Frage an Matthias W. Birkwald von Heike R. bezüglich Soziale Sicherung
Sehr geehrter Herr Birkwald,
ich lese vermehrt, und scheinbar nicht zufällig platziert, dass unsere Rente schlecht geredet und eine dringende Abkehr "angemahnt" wird.
Quelle: https://de.finance.yahoo.com/nachrichten/rente-63-gef%c3%a4hrdet-deutschlands-erfolgsgeschichte-121010327.html
Wieso gefährden die rasant steigenden Pensionslasten der Beamten nicht Deutschlands Zukunft? Dies Lasten muss ja auch der Rentner und Steuerzahler schultern?
quelle: https://www.focus.de/finanzen/altersvorsorge/pensionslasten-steigen-rasant-647-milliarden-euro-so-teuer-kommen-deutschlands-beamte-die-steuerzahler_id_7356813.html
Wenn das BVG einmal für die Beamten entschieden hat, weshalb wird dann nicht das Gesetz geändert, weg von der Vollversorgung der Pensionäre?
Findet die SPD die Pensionsversorgung heute noch gerecht??? Wird der Bundestag von Beamten "dominiert" ???
Herr Birkwald, ich kenne viele arme Rentner, aber nicht einen wirklich armen Pensionär. Wie steht es da ganz konkret mit Ihnen???
Wieso gefährden geforderte Rüstungsausgaben, die Milliardenlasten für Migranten und für europäische "Pleiteländer" nicht Deutschlands Zukunft?
Wieso soll immer nur bei den Renten negativ gehandelt werden, wo die Pensionslasten doch viel dramatischer für Deutschland sind? Warum eigentlich darüber keine öffentliche und intensive Debatte?
Mit freundlichem Gruß
H. R.
Liebe Frau R.,
vielen Dank für Ihre besorgten Fragen rund um die Zukunft der Rente.
Lassen Sie mich zu Beginn erst einmal grundsätzlich sagen, dass DIE LINKE im Bundestag eine andere Herangehensweise hat als die von Ihnen zitierten Artikel! Viele Journalist*innen oder vermeintliche Expert*innen argumentieren ja wahlweise mit steigenden Pensionslasten für Beamt*innen, Ausgaben für die Integration von Flüchtlingen oder Rettungspaketen für europäische Nachbarländer und versuchen den Eindruck zu erzeugen, deshalb wäre nicht mehr genug Geld für eine gute Rente und einen Ausbau des Sozialstaates vorhanden. Andere versuchen Panik zu verbreiten, weil in Deutschland angeblich zu wenige Kinder geboren würden und immer weniger „Junge“ immer mehr „Alte“ finanzieren müssten.
Dieses Spiel, Bevölkerungsgruppen oder notwendige Staatsausgaben gegeneinander auszuspielen macht DIE LINKE nicht mit. Wir LINKEN wollen, dass Geflüchtete, Beamt*innen, Kinder und Jugendliche aber eben auch Rentner*innen frei von Angst vor Armut oder einem sinkenden Lebensstandard leben können.
Bei den Rüstungsausgaben sprechen Sie uns voll und ganz aus der Seele. Die Jahr für Jahr steigenden Rüstungsausgaben wollen wir wirklich zurückfahren und das Geld in sinnvolle Bereiche wie zum Beispiel den Ausbau der Kinderbetreuung stecken.
Auch bei den Beamt*innen oder der Altersversorgung von Politiker*innen sehen wir ein Gerechtigkeitsproblem. DIE LINKE fordert deshalb, dass für alle Erwerbseinkommen Beiträge in die Gesetzliche Rentenversicherung gezahlt werden – auch für die von Selbständigen, Freiberufler*innen, Beamt*innen, Manager*innen und Politiker*innen, egal, ob sie Abgeordnete (so wie ich), Staatssekretär*innen, Minister*innen oder Kanzler*innen sind.
Gleichzeitig wollen wir die Beitragsbemessungsgrenze in einem ersten Schritt auf die bereits existierende Grenze der knappschaftlichen Rentenversicherung (knapp 100.000 Euro im Jahr) anheben, um sie letztendlich schrittweise vollständig aufzuheben; die Rentenhöhe der Rentenansprüche über dem doppelten des Durchschnittes der Standardrente (zur Zeit Renten von über 2882 Euro) soll degressiv gestaltet, also abgeflacht werden. Es soll somit eine Beitragsäquivalenzgrenze eingeführt werden. Damit würde die Solidarität gestärkt werden und das Auseinanderdriften von Beamtenpensionen und gesetzlichen Renten verhindert werden. Mehr Versicherte bedeuteten in einem solidarischen und umlagefinanzierten System auch niedrigere Beiträge für Alle. Das gleiche gilt für die gesetzliche Krankenversicherung. Hier wollen wir aus Gerechtigkeitsgründen auch hohe Vermögen, Mieten und Zinsen mit heranziehen.
Wer echte Teilhabe der Älteren will, muss endlich die Kürzungsfaktoren aus der Rentenanpassungsformel streichen und wieder zu einem Rentenniveau von 53 Prozent wie im Jahre 2000 zurückkehren. Das fordern zum Beispiel die Sozialverbände Paritätischer und SoVD. Die Gewerkschaften und weitere Sozialverbände fordern eine deutliche Anhebung des Rentenniveaus. Das würde in den kommenden Jahren die Renten der älteren Generation stabilisieren bzw. steigen lassen. Dieser Weg würde zugleich auch die Jüngeren davon überzeugen, nicht nur auf die Höhe ihrer Beiträge zu schielen, sondern mit einem Blick auf die jährliche Renteninformation zu sehen: Die gesetzliche Rente ist sicher – und zwar deutlich sicherer als jede privat finanzierte Zusatzversicherung. Die Deutsche Rentenversicherung hat kürzlich errechnet, dass beispielsweise verheiratete Männer und Frauen, die 2040 in eine gesetzliche Rente gehen, noch mit einer Rendite von bis zu 3,3 Prozent rechnen können. Das sind Werte, von denen man bei Riesterverträgen nur träumen kann!
Eine moderate jährliche Beitragserhöhung würde zusammen mit einem Ende der unsinnigen Riesterförderung finanzielle Spielräume für diese große Rentenreform eröffnen; denn damit könnte das Rentenniveau stabilisiert und angehoben, die Regelaltersgrenze wieder von 67 auf 65 gesenkt und eine armutsfeste Erwerbsminderungsrente geschaffen werden. Das sind aktuell die wichtigsten Herausforderungen.
Die Rückkehr zu einem Rentenniveau von 53 Prozent würde bedeuten, dass eine sogenannte Standardrente nach 45 Beitragsjahren nicht mehr bei nur 1281 Euro sondern bei 1409 Euro netto liegen würde, also 128 Euro mehr netto im Monat.
Wer auf lange Phasen mit schlechten Löhnen, Arbeitslosigkeit oder Krankheit zurückblicken muss, erreicht aber auch mit einem guten Rentenniveau keine Rente, die im Alter ein Leben frei von Armut ermöglicht. DIE LINKE fordert deshalb eine steuerfinanzierte, einkommens- und vermögensgeprüfte Solidarische Mindestrente von 1.050 EUR netto für allein lebende Menschen.
Genauere Informationen zu unserem Rentenkonzept finden Sie hier:
www.matthias-w-birkwald.de/de/article/1167.solidarische-mindestsrente-statt-altersarmut.html
Ich hoffe, damit Ihre Fragen ausreichend beantwortet zu haben und verbleibe mit freundlichen Grüßen,
Ihr Matthias W. Birkwald MdB, Rentenpolitischer Sprecher der Bundestagsfraktion DIE LINKE.