Wie kann ein Sachbearbeiter in einem Jobcenter ein “Psychogramm” erstellen, wenn dieser noch nicht einmal über eine psychologisches Grundstudium verfügt?
Sehr geehrter Herr T.,
haben Sie besten Dank für Ihre Zuschrift.
Das Erstellen von Psychogrammen von Leistungsberechtigten durch dafür nicht qualifizierte Mitarbeiter des Jobcenters ist falsch und meiner Meinung nach rechtswidrig. Die Beurteilung der Persönlichkeitsstruktur eines Menschen obliegt ausschließlich ausgebildeten Psychologen, Psychologischen Psychotherapeuten oder Psychiatern. Zudem sollte dies nur mit der Zustimmung des jeweiligen Menschen möglich sein. Das Erstellen eines Psychogramms gegen den Willen oder ohne die Kenntnis der Betroffenen halte ich für moralisch absolut nicht vertretbar – besonders wenn dies von staatlicher Seite aus geschehen sollte.
Im Bürgergeld gibt es eine sogenannte „Potentialanalyse des Leistungsberechtigten“. Diese soll laut Weisungen der Bundesagentur für Arbeit die Stärken der Leistungsberechtigten, wie beispielsweise formale Qualifikationen umfassen. Hinzu kommen noch kommunikative oder soziale Fähigkeiten des oder der Betroffenen. Gegen eine Beurteilung der Fähigkeiten der Leistungsberechtigten ist grundsätzlich nichts einzuwenden; schließlich sollen die Jobangebote des Jobcenters auch zur Person passen. Ein zentrales Merkmal dieser Potentialanalyse ist, dass sie gemeinsam mit dem oder der Leistungsberechtigten durchgeführt werden soll. Das ergibt auch Sinn, da die meisten Menschen ihre Potentiale, Stärken und Schwächen selbst einschätzen können. Die gesamte Weisung zur Erstellung der Kooperationsplänen und Potentialanalysen, können Sie gerne hier nachlesen:
https://www.arbeitsagentur.de/datei/fw-sgb-ii-p15-potenzialanalyse-und-kooperationsplan_ba044231.pdf
Wenn einzelne Mitarbeiter oder Mitarbeiterinnen des Jobcenters nun diese Vorgaben missachten und ohne Zustimmung und ohne Kenntnis Psychogramme Leistungsberechtigter erstellen, dann gehört dies dienstrechtlich verfolgt. Wenn Sie der Meinung sind, dass das bei Ihnen der Fall sei, sollten Sie unbedingt Akteneinsicht beantragen. Unterstützung und Hilfe erhalten Sie dabei in allen sozialrechtlichen Fragen von Ihrer Gewerkschaft oder vom Sozialverband VdK (https://www.vdk.de/).
Grundsätzlich bleibt das Erstellen von Psychogrammen nur ein Symptom eines falschen Systems. Mit dem Bürgergeld - oder passender mit „Hartz V“ - werden immer noch Menschen so lange schikaniert und sanktioniert bis sie einen neuen Job annehmen – egal ob dieser zur Qualifikation oder den Wünschen der Betroffenen passt. Daher fordert Die Linke die Einführung einer einkommens- und vermögensgeprüften sanktionsfreien Mindestsicherung in Höhe von 1200 Euro netto. Durch die Einführung einer solchen sanktionsfreien Mindestsicherung hätten Betroffene genug Zeit, sich um einen Job zu kümmern, der wirklich zu ihren Bedürfnissen und Fähigkeiten passt, ohne Angst haben zu müssen, dass das eh schon viel zu geringe Existenzminimum weiter gekürzt werden würde.
In der Hoffnung, dass das Bürgergeld- und Hartz-IV-System mit all seinen überflüssigen Sanktionen und den viel zu geringen Regelbedarfen (oft noch Regelsätze genannt ) überwunden werden möge, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald MdB