Warum hat die Linke sowohl gegen die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns bei geringfügig Beschäftigten (Juni 2022) als auch gegen die Pflegereform (Mai 2023) gestimmt?
Sehr geehrter Herr Birkwald, die Linke spricht sich ja ausdrücklich für die Erhöhung des gesetzlichen Mindestlohns aus (https://www.die-linke.de/start/presse/detail/zum-tag-der-arbeit-mindestlohn-hoch-ueberstunden-bezahlen-tariftreue-staerken/). Warum haben sie dann gegen die Erhöhung des Mindestlohns bei Geringfügig Beschäftigten im Juni 2022 von 450 Euro auf 520 Euro gestimmt?
Ebenfalls kritisiert die Linke die mangelnde Versorgung und Finanzierung der Pflege (https://www.die-linke.de/themen/pflege-und-gesundheit/), auch im ambulanten Bereich, warum haben sie dann jedoch gegen die Pflegereform im Mai 2023 gestimmt, welche eine bessere Finanzierung in genau diesen Bereichen errreichen will?
Sehr geehrte Frau B.,
haben Sie besten Dank für Ihre Frage.
Die Linke hat im Juni 2022 gegen die Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze bei Minijobs gestimmt, da wir das Konzept der Minijobs jenseits weniger Ausnahmen ablehnen. Minijobs stehen sinnbildlich für prekäre und nicht existenzsichernde Arbeit. So gibt es in Minijobs beispielsweise keinen Anspruch auf Kurzarbeitergeld, Arbeitslosengeld oder Krankengeld, sodass diese Jobs gerade in Krisenzeiten besonders bedroht sind. Minijobs sind besonders günstig für Arbeitgeber, da sie so Lohnnebenkosten geringhalten können.
Zudem gibt es auch gleichstellungspolitische Argumente gegen Minijobs. Minijobs werden überproportional häufig von Frauen ausgeübt, die so weder ihre Existenz eigenständig sichern noch gute Rentenansprüche aufbauen können. Darüber hinaus kommen bei Minijobs oftmals Lohnerhöhungen gar nicht bei den Arbeitnehmern an, da sie, um nicht aus dem Minijob rauszufallen, ihre Arbeitszeit reduzieren müssen.
Daher setzt sich Die Linke dafür ein, dass jegliche abhängige Beschäftigung der vollen Sozialversicherungspflicht unterliegt.
Die Kritik an Minijobs vertritt nicht nur Die Linke, sondern auch der Präsident des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung, Marcel Fratzscher. Einen Beitrag über die arbeitsmarktpolitischen Auswirkungen der Erhöhung der Geringfügigkeitsgrenze bei Minijobs, können Sie hier lesen: https://www.diw.de/de/diw_01.c.834628.de/nachrichten/die_ampel-koalition_vergroessert_das_minijob-problem.html.
Die Pflegereform der Bundesregierung hat Die Linke ebenfalls geschlossen abgelehnt. Das liegt nicht daran, dass wir gegen das Ziel einer besseren Finanzierung der Pflege sind, sondern daran, dass der Gesetzesentwurf der Ampel gar nicht in der Lage war, das sicherzustellen. Durch das Gesetz werden Beitragszahlerinnen und Beitragszahler deutlich stärker belastet; das trifft im Verhältnis oft ärmere Menschen. Daher hat sich Die Linke im Gesetzgebungsverfahren für ein Abschaffen der Beitragsbemessungsgrenze in der Pflegeversicherung eingesetzt. Ab einem Einkommen von 5.175 Euro monatlich steigen die Beiträge zur Pflegeversicherung nicht mehr an, sodass jemand mit einem Monatseinkommen von 30.000 Euro denselben Beitrag wie jemand mit einem Einkommen von 5200 Euro zahlt. Das ist sozial ungerecht und muss dringend geändert werden.
Zudem wird die im Gesetz geplante Dynamisierung der Pflegeleistungen viel zu spät umgesetzt. Trotz der wahnsinnigen Preisansteige in den vergangenen Jahren sollen erst ab 2025 bzw. 2028 die Geld- und Sachleistungen automatisch an die Inflation angepasst werden. Auch dass das Pflegegeld Anfang dieses Jahres nur um fünf Prozent erhöht wurde, obwohl es bei der vergangenen Erhöhung im Jahre 2017 schon viel zu gering war, war ein weiteres Argument gegen dieses Gesetz. Daher hat Die Linke einen eigenen Antrag in die Beratungen zu diesem Gesetzentwurf eingebracht, welchen Sie hier nachlesen können:
https://dserver.bundestag.de/btd/20/065/2006546.pdf
In der Hoffnung, dass ich Ihre Fragen zufriedenstellend beantworten konnte, verbleibe ich
mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald MdB