Frage an Matthias W. Birkwald von Peter H. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Birkwald,
im Rahmen der Corona-Soforthilfen wird vom Bund und Land immer wieder darauf verwiesen, das Selbständige ihren Lebensunterhalt nicht aus der Soforthilfe bestreiten dürfen und für diese Gruppe extra ein erleichterter Zugang zu Harz IV geschaffen wurde.
Wie ist zu rechtfertigen, das eine derart relevaten Unternehmergruppe (über 2.0 Mio in Deutschland) in Harz IV gedrängt werden sollen, anstatt wie zugesichert die Soforthilfe u.a für den Lebenunterhalt nutzen zu können ? Zumal vielen dieser Selbständigen garkein Zugang zu Harz IV bekommen, wenn z.B ein Lebenspartner vorhanden ist, wenn Unterhalt für Kinder gezahlt wird oder wenn auch noch so geringe Einkünfte in der momentanen Zeit erwirtschaftet werden, welche direkt gegengerechnet werden. Wovon sollen diese Menschen leben UND die Corona-Zeit als Selbständige mit ihrem Betrieb überleben ? Warum werden wir unserem Schicksal überlassen ?
Vielen Dank
Mit freundlichen Grüßen
P. H. .IG-NRW
Sehr geehrter Peter Hastig,
dass (Solo-)Selbständige die Corona-Soforthilfen nicht für ihre Lebenshaltungskosten verwenden dürfen, ist nicht zu rechtfertigen. Die berufliche Existenz von unzähligen Selbständigen, Soloselbständigen und Freiberufler*innen steht in der Corona-Krise auf dem Spiel. Zwar haben Bund und Länder zügig Transfer- und Kreditprogramme aufgelegt, doch für (Solo-)Selbständige und Freiberufler*innen bleibt die Lage weiterhin existenzbedrohend. Die finanzielle Sicherung ihrer Lebenshaltungskosten sieht auch das Konjunkturpaket des Bundes nicht vor. Für Millionen von (Solo-)Selbständigen zielt die Trennung von erstattungsfähigen Betriebskosten und Lebenshaltungskosten an ihrer Krisenrealität vorbei. Stattdessen wird der sogenannte vereinfachte Zugang in die Grundsicherung verlängert. Doch die Beantragung der Grundsicherung erweist sich de facto als kompliziert und unpraktikabel. Aufgrund bestehender Regularien – etwa der Anrechnung der Bedarfsgemeinschaft – sind Viele von der Grundsicherung faktisch ausgeschlossen.
Auf Länderebene (wie z.B. kurzzeitig in Berlin, Baden-Württemberg und Nordrhein-Westfalen) gab es Versuche, über Zuschussmodelle einen Teil der Einkommen von Selbstständigen zu sichern und auch in verschiedenen europäischen Mitgliedstaaten existieren Ansätze zum Schutz von Selbstständigen. Im Juni 2020 forderte der Bundesrat die Bundesregierung in einer Entschließung auf, in Abstimmung mit den Ländern ein Bundesprogramm für Selbständige, Freiberufler*innen auf den Weg zu bringen. In der Entschließung macht sich der Bundesrat für eine Lösung stark, „die für den begrenzten Zeitraum der Pandemie die Möglichkeit eines pauschalen monatlichen Zuschusses zur Abfederung von Einnahmeverlusten eröffnet“ (Drucksache 230/20 [Beschluss]). Zuvor haben die Landesregierungen von Bremen und Berlin einen pauschalen Betrag in der Höhe von 1.180 Euro monatlich empfohlen.
Die Bundestagsfraktion DIE LINKE fordert die Bundesregierung auf, den Beschluss des Bundesrats umzusetzen und in Abstimmung mit den Ländern ein Programm in Hinblick auf Bundeshilfen für Selbständige, Freiberufler*innen auf den Weg zu bringen. In diesem Programm soll nicht allein die Kompensation von Betriebskosten, sondern auch die Einkommenssicherung als gleichberechtigtes Kriterium aufgenommen werden. Hierfür soll der Zugang zu einer monatlichen Pauschale in Höhe von mindestens 1.180 Euro ermöglicht werden.
Weitere themenspezifische Forderungen der Fraktion DIE LINKE. im Bundestag findet Sie in unseren Anträgen https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/186/1918692.pdf und https://dip21.bundestag.de/dip21/btd/19/191/1919142.pdf
Mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald