Frage an Matthias W. Birkwald von Christian K. bezüglich Recht
Sehr geehrter Herr Birkwald,
ich würde gerne von Ihnen erfahren, wie Sie bzw. Ihre Partei zu der Finanzierung der Kirchen durch die Allgemeinheit stehen.
Dabei geht es mir ausdrücklich nicht um die Ausstattungen für Staatsleistungen durch Diakonie und Caritas (ca. 45 Mrd. € jährlich, Stand 2010) oder die Einnahmen durch die Kirchensteuer in Höhe von ca. 10 Mrd. €, mir geht es um die weiteren Zuwendungen, Subventionen und Steuerbefreiungen an die Kirchen und ihre Einrichungen in Höhe von rund 19 Mrd. € jährlich.
Mir erschließt sich nicht, warum ich mich als Konfessionsloser bspw. an der Finanzierung der Theologenausbildung beteiligen muss (über 620 Mio € jährlich durch die Länder, wobei ein Theologieprofessor im Vergleich zu einem Wirtschaftsprofessor nur rund ein Zehntel der Studenten zu betreuen hat) oder warum ich die üppigen Gehälter von Bischöfen, Kardinälen etc. zu finanzieren habe.
Völlig absurd wird es dann, wenn man bedenkt, dass die Herren Durchlauchten sich trotz ihrer 5-stelligen Gehälter weder an Renten- noch an Arbeitslosenversicherung beteiligen müssen. Wie christlich!
Wie stehen Sie bzw. Ihre Partei zu dieser Privilegierung christlicher Konfessionen gegenüber Konfessionslosen (deren Anteil in der Bevölkerung wohlgemerkt mittlerweile größer ist als die jeder Konfession)?
Planen Sie bzw. Ihre Partei, gegen diese Ungerechtigkeit vorzugehen und falls ja, wie?
Mit freundlichen Grüßen
Christian Kafka
Sehr geehrter Herr Kafka,
vielen Dank für Ihre Anfrage.
DIE LINKE will die Kirchenfinanzierung reformieren. Im Wahlprogramm 2017 schreiben wir: "Wir treten für die institutionelle Trennung von Staat und Kirche ein. Die Kirchen sollen ihre Mitgliedsbeiträge selbstständig und selbstverantwortlich erheben. Wir treten für den seit 1919 bestehenden Verfassungsauftrag zur Ablösung der Staatsleistungen an die Kirchen ein. Die Militärseelsorge wollen wir abschaffen. Sie entspricht in der jetzigen Form nicht dem verfassungsmäßig gegebenen Recht auf Religionsfreiheit und ist auch innerhalb der Kirchen umstritten. Sie muss durch einen Vertrag ersetzt werden, der eine religiöse Betreuung durch alle Religions- und Weltanschauungsgemeinschaften und eine freie Religionsausübung der Angehörigen der Bundeswehr garantiert. Das Weisungsrecht für Pfarrerinnen und Pfarrer und die staatliche Finanzierung durch die Bundeswehr müssen abgeschafft werden." https://www.die-linke.de/wahlen/wahlprogramm/xvii-fuer-eine-demokratie-in-der-es-etwas-zu-entscheiden-gibt/.
DIE LINKE im Bundestag hat zur Evaluierung und Ablösung der Staatsleistungen seit dem Jahr 1803 einen Antrag eingebracht, der mit den Stimmen von Union und SPD abgelehnt wurde. http://dip21.bundestag.de/dip21/btd/18/048/1804842.pdf . Die Evaluierung schließt dabei die Überprüfung und transparente Offenlegung aller finanziellen Verhältnisse ein, die allein schon deshalb kompliziert sind, weil es sich um in den letzten 100 Jahren entstandene und vielfältige vertragliche Regelungen auf Bundes-, Landes- und Kommunalebene handelt.
Religionsbezogene Wissenschaften und Theologien an Hochschulen sollen auf Grund der Empfehlungen des Wissenschaftsrates 2010 weiter entwickelt und ausgebaut werden, was auch für Schulen gilt https://www.wissenschaftsrat.de/download/archiv/9678-10.pdf .
Auch der Humanistische Verband als der größte Verband areligiöser Menschen spricht sich für Religionsunterricht als Wahl- und einen Ethikunterricht als Pflichtfach aus; z. B. Interview mit Thomas Heinrichs vom 2.6.17 https://hpd.de/artikel/konfessionsfreie-im-recht-14483.
In diesem Jahr erhielt der Kirchentag genauso wie der Humanistentag staatliche Zuwendungen. Der Humanistische Verband betreibt genauso wie die Kirchen und die jüdischen und muslimischen Vereine Kitas und Schulen. All diese Organisationen leisten ihren Beitrag für die ganze Gesellschaft, auch wenn sie für sich zunächst verschiedene Gruppen ansprechen.
DIE LINKE steht dafür ein, dass zivilgesellschaftliche Organisationen finanziell sicher planen können, damit sie nicht von Spenden und damit den politischen Vorstellungen großer Konzerne abhängig sind.
Mit freundlichen Grüßen
Ihr
Matthias W. Birkwald MdB