Frage an Mechthild von Walter von Claudia T. bezüglich Raumordnung, Bau- und Wohnungswesen
Sehr geehrte Frau von Walter,
wie stehen Sie zu folgenden Bauprojekten:
- 3. Startbahn Münchner Flughafen
- Donauausbau zwischen Straubing und Vilshofen
- Autobahn durchs Isental?
Welche Ziele haben Sie im Bereich der Stadtentwicklung (auch speziell für Moosach)?
Freundlichen Gruß
Claudia Tertilt
Sehr geehrte Frau Tertilt,
für Ihr Interesse am Programm der ödp bedanke ich mich!
Zu Ihren Fragen nach meiner Haltung zu folgenden Bauprojekten:
3. Startbahn Münchner Flughafen
Die 3. Startbahn halte ich für unverantwortlich. Sie würde wertvollen Naturraum unwiederbringlich zerstören, sie wäre eine massive zusätzliche Beeinträchtigung der Lebensqualität der Menschen in diesem Gebiet, sie wäre indirekt eine Art Heimatvertreibung, weil sie den Aufenthalt in der heimatlichen Region sehr stark beeinträchtigt, sie wäre eine Teil-Enteignung der Menschen, die dort Häuser und Grundstücke besitzen, die an Wert verlören. Ich setze aber darauf, dass auch dieses Projekt nicht realisiert wird. Denn angesichts steigender Kerosin-Preise und abnehmender Flugbewegungen dürfte sie sich als Fehl-Investition erweisen - nach Transrapid-Pleite und Spekulations-Verlusten der Bayerischen Landesbank wäre das dann das dritte Debakel für Finanzminister Erwin Huber, der Aufsichtsratsvorsitzender der Flughafen München GmbH ist.
Heute morgen habe ich gerade den Antrag gestellt, dass München das zinslose Darlehen in Höhe von 113,7 Millionen Euro vorfristig zurückfordert, das die Landeshauptstadt als Gesellschafterin (Anteil 23%) der Flughafen München GmbH gewährt hat. Diese Subventionierung des Flugverkehrs kostet die Stadt, die selbst verschuldet ist, pro Jahr über 5 Millionen Euro Zinsen, die wir gut für den Schuldenabbau brauchen könnten. Siehe auch www.oedp-muenchen.de unter "Stadtratsanträge" oder Anhang.
Donauausbau zwischen Straubing und Vilshofen
Seit Jahrzehnten setzen wir uns zusammen mit Naturschutzverbänden und örtlichen Initiativen für den Erhalt der letzten unverbauten 70 km des einzig verbliebenen naturnahen Stromes in unserer Heimat ein. Die CSU-Staatsregierung plant zusammen mit mächtigen Baufirmen und der RMD-AG den Bau weiterer Staustufen und Kanalisierungen. Eine unumkehrbare Zerstörung des Fluss- systems als Lebensraum einer ganz pezifischen Flora und Fauna wäre die Folge. Aber auch die Lebensqualität der Menschen am Strom würde leiden. Wir leisten gegen diese Pläne jeden erdenkbaren legalen Widerstand. Wie bei einem Verbrechen muss man sich hier fragen, wem dieses riesige Bauvorhaben nützt. In diesem Zusammenhang möchte ich darauf hinweisen, dass die ödp die einzige Partei ist, die keine Konzern-Spenden annimmt.
Autobahn durchs Isental
Dies ist ein weiteres Projekt der massiven Zerstörung eines weitgehend unberührten Naturgebietes, das gegen den Willen der dort lebenden Menschen durchgesetzt werden soll. Mit unglaublicher Sturheit beharren die Staatsregierung und die CSU auf diesen menschen- und naturver- achtenden Plänen. Wir unterstützen die örtlichen Initiativen und die Naturschutzverbände bei ihrem Einsatz für den Bau der A94 auf bestehender Trasse mit den nötigen Ortsumgehungen. Zum Glück hat ein Gutachten des Büros Vieregg & Rössler, das am 17. September vorgestellt wurde, ergeben, dass die Trasse durch das Isental mehr als 400 Euro verschlingen würde, also mehr als das Doppelte der Alternativ- trasse. Da Vieregg & Rössler bereits bei der Überprüfung der (schöngerechneten) prognostizierten Kosten des Transrapid - 1,85 Milliarden - nahezu punktgenau zu dem Ergebnis von 3,4 Milliarden kamen, kann die Staatsregierung kaum über dieses neue Gutachten des Büros hinweggehen. Das dürfte das Aus für dieses Bauvorhaben sein.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild v. Walter
Sehr geehrte Frau Tertilt,
bei der Beantwortung Ihrer Frage nach den Bauprojekten 3. Startbahn, Donauausbau und Autobahn durchs Isental habe ich übersehen, dass Sie mich auch nach meinen Zielen im Bereich der Stadtentwicklung gefragt haben. Die Beantwortuneg dieser Frage möchte ich jetzt nachholen, da ich gerade dieses Gebiet für besonders wichtig halte.
Der unheilvolle Trend zur Verstädterung und der unvermindert anhaltende
Flächenfraß machen es dringend notwendig, sich zu überlegen, in welchen Städten wir zukünftig leben wollen und wie das Stadthaus der Zukunft aussehen könnte. Die Vernichtung von immer mehr unverbautem Land können wir uns aus ökologischen, sozialen, ökonomischen und gesundheitlichen Gründen nicht leisten. Dass viele Menschen vom "Häuschen im Grünen" träumen, wird eines Tages dazu führen, dass nur noch sehr wenig Grün übrig bleibt. Diese Zersiedelung des Landes ist ein schleichender Prozess, den der einzelne kaum wahrnimmt. Der Vergleich von Flugaufnahmen zeigt deutlich, wie sich der "Siedlungsbrei" ausbreitet und die Zwischenräume zwischen den Siedlungsgebieten immer schmaler werden. Jüngstes Beispiel in München ist die Bebauung von Freiham, gegen den sich die ödp von Anfang an ausgesprochen hat. Diese Fläche müsste dringend von Bebauung freigehalten werden - wir bräuchten sie in Zukunft für unsere stadtnahe Erholung und auch für die wohnortnahe Landwirtschaft. Die Chinesen sind uns da bei der zukunftsfähigen Stadtentwicklung voraus - in dem Projekt der Ökostadt Dongtan in der Nähe von Shanghai werden die einzelnen Stadtteile von einem Grüngürtel mit Landwirtschaft umgeben sein, um eine nachhaltige Versorgung mit Lebensmitteln zu sichern. Die Bebauung von Freiham wäre nicht notwendig gewesen, denn im Bereich der Stadt ist an vielen Stellen eine Nachverdichtung möglich, wie jeder bemerken kann, der sich mit offenen Augen durch die Stadt bewegt. Aber Flächen auf der grünen Wiese lassen sich eben leichter vemarkten, und es ist auch nicht ausgeschlossen, dass Firmen ganz gezielt riesige Flächen mit Flachbauten versiegeln, weil sie den nicht vermehrbaren Grund und Boden als gewinnträchtige Investition betrachten.
Der Bedarf an Wohnraum wird in München vorrangig durch Wohnblöcke, Blockrandbebauung, Punkthäuser und Gebiete mit Reihen-, Einfamilien- und Zweifamilienhäusern gedeckt. Die Wohnblöcke sind preiswert aber wenig attraktiv - man zieht ein, bis man sich eventuell den Traum vom Haus mit eigenem Garten leisten kann. Das Einfamlien- haus ist für Normalbürger fast nicht bezahlbar - schon alleine der Münchner Grundstückspreise wegen, die etwa 60% der Gesamtkosten ausmachen.
Deshalb setzt sich die ödp schon seit Jahren für das Modell der Terrassenreihenhäuser mit integriertem nicht störendem Gewerbe ein. Wir sind der Überzeugung, dass sie die Stadthäuser der Zukunft sind. Die Wohnungen in den vier- bis siebenstöckigen Terrassenreihenhäusern sind zwar teurer aber auch wesentlich attraktiver als Wohnungen in Wohnblöcken, bleiben aber noch im bezahlbaren Bereich, weil sie von den Kosten für das Grundstück, den Baukosten, den Heiz- kosten und den Kosten für die Mobilität her - Einsparen des eigenen Kfz - deutlich billiger kommen als das Einfamilienhaus am Stadtrand.
Die weiteren Vorteile der Terrassenreihenhäuser habe ich in meinem "Loblied", einer Besprechung des Buches von Günter Kretzschmar "Städte zum Wohlfühlen - Bauen für eine lebenswerte Zukunft" aufgelistet, das eben in einer zweiten Auflage herausgekommen ist und in dem dieses Projekt beschrieben wird. Hier ist das "Loblied":
"Dieses Buch ist eine Art "Ei des Kolumbus" der zukunftsfähigen Stadtentwicklung. Hier wird eine Idee vorgestellt, die zwar nicht neu ist, die aber in dieser Konsequenz noch nie zuende entwickelt wurde. Es lohnt sich für jeden an Stadtplanung Interessierten, sich damit zu beschäftigen. Man sieht nach der - obendrein vergnüglichen - Lektüre unsere Stadtpläne und künftigen Bauvorhaben mit anderen Augen. Diese "Terrassenreihenhäuser mit integriertem emissionsarmen Gewerbe" sind viel attraktiver als Wohnblöcke und kommen viel billiger als die üblichen ebenerdigen Einfamilienhäuser, Doppelhäuser und Reihenhäuser. Hohe Wohnqualität zu erschwinglichen Preisen - die Familienhäuser
der Zukunft.
Die Terrassenreihenhäuser lösen eine Fülle von Problemen auf einen Streich:
- Ökologische: Sparsamster Flächenverbrauch, Einsparen von Bau- material und Energie, optimierte Sonnenenergienutzung, mehr Grün in der Stadt, weniger Autoverkehr.
- Ökonomische: Siehe unter "Ökologische", dazu noch Einsparen von Wegezeiten, Straßenbau und -wartung.
Beispiel: Um 15.000 Einwohner mit Straßen zu versorgen, braucht man in der herkömmlichen Bauweise mit Einfamilien-, Doppel- und Reihenhäusern etwa 60 Kilometer Straße. Bei den Terrassenreihenhäusern sind es drei (!), die man dann obendrein unter die Erde verlegen kann, weil sich das rechnet.
- Soziale: Generationenübergreifendes Wohnen, Integration von behinderten, alten und pflegebedürftigen Menschen, sichere (da autofreie) Äußenräume für Kinder, Freiraum für Jugendliche, durch die Verbindung von Wohnen und Arbeiten ist bessere Vereinbarkeit von Familie und Beruf möglich, Begünstigung der Entstehung von Nachbarschaften - weniger "soziale Kälte" in der Stadt.
- Verkehrspolitische: Deutliche Veminderung des Individualverkehrs durch kurze Wege in allen Lebensbereichen, optimale Anbindung an den öffentlichen Personennahverkehr, die Wohn- und Aufenthaltsqualität macht die regelmäßige "Wochenendflucht aufs Land" überflüssig, weniger Straßen notwendig.
- Gesundheitspolitische: Deutlich weniger Lärm und Abgase durch Vermeidung von Autoverkehr, sonnige Wohnungen - viel mehr Sonne als bei Blockrandbebauung!, gute Durchlüftung durch Grünschneisen, die diesen Namen verdienen, wohltuende Wirkung von guter Wohnqualität.
- Ästhetische: Annsprechende Bauformen und grüne Umgebung wirken durch ihre Schönheit der Brutalisierung unserer Gesellschaft entgegen."
Soweit die Buchbesprechung.
Die Frage drängt sich auf: Warum wurde so ein Wunderwohnwerk noch nicht gebaut? Weil die meisten Bauträger versuchen (müssen?), möglichst viel (kurzfristigen) Gewinn zu machen. Ich bin immer noch auf der Suche nach einem Bauträger, dem diese gute Idee so einleuchtet, dass er/sie sich dazu entschließt, sie zu realisieren. Wenn Menschen so eine Wohnanlage sehen und wenn Bewohner die Vorteile erleben - dann wird dieses familienfreundliche Stadthaus eine große Zukunft haben. Eine Wohnanlage in Wien, in der Teile dieses Konzeptes verwirklicht wurden, kann sich vor Nachfragen nicht retten.
Mit freundlichen Grüßen
Mechthild v. Walter