Frage an Matthias W. Birkwald von Marco H. bezüglich Gesellschaftspolitik, soziale Gruppen
Sehr geehrter Herr Birkwald,
ich habe von dem Gesetzentwurf zur "Bekämpfung von Rechtsextremismus und Hasskriminalität" gehört.
U.a. soll das sog. Telemediengesetz geändert werden. In dem Entwurf findet sich unter Artikel 5 "Änderung des Telemediengesetzes" folgender Passus:
§15b Abs. 3 Auskunftsverfahren bei Passwörtern und Zugangsdaten:
"Derjenige, der geschäftsmäßig Telemediendienste erbringt, daran mitwirkt oder den Zugang zur Nutzung daran vermittelt, hat die zu beauskunftenden Daten unverzüglich, vollständig und unverändert zu übermitteln. Eine Verschlüsselung der Daten bleibt unberührt. [ Über das Auskunftsersuchen und die Auskunftserteilung haben
die Verpflichteten gegenüber den Betroffenen sowie Dritten Stillschweigen zu wahren." ]
Wie ist vor allem der in Klammern gesetzte Absatz zu verstehen? Könnten Sie das bitte näher erläutern?
Danke.
Sehr geehrter Herr Heit,
Sie haben mich gebeten, Ihnen den Sinn und Zweck des neuen § 15b Abs. 3 Satz 3 Telemediengesetz darzustellen.
Diese Regelung besagt , dass die Telemedienanbieter nicht dazu berechtigt sind Betroffene von der Übermittlung der Daten an die Strafverfolgungsbehörden zu informieren.
Wenn also beispielsweise Facebook eine Auskunft erteilen muss, weil der Verdacht einer Straftat vorliegt, so darf Facebook dies nicht dem Betroffenen mitteilen.
Die Vorschrift bezieht sich allein auf die Telemedienanbieter. Sie ist im Zusammenhang mit dem § 100j StPO zu lesen. Hier regelt Absatz 4 die Benachrichtigungspflichten der Betroffenen durch die Strafverfolgungsbehörden. Danach ist die betroffene Person zwar grundsätzlich zu benachrichtigen. Allerdings nur dann, wenn der Zweck der Auskunft dadurch nicht vereitelt wird und ihr nicht überwiegende schutzwürdige Belange Dritter oder der betroffenen Person selbst entgegenstehen.
Dabei entspricht die Geheimhaltung der Ermittlungen bis zum Ermittlungserfolg grundsätzlich dem klassischen Vorgehen der Strafverfolgungsbehörden.
Aus unserer Sicht problematisch ist der Umstand, dass mit der Gesetzesänderung sehr weitreichende Auskunftspflichten geschaffen werden, die nicht im Verhältnis zu der vermuteten Straftat stehen. Insbesondere sind die Telemedienanbieter dazu verpflichtet, von nun an alleine bei dem Verdacht einer Straftaten Passwörter und IP Adressen an die Strafverfolgungsbehörden zu übermitteln. Damit wird für diese die Möglichkeit geschaffen auf zahlreiche Profile zuzugreifen, ohne dass ein wirklich begründeter Verdacht vorliegen muss.
In der öffentlichen Anhörung im Bundestag wurde unter anderem vorgeschlagen, hier ein zweistufiges Verfahren einzuführen.
Dann hätten die Telemedienanbieter zuerst nur den Sachverhalt übermitteln müssen und erst wenn nach der Prüfung durch die Strafverfolgungsbehörden ein ausreichender Anfangsverdacht gegeben wäre, hätten diese die Passwörter etc herausverlangen können.
Wir sind der Ansicht, dass schon der Katalog der in Frage kommenden Straftaten der sich aus § 100b StPO ergibt, deutlich zu weitgehend ist. So kann man sich fragen, ob eine so weitgehende Überwachung wirklich durch einen Verstoß gegen beispielsweise das Asylgesetz gerechtfertigt sein sollte. Ich denke nicht.
Daneben wäre aber gewiss das Mindeste das geforderte, aber nicht realisierte, zweistufige Verfahren gewesen.
Die immer weitergehenden Ausforschungsmöglichkeiten der Bürger durch den Staat betrachten wir als LINKE mit großer Besorgnis und werden uns daher auch in Zukunft dafür einsetzen, dass das Grundrecht auf informationelle Selbstbestimmung nicht Schritt für Schritt abgeschafft wird.
Mit freundlichen Grüßen!
Mathias W. Birkwald