Frage an Matthias W. Birkwald von Christian R. bezüglich Arbeit und Beschäftigung
Sehr geehrte Damen und Herren,
wird die Bezugsdauer von ALG 1 aufgrund Corona erneut verlängert, bis 31.12.2021?
Sehr geehrter Herr Raith,
haben Sie vielen Dank für Ihre Frage.
Die derzeitige Pandemie- und Arbeitsmarktlage ist sehr schwierig und ich bin überzeugt davon, dass es deshalb geboten gewesen wäre, die Sonderregelung beim Arbeitslosengeld auch 2021 fortzuführen. Ein drei Monate längerer Anspruch kann helfen, die schwierigste Zeit überbrücken.
DIE LINKE hat dies in einem eigenen Antrag im Bundestag gefordert und auch eine entsprechende Anpassung des Regierungsentwurfs angemahnt.
Der erste Antrag meiner Fraktion DIE LINKE. zum Thema (https://dserver.bundestag.de/btd/19/231/1923169.pdf) ist leider in der Sitzung vom 20. November 2020 mit den Stimmen der Fraktionen der Union, der SPD, der FDP und der AfD bei Enthaltung von BÜNDNIS 90/DIE GRÜNEN abgelehnt worden. Nur die Linksfraktion hat in Ihrem Interesse dafür gestimmt.
Wir LINKEN haben bei dem Thema jedoch nicht aufgegeben und haben gegen Ende des vergangenen Jahres einen neuen Antrag eingebracht, der die Forderung enthält: https://dserver.bundestag.de/btd/19/250/1925068.pdf .
Ich habe bei der ersten Lesung im Plenum zu dem Antrag geredet, was die Aspekte der Arbeitslosenversicherung betrifft, und meine Fraktionskollegin Katja Kipping hat zu den Aspekten geredet, die Hartz IV betreffen.
Die Rede einer weiteren Fraktionskollegin können Sie hier ansehen: https://www.youtube.com/watch?v=5lqa2mKTjuM
Auch dieser zweite Antrag ist leider in der Sitzung vom 26. Februar 2021 mit denselben Stimmenverhältnissen wie der erste Antrag im Bundestagsplenum abgelehnt worden. Wir werden dennoch weiterhin - und hoffentlich auch mit Ihrer Unterstützung- Druck auf die Bundesregierung ausüben.
Bedauerlicherweise ist das Zeitfenster für eine nahtlose Fortsetzung der Sonderregelung bereits geschlossen. Eine Fortsetzung der Sonderregelung bleibt zwar dennoch möglich, wäre aber mit Problemen verbunden, die bei einer rechtzeitigen Verlängerung vermeidbar gewesen wären. Wie die Bundesagentur für Arbeit dargelegt hat, wäre eine Verlängerung, die jetzt rückwirkend erfolgt, mit erheblichem zusätzlichem Verwaltungsaufwand verbunden. Das würde auch die ALG-Beziehenden betreffen, weil zunächst ALG II beim Jobcenter beantragt werden muss und dies später mit der Nachzahlung des ALG verrechnet würde (und intern Erstattungsforderungen der Jobcenter an die Bundesagentur für Arbeit gerichtet würden).
Ein solches Chaos wäre nur zu vermeiden gewesen, wenn die Verlängerung der Sonderregelung noch 2020 im Gesetzgebungsverfahren in den Regierungsentwurf aufgenommen worden wäre, wovon sich von den angehörten Sachverständigen der DGB und der frühere Wirtschaftsweise Professor Peter Bofinger ausgesprochen haben. Auch die Bundesagentur für Arbeit war dafür offen.
Zu meinem Verdruss haben sich die Koalitionsfraktionen den guten Argumenten für die Verlängerung aber verschlossen, obwohl die Gründe dafür im Wesentlichen dieselben sind, wie für die Verlängerung der Sonderregelungen zur Kurzarbeit. Wie die Koalition mittlerweile auf Nachfrage ausdrücklich bestätigt hat, geht es ihr schlicht um Einsparungen - nachdem sie der Bundesagentur für Arbeit noch 2019 ohne Not durch die Absenkung des Arbeitslosenversicherungsbeitrags Mittel entzogen hatte, und das auch noch direkt vor Beginn der Pandemie und der Wirtschaftskrise.
Weil die Sonderregelung nicht nahtlos verlängert wurde, kommt es zu einer Sicherungslücke für all jene, deren Anspruch in der Zwischenzeit ausläuft, selbst wenn die Regelung später wiedereingeführt werden sollte. Dabei machen in der aktuellen Situation drei Monate mehr Arbeitslosengeld einen großen Unterschied.
Ich werde mich in jedem Fall weiter persönlich im Bundestagsausschusses für Arbeit und Soziales gemeinsam mit meinen Fraktionskolleg:innen für die Belange all derer einsetzen, die ihren Arbeitsplatz verlieren, egal, ob durch die Pandemie oder aus anderen Gründen. Unabhängig von der Sonderregelung fordern wir LINKEN generell eine Stärkung der Arbeitslosenversicherung sowie die Überwindung des Hartz-IV-Systems durch eine sanktionsfreie soziale Mindestsicherung.
Die Anträge der Linksfraktion dazu, die nach unserer Auffassung auch und gerade in der Krise weiterhin aktuell sind, finden Sie hier:
https://dserver.bundestag.de/btd/19/150/1915046.pdf
https://dserver.bundestag.de/btd/19/150/1915047.pdf
https://dserver.bundestag.de/btd/19/147/1914788.pdf
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald