kann eine fundierte Entscheidung getroffen werden. Überdies verlangt das Bundesverfassungsgericht, vor Einleitung eines Verbotsverfahrens „strikte Staatsfreiheit“ gegenüber der betroffenen Partei herzustellen. Das bedeutet: Die Begründung eines Verbotsantrages darf nicht auf Beweismaterialien gestützt werden, deren Entstehung auf das Wirken von Verdeckten Ermittlern zurückzuführen ist. Eine entsprechende Garantie vermag allerdings nur die Bundesregierung respektive die Landesregierungen zu geben. Sie allein vermögen deshalb einen überzeugenden Beweisantrag zu erarbeiten.

Zudem müssen wir auch die möglichen Folgen eines Scheiterns des Verbotsantrags bedenken: Die AfD erhielte faktisch ein verfassungsgerichtliches „Gütesiegel“, eine verfassungsgemäße Partei zu sein.

Am entscheidendsten für mich ist: Die AfD steht gegen alles, was die Union und unser Land in den letzten Jahren und Jahrzehnten aufgebaut hat. Sie positioniert sich gegen die Westbindung, gegen den Euro, gegen die Nato. Ich bin aber überzeugt, dass sich die politische Zustimmung zur AfD „wegverbieten“ ließe. Die AfD ist unser wichtigster Gegner in diesem Wahlkampf und wir setzen uns für einen Politikwechsel ein, um diesen Populisten die Arbeitsgrundlage zu entziehen. Die Zustimmungswerte zur AfD besorgen mich zutiefst und sie haben sich während der drei Jahre Ampel-Regierung verdoppelt. Die politischen Kräfte der Mitte müssen die AfD politisch und inhaltlich stellen. Wir wollen keine Symptombehandlung, sondern Ursachenbekämpfung: Die drängenden politischen Probleme Deutschlands müssen gelöst werden, um dem Unmut in der Bevölkerung gerecht zu werden. Altbundespräsident Joachim Gauck bringt es auf den Punkt: Ein Verbotsverfahren würde „noch mehr Wut und noch mehr Radikalität erzeugen – und das wäre politisch schädlich“.

Beste Grüße

Michael Frieser

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