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Matthias W. Birkwald
DIE LINKE
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Frage von Elke B. •

Frage an Matthias W. Birkwald von Elke B. bezüglich Soziale Sicherung

Sehr geehrter Herr Birkwald,

erfreut habe ich gelesen, dass auch im nächsten Jahr die Renten wieder um ca. 3 % steigen sollen. Es gibt jedoch ein kleines Problem. 3% sind bei 600 Euro nur 18 Euro, bei 1500 Euro jedoch 45 Euro. So werden immer mehr Rentner in die Grundsicherung getrieben. Der Unterschied zwischen Arm und Reich steigt weiter. Oder gibt es, in der Öffentlichkeit unbekannt, eine Untergrenze? Wenn nicht, warum nicht? Wenn soziale Gerechtigkeit politisch gewollt ist, lassen sich Wege finden und Gesetze ändern! Wie stehen Sie dazu?

Mit freundlichen Grüßen
E. B.

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Antwort von
DIE LINKE

Liebe Frau B.,

vielen Dank für Ihre grundsätzliche und völlig berechtigte Frage zur prozentualen Rentenanpassung, die bei niedrigen Renten sehr geringe Rentenerhöhungen zur Folge hat.

DIE LINKE ist sich den alltäglichen Sorgen und Nöten bewusst, die Menschen mit sehr niedrigen Renten bewegen. Es ist sicherlich frustrierend, wenn die Zeitungen von den "tollen" Rentenerhöhungen schreiben, aber real nur ein paar Euro mehr bei Ihnen ankommen. Wir LINKEN haben dafür zwei konkrete Lösungen in unserem Rentenkonzept, die ich Ihnen gerne näher erläutern will: Die "Rente nach Mindestentgeltpunkten" und die "Solidarische Mindestrente".

Wir sind ehrlich zu Ihnen: Am Prinzip der gesetzlichen Rente, dass jemand, der über sein Leben hinweg mehr in die Rentenkasse einzahlt auch eine höhere Rente erhält als jemand, der weniger einzahlt, wollen wir im Kern festhalten. In der Fachsprache wird dies das "Äquivalenzprinzip" genannt. Außerdem wollen wir auch an dem Prinzip festhalten, dass die Renten automatisch und prozentual so steigen wie die Löhne, um damit sicherzustellen, dass die Rentnerinnen und Rentner am gesellschaftlichen Wohlstand teilhaben und nicht von den Wohlstandszuwächsen abgekoppelt werden.

In Österreich, wo die Renten, wie Sie wissen, grundsätzlich deutlich höher sind, geht man einen anderen Weg. Dort werden die Renten an die Inflation, also an die Preisentwicklung, angepasst. Von Jahr zu Jahr wird dann politisch entschieden, ob es noch etwas extra oben drauf gibt. Das ist sicherlich ein bedenkenswerter Weg, birgt aber auch die Gefahr, dass gute Lohnabschlüsse der Gewerkschaften - wie aktuell in Deutschland - nicht, oder nur reduziert weitergegeben werden. Es besteht zudem die Gefahr, dass die Politik je nach zufälliger Zusammensetzung entscheidet, wie hoch oder wie niedrig die Renten pro Jahr erhöht werden mögen. Mit einem Augenzwinkern gesagt: Wenn DIE LINKE an der Regierung beteiligt wäre, könnte man darüber vielleicht nachdenken, aber in der aktuellen Situation wollen wir, dass alle Kürzungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel gestrichen werden und die Renten 1:1 den Löhnen folgen sollen.

An drei Stellen wollen wir aber dieses Prinzip, dass die Rente den Löhnen folgt und sich nach den eingezahlten Beiträgen errechnet, durchaus ganz in Ihrem Sinne durchbrechen.

Wir fordern erstens, wie Sie sagen, eine echte "Untergrenze" und zwar eine Solidarische Mindestrente und wollen damit erreichen, dass unabhängig vom Einkommen, das jemand während seiner aktiven Phase erzielt hat, niemand im Alter von weniger als 1050 Euro netto leben muss.
Dazu würden wir allen, denen im Alter weniger als 1050 Euro netto im Monat an Einkommen zur Verfügung stehen und die weniger als 68750 Euro an Vermögen haben, einen entsprechenden Zuschlag zahlen, der damit auch weit über der aktuellen Sozialhilfe bzw. Grundsicherung im Alter liegt (795 Euro).
Die Beitragsbemessungsgrenze, die aktuell bei 6.500 Euro monatlichem Bruttoeinkommen liegt, wollen wir in einem ersten Schritt auf 8.200 Euro anheben und langfristig abschaffen, sodass auch Besserverdienende zur Finanzierung der Gesetzlichen Rentenversicherung nach ihrer Leistungsfähigkeit beitragen müssten. Gleichzeitig wollen wir aber die daraus eigentlich resultierenden sehr hohen Rentenansprüche degressiv abflachen, damit daraus keine allzu hohen Renten resultieren. Mit anderen Worten: Wer für Gehälter von mehr als dem doppelten des Durchschnitts in der Rente Beiträge gezahlt hat, soll in der Rente weniger dafür erhalten, als alle Menschen, die weniger als das Doppelte des Durchschnitts verdient haben.

Allerdings wollen wir auch, dass so wenig wie möglich Menschen auf diese Solidarische Mindestrente angewiesen sein sollen.

Drittens wollen wir deshalb Zeiten, in denen man sehr wenig verdient, bei der Rentenberechnung besser stellen. Bis zum Jahr 1991 einschließlich wurden (und werden noch) Beiträge für Zeiten, in denen man einen geringen Lohn erhielt, in der Rentenberechnung einfach verdoppelt bis maximal 3/4 des Durchschnittsverdienstes (0,75 Entgeltpunkte pro Jahr). Für einen Jahresverdienst von 12.000 Euro brutto erhält man also nicht nur 0,3 Entgeltpunkte, die einer monatlichen Rente von 9,60 Euro entsprechen, sondern 0,6 Entgeltpunkte, die immerhin 19,20 Euro Rente brutto im Monat entsprechen. DIE LINKE fordert, dass diese sehr wichtige Regelung entfristet wird und damit für Zeiten ab 1992 und auch in Zukunft wieder gilt und wir fordern sogar, dass erst bei 0,8 Entgeltpunkten gekappt wird, was heute 25,63 Euro monatlicher Rente entspräche.

Wir wollen auch das Rentenniveau für Alle anheben, denn das Ziel, den Lebensstandard im Alter zu sichern, wurde in den vergangenen 15 Jahren systematisch zerstört. Und zwar mit Hilfe der Beitragssatzbegrenzung und den drei Kürzungsfaktoren: dem Nachhaltigkeitsfaktor, dem Nachholfaktor und dem sogenannten Riesterfaktor. Dahinter verbergen sich komplizierte Berechnungen und Rückwirkungen. Denn heute steht bei der herrschenden Politik einerseits im Vordergrund, die Beiträge zur Rentenversicherung zu stabilisieren bzw. zu begrenzen – die Arbeitnehmer*innen sollen ja schließlich „riestern“ und die Arbeitgeber*innen sollen nicht stärker belastet werden – und andererseits die Ausgaben zu drosseln. Mehrausgaben im einen Jahr führen deshalb automatisch zu niedrigeren Rentenerhöhungen im Folgejahr.

Wer echte Teilhabe der Älteren will, muss also endlich die Kürzungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel streichen und wieder zu einem Rentenniveau von 53 Prozent wie im Jahre 2000 zurückkehren.

Für eine Rentnerin oder einen Rentner, der nach 45 Jahren Durchschnittsverdienst aktuell 1.281 Euro Rente netto im Monat bezieht, wären das dann immerhin 128 Euro mehr Rente im Monat. Das Rentenniveau zu erhöhen, fordern auch die Gewerkschaften und alle Sozialverbände; der Paritätische Wohlfahrtsverband und der Sozialverband Deutschland fordern ebenfalls 53 Prozent Rentenniveau. Das würde in den kommenden Jahren die Renten der älteren Generation stabilisieren und wachsen statt sinken lassen. Dieser Weg würde zugleich auch die Jüngeren davon überzeugen, nicht nur auf die Höhe ihrer Beiträge zu schielen, sondern mit einem Blick auf die jährliche Renteninformation zu sehen: Die gesetzliche Rente ist sicher – und zwar deutlich sicherer als jede privat finanzierte Zusatzversicherung. Die Deutsche Rentenversicherung hat kürzlich errechnet, dass beispielsweise verheiratete Männer und Frauen, die 2040 in eine gesetzliche Rente gehen, noch mit einer Rendite von 3,3 Prozent rechnen können. Das sind Werte von denen man bei Riesterverträgen nur träumen kann!
Eine moderate jährliche Beitragserhöhung würde zusammen mit einem Ende der unsinnigen Riesterförderung finanzielle Spielräume für diese Große Rentenreform eröffnen. Denn damit könnte das Rentenniveau angehoben, die Regelaltersgrenze wieder von 67 auf 65 gesenkt und eine armutsfeste Erwerbsminderungsrente geschaffen werden. Das sind aktuell die wichtigsten Herausforderungen.

Ich hoffe, dass Sie das LINKE Rentenkonzept, das mit verschiedenen Bausteinen zu einer für Alle höheren und gerechteren Rente kommen will, überzeugt hat!

Wenn Sie sich noch genauer einlesen wollen, empfehle ich Ihnen die Publikation "Solidarische Mindest­rente statt Altersarmut - Das Rentenkonzept der Partei und der Bundestagsfraktion DIE LINKE", die Sie hier downloaden können: https://www.matthias-w-birkwald.de/de/article/1167.solidarische-mindestsrente-statt-altersarmut.html

Mit freundlichen Grüßen,

Ihr Matthias W. Birkwald

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