Frage an Michael Frieser von Andreas Dr. B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Frieser,
als selbst beruflich im Kapitalanlagebereich eines großen Versicherers Beschäftigter verfolge ich natürlich sowohl aus professionellen Gründen aber natürlich auch mit Interesse als Bürger die Diskussionen um die EU-Rettungspakete und natürlich auch die Beteiligung privater Gläubiger.
Beim am 21.Juli verabschiedeten Modell der Gläubigerbeteiligung hat sich aber m.E. eine sehr merkwürdige Situation ergeben:
Der Bankenverband IIF (als Interessensvertretung von 350 Banken) hat ein Angebot zur weiteren Finanzierung der griechischen Staatsschuld abgegeben, in dem sehr beeindruckende Zahlen einer Gläubigerbeteiligung im Milliarden-EUR-Bereich genannt sind.
Bei genauerem Hinsehen mit einem Mindestmaß an finanzmathematischer Vorbildung erkennt man jedoch, dass diese Beträge nur unter Zuhilfenahme eines Rechentricks entstehen: Nämlich indem man grundsätzlich erst einmal von einer geforderten Verzinsung von 9 % auf alle vorhandenen Griechenland-Forderungen ausgeht und ausgehend von dieser (mehr als großzügigen) einen - ich möchte ihn einmal "Pseudo-Verzicht" nennen - quantifiziert hat.
Zudem wären die neuen Wertpapiere mit Garantien des EFSF versehen, sodass natürlich eine Rendite-Erwartung von 9% mehr als großzügig erscheint.
Leider hat auch das Institut der dt. Wirtschaftsprüfer (IDW) dies augenscheinlich nicht vollumfänglich erfasst, da es zu dem Schluss kommt, dass Griechenland-Forderungen nach HGB-Rechnungslegung mit 21% und nach IFRS-Rechnungslegung komplett auf den Marktpreis abzuschreiben wären. Dies hat sich in den Bilanzen von bspw. Deutscher Bank, Allianz und Munich Re schon zum Q2 2011 manifestiert.
Somit ergibt sich die kuriose Situation, in der trotz eines faktisch wirtschaftlich nicht vorhandenen Verzichts der Gläubiger (somit keine Hilfe für Griechenland) in den Ergebnissen der Unternehmen Belastungen entstehen.
Sind den Abgeordneten die Rechenmodalitäten dieser "Gläubigerbeteiligung" Ihrer Meinung nach bekannt und transparent?
Sehr geehrter Herr Dr. Billmeyer,
herzlichen Dank für Ihre Frage über Abgeordnetenwatch. Gerne antworte ich Ihnen auch auf diesem öffentlichen Portal. Allerdings bitte ich Sie, zuvor für unsere weitere Kommunikation Ihre Kontaktdaten (Postanschrift, E-Mail, Telefonnummer) an meine Email-Adresse michael.frieser@bundestag.de zu senden. Das erleichtert und ermöglicht uns beiden den weiteren Austausch.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Frieser, MdB
Sehr geehrter Dr. Billmeyer,
da ich nicht Mitglied des Finanzausschusses bin, habe ich mit meinen Fachkollegen Ihre Frage zur Beteiligung privater Gläubiger besprochen. Die von Ihnen angesprochene Lösung aus dem Juli 2011 ist bekannt und erörtert worden. Zwischenzeitlich haben wir durch den Beschluss des Europäischen Rates allerdings eine neue Konstellation der Privatgläubigerbeteiligung.
Der Beteiligung des Privatsektors kommt jetzt eine zentrale Rolle dabei zu, die Tragfähigkeit der griechischen Schulden herzustellen. Zusammen mit dem Reformprogramm für die griechische Wirtschaft sollte die Beteiligung des Privatsektors eine Senkung der griechischen Defizitquote bewirken, um bis 2020 eine Quote von 120 Prozent zu erreichen. Der Beitrag des privaten Sektors wird sich netto auf etwa 37 Milliarden Euro belaufen. Weitere 12,6 Milliarden Euro werden über ein Schuldenrückkaufprogramm aufgebracht werden, so dass insgesamt 50 Milliarden Euro zur Verfügung stehen werden. Für den Zeitraum 2011 - 2019 wird die Beteiligung des privaten Sektors einem Beitrag von netto etwa 106 Milliarden Euro entsprechen. Der Europäische Rat ersucht Griechenland und private Investoren, einen freiwilligen Umtausch von Anleihen mit einem nominellen Abschlag von 50 Prozent des Nennwerts der von privaten Investoren gehaltenen griechischen Staatsanleihen auszuarbeiten. Die dem Euro-Mitgliedstaaten werden einen Beitrag von bis zu 30 Milliarden Euro zur Beteiligung des Privatsektors leisten. Auf dieser Grundlage ist der öffentliche Sektor bereit, bis 2014 eine zusätzliche Programmfinanzierung von bis zu 100 Milliarden Euro bereitzustellen, einschließlich der notwendigen Rekapitalisierung griechischer Banken. Der Anleihentausch sollte Anfang 2012 durchgeführt werden.
Mit freundlichen Grüßen
Michael Frieser