Frage an Michael Balke von Andreas B. bezüglich Finanzen
Sehr geehrter Herr Dr. Balke,
"Weg mit den Steuervorteilen für Abgeordnete ..." habe ich auf einem Ihrer Wahlplakate gelesen.
Könnten Sie mir bitte genauer beschreiben, was Sie mit dieser Aussage meinen?
Herzlichen Dank!
Ihr
Andreas Blaschke
Sehr geehrter Herr Blaschke,
vielen Dank für Ihre Frage nach den Steuervorteilen für Bundestagsabgeordnete. Meine komplette Botschaft in diesem Zusammenhang lautet:
"Weg mit den Steuervorteilen für Abgeordnete, ein Ende dem allgemeinen Steuer-Wirrwarr, endlich Steuergerechtigkeit für alle!"
Es ist so: Im Einkommensteuerrecht müssen grundsätzlich alle Bürger ihre Berufsausgaben (Arbeitnehmer jenseits von geringen Jahrespauschalen, derzeit 920 Euro pro Jahr) bei dem zuständigen Finanzamt belegen bzw. anderweitig nachweisen. Dies gilt nicht für Bundestagsabgeordnete. Die Damen und Herren Gesetzgeber beziehen pro Kopf neben rund 90.000 Euro steuerpflichtigem Jahresgehalt zusätzlich noch eine einkommensteuerfreie Kostenpauschale in Höhe von jährlich etwa 45.000 Euro. Dies, weil sie angeblich in dieser Höhe Berufsausgaben haben, die sie aber nicht belegen müssen.
1. Das kann schon für sich genommen nicht gerecht sein.
Wenn Herr MdB Fritz auf www.abgeordnetenwatch.de aussagt, seine steuerfreie Kostenpauschale von derzeit rund 45.000 Euro werde - mit Hinweisen auf zwei Entscheidungen des Bundesverfassungsgerichts (BVerfG) aus den Jahren 1975 und 1978 - "auf gesicherter verfassungsrechtlicher Grundlage gewährt", dann behauptet er sinngemäß, die Erde sei eine Scheibe. Das BVerfG hat selbstverständlich in den Jahren 1975 und 1978 nicht zu der exorbitant hohen MdB-Einkommensteuerfreiheit von rund 45.000 Euro des Jahres 2009 Stellung nehmen können. Die Wahrheit ist, dass aufgrund des sogenannten Diätenurteils des BVerfG aus dem Jahre 1975 die damals herrschende vollumfängliche Einkommensteuerfreiheit der Abgeordnetenbezüge erstmals abgeschafft worden ist. Dies aufgrund der Verfassungsbeschwerde eines einzelnen Bürgers. Die Rechtsprechung des BVerfG aus dem Jahre 1975 (mit der Folgerechtsprechung aus 1978) zur Rechtfertigung der heutigen Einkommensteuerfreiheit des Zweiteinkommens der Bundestagsabgeordneten in Höhe von rund 45.000 Euro heranzuziehen, ist folglich grob falsch. Richtig ist vielmehr, dass das BVerfG in den 1970iger Jahren betonte, dass einkommensteuerfreie Kostenpauschalen nur in dem Umfang rechtmäßig sind, wie sie die Wirklichkeit in etwa abbilden. So wäre gegen eine beleglose Einkommensteuerfreiheit der MdB-Bezüge in Höhe von jährlich 920 Euro wie bei Arbeitnehmern, zu denen auch Bundesverfassungsrichter mit doppelter Haushaltsführung gehören, nichts einzuwenden. Angestellte Ärzte und viele andere wichtige Berufsangehörige müssen schließlich auch (jenseits geringer Pauschalen) ihre Berufskosten beim Finanzamt oder im Streitfalle beim Finanzgericht nachweisen. Dies sollte endlich auch für Bundestagsabgeordnete gelten, damit sie persönlich das Steuerrecht erleben und erleiden, welches sie dem Volk insgesamt aufbürden.
Geradezu hilflos wirkt der Hinweis von Herrn MdB Fritz auf www.abgeordnetenwatch.de, er habe "Herrn Balke verschiedentlich gesagt, dass mir jede Regelung Recht ist". Die Erstverantwortung für die gesetzliche Selbstbegünstigung hat Herr Fritz und viele andere Abgeordnete des Deutschen Bundestages. Die Bundestagsabgeordneten haben es in der Hand, endlich die MdB-Steuervorteile abzuschaffen und somit die damit zusammenhängende Diskriminierung des Volkes aufzugeben. "Herr Balke", also ich, kann über eine Verfassungsbeschwerde versuchen, Gleichheit im Recht einzufordern. Dies geschieht derzeit mit der beim BVerfG anhängigen Verfassungsbeschwerde zu dem Aktenzeichen 2 BvR 2228/08, abgedruckt in Zeitschrift für Steuern und Recht vom 26.11.2008, Reschke-Verlag, S. 362 bis 402.
2. Schlimm ist auch, dass die einkommensteuerfreie Kostenpauschale für die sogenannten Volksvertreter jährlich mit der Inflationsrate steigt und diese auch dann nicht abgesenkt wird, wenn allgemein berufliche Abzugsposten im Einkommensteuerrecht für das Volk zusammengestrichen werden.
So sind aktuelle Bundestagsabgeordnete, wie etwa Frau Burchardt (SPD) und Herr Fritz (CDU), mitverantwortlich für die Versuche des Bundestages, die Berufspendlerpauschale und berufliche Arbeitszimmerkosten drastisch zusammenzustreichen (zum Glück halten Finanzrichter und Bundesverfassungsrichter dagegen) und damit die Einkommensteuern für viele Millionen Bundesbürger zu erhöhen. Statt die einkommensteuerfreie MdB-Kostenpauschale entsprechend zu kürzen, werden die Steuervorteile für Bundestagsabgeordnete Jahr für Jahr erhöht, damit die Einkommensteuern der Bundestagsabgeordneten gesenkt. Wenn das nicht alles so kompliziert geregelt wäre, geradezu in Gesetzen versteckt werden würde (teils im Einkommensteuergesetz, teils im Abgeordnetengesetz), hätten wir wöchentlich auf den Straßen des Landes Protestveranstaltungen.
3. Diese einkommensteuerliche Selbstbegünstigung der Bundestagsabgeordneten ist eines demokratischen Rechtsstaates unwürdig. Bundestagsabgeordnete wie Herr Fritz (CDU) oder Frau Burchardt (SPD) sollten sich schleunigst für ein faires Steuerrecht, für Steuergerechtigkeit einsetzen oder ihre politische Laufbahn beenden.
Inkonsequent ist es auch, wenn der derzeitige Bundesfinanzminister Herr Steinbrück (SPD) internationale Steueroasen hartnäckig bekämpft, die Einkommensteueroase Deutscher Bundestag dagegen verschont.
In Anlehnung an die Worte des deutschen Steuerrechtswissenschaftlers und -vordenkers Professor Dr. Klaus Tipke aus dem Sommer 2009 (vgl. homepage des markt intern Verlags) fasse ich zusammen:
Wer als Volksvertreter vom Volk Steuermoral verlangt, der muss Besteuerungsmoral durch Steuergerechtigkeit vorzeigen können.
Und:
"Dass Abgeordnete meinen, Aufzeichnungs- und Nachweispflichten seien ihnen nicht zuzumuten, zeugt von einem Vorrechtsbewusstsein. Abgeordnete haben aber steuerrechtlich keine Vorrechte, sondern die gleichen Rechte und Pflichten wie andere Steuerpflichtige auch. Sie beschließen seit Jahrzehnten unnötig komplizierte, zum Teil kaum verständliche oder missverständliche Steuergesetze mit einer Vielzahl von Pflichten. Die allgemeinen Regeln müssen schon deshalb für sie selbst gelten, damit sie spüren, was sie anderen Bürgern zumuten" (Tipke, Finanz-Rundschau 2006, S. 949, 954).
Lieber Herr Blaschke, die Antwort ist nun etwas grundsätzlicher ausgefallen. Dies hängt auch mit dem aktuellen MdB-Antwortverhalten auf www.abgeordnetenwatch.de von Frau Burchardt (SPD - sie verstekt sich in einer Hülle des Schweigens) und von Herrn Fritz (CDU - er antwortet falsch) zusammen.
Mit besten Grüßen
Ihr unabhängiger & parteifreier
Bundestags-Direktkandidat Michael Balke